Milliardenmarkt Geldtransfers Wie MoneyGram und Co. funktionieren
Wer nach Deutschland einwandert, unterstützt oft weiter die Familie im Ausland. Das ist für Anbieter von Geldtransfer-Systemen ein lukratives Geschäft. Dabei treffen die hohen Gebühren ausgerechnet Menschen, die sowieso kaum Geld haben.
Vor einer Filiale des Geldtransferdienstes MoneyGram in Kassel steht Manuela Szynszy und schüttelt den Kopf. "Ich habe 200 Euro überwiesen und musste 20 Euro an Gebühren bezahlen", ärgert sie sich: "Das sind zehn Prozent. Aber andere Anbieter wären auch nicht billiger gewesen." Szynszy hat Familie in der Türkei, die sie regelmäßig unterstützt. Rund 500 Euro überweist sie jeden Monat.
Das Problem, das Szynszy schildert, bekommt Zaman Mohammad immer wieder zu hören. Er betreibt einen kleinen Lebensmittelmarkt in Kassel. Um sich etwas dazu zu verdienen, bietet er Geldtransfers über den Dienst MoneyGram an. Das funktioniert für ihn im Grunde wie die Paketshops, die deutschlandweit verteilt sind: ein Zusatzgeschäft zum eigentlichen Unternehmen. Zwischen Reissäcken, Chipstüten und Bierdosen steht sein Computer, über den in guten Monaten rund 20.000 Euro ins Ausland transferiert werden.
"Die meisten Leute schicken Geld, um ihre Familie zu unterstützen, weil die in ihrer Heimat keine Arbeit finden. Oder die krank geworden sind und keine Krankenversicherung haben", so Mohammad. Wie viel MoneyGram ihm pro Transaktion zahlt, darf er nicht sagen: "Viele Kunden schimpfen über die Gebühren, und sie klagen auch darüber, dass sie in ihrer Heimat zu wenig Geld ausgezahlt bekommen."
Versteckte Gebühren: Wechselkursdifferenzen
Was Mohammad meint, sind die sogenannten Wechselkursdifferenzen. Ein Problem, das Dagmar Sikusa gut kennt. Sie unterstützt seit vielen Jahren Menschen finanziell in Indien. Das Problem: Sie zahlt Euro ein, und der Empfänger bekommt vor Ort Rupien ausgezahlt, aber zu einem deutlich schlechteren Wechselkurs als dem Offiziellen. "Gerade erst habe ich im Internet nachgeschaut und einen Wechselkurs von 1:100 angeboten bekommen. Also 100 Rupien für einen Euro. Ich habe dann 200 Euro nach Indien überwiesen, und dort haben meine Freunde gerade mal 81 Rupien pro Euro bekommen."
Die 75-Jährige hat aber keine andere Möglichkeit, das Geld schnell nach Indien zu bekommen. Der Ort, in dem ihre Bekannten leben, hat keine Bankfiliale. Und das ist weltweit auch eine Art Daseinsberechtigung für die Geldtransfer-Unternehmen. "Natürlich ist das keine Abzocke, die verbergen ja nichts, aber wenn ich am Ende der Transaktion den Wertverlust meiner Überweisung berechne, dann ist das schon mächtig."
Experten warnen vor Geldwäsche
So sieht das auch Lars Wellejus. Er ist Professor für Betriebswirtschaft an der University of Applied Sciences in Frankfurt. "Bei den Wechselkursdifferenzen kann man sicherlich reinfallen und dann auch schnell nochmal zehn bis 20 Prozent seines Geldes verlieren, wenn man nicht aufpasst."
Weltmarktführer bei den Geldtransfers ist die amerikanische Firma Western Union. Eigenen Angaben zufolge versendet sie pro Tag 16.000 Mal Geld im Kundenauftrag an eine der weltweit 500.000 Filialen. Auch MoneyGram, der zweite große Geldtransferdienstleister auf dem Weltmarkt, kommt aus Amerika. Das Unternehmen konnte seinen Umsatz seit 2015 von 1,2 Milliarden US-Dollar auf 3,7 Milliarden Dollar im Jahr 2023 mehr als verdreifachen.
Wellejus sieht in dem Überweisungssystem auch ein großes Sicherheitsproblem: "Es gibt seriöse Möglichkeiten, Geld zu transferieren, aber auch zahllose unseriöse Anbieter, bei denen sicher auch Geldwäsche eine große Rolle spielt." Gefährlich sei zudem, dass man beim Geldverschicken über diese Dienste nahezu anonym ist: "Anders als bei einem Bankkonto haben wir hier keine Transaktionsgeschichte, mit der wir analysieren könnten, ob etwas auffällig ist oder nicht. Deswegen haben wir eine deutlich schwächere Betrugsprävention, auch in Deutschland."
Warum wird das System überhaupt genutzt?
Um die Familien im Geburtsland zu unterstützen, wurden laut Bundesbank 2022 mehr als sieben Milliarden Euro allein aus Deutschland ins Ausland überwiesen, eine Milliarde mehr als im Jahr zuvor. Aber warum nutzen so viele Menschen Geldtransferanbieter, wenn die Gebühren so hoch sind?
Manuela Szynszy hat dafür eine einfache Erklärung: "Das geht einfach viel schneller, man verschickt das Geld, und innerhalb von ein paar Minuten kann der Empfänger es abheben." Bei einer Bank dauere es drei oder vier Tage. Für Menschen, die kein Bankkonto haben und in abgelegenen Ecken wohnen - wie beispielsweise auch viele Familie in Syrien - ist es die Beste Möglichkeit, an Geld zu kommen.
Und was die hohen Transaktionskosten anbelangt, ist sogar Besserung in Sicht, erklärt Experte Wellejus: "Die Vereinten Nationen haben sich das Ziel gesetzt, die Kosten von Geldtransfers bis 2030 auf drei Prozent zu senken." Um dieses Ziel zu erreichen, sollen unter anderem kostengünstige Geldtransfersysteme gefördert werden. Wie die konkrete Umsetzung in Deutschland aussehen kann, ist aber noch nicht geklärt.