Containerschiffe in Bremerhaven.

Vergleich der OECD Deutschland ist Schlusslicht der Industrieländer

Stand: 04.12.2024 11:21 Uhr

Die Wirtschaft in Deutschland wird 2025 laut der Industriestaaten-Organisation OECD so schwach wachsen wie in keinem anderen entwickelten Staat. Experten sehen einen ganzen Mix von Problemen, der die Unternehmen belastet.

Deutschland wird nach einer Prognose der Industriestaaten-Organisation OECD im kommenden Jahr so langsam wachsen wie keine andere entwickelte Wirtschaftsnation. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte lediglich um 0,7 Prozent zulegen, heißt es in dem heute veröffentlichten Wirtschaftsausblick. Im Mai war noch ein Plus von 1,1 Prozent erwartet worden.

"2025 ist Deutschland das Schlusslicht unter den OECD-Ländern", sagte Isabell Koske, Expertin der in Paris ansässigen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), zu der weltweit insgesamt 38 Länder mit einer starken Industrie gehören. Zum Vergleich: Die Euro-Zone insgesamt soll mit 1,3 Prozent nahezu doppelt so schnell wachsen, die USA mit 2,4 Prozent mehr als dreimal so schnell.

Im zu Ende gehenden Jahr dürfte Deutschland als Europas größte Volkswirtschaft sogar nur stagnieren, erklärte die OECD. Nur Österreich, Estland, Lettland, Finnland und Irland sollen 2024 noch schlechter abschneiden. Erst 2026 werde es mit 1,2 Prozent wieder für ein kräftigeres Wachstum reichen.

Schwache Produktion, restriktive Fiskalpolitik

Auch zahlreiche deutsche Wirtschaftsexperten hatten ihre Vorhersage für die heimische Konjunktur zuletzt nach unten korrigiert. So sagen die sogenannten "Wirtschaftsweisen" für das kommende Jahr nur noch ein Mini-Wachstum um 0,4 Prozent voraus. Die OECD sieht als Hauptursache für die Dauerflaute in Deutschland die schwache Produktion. "Dies liegt besonders an der schwachen Exportnachfrage aus China, welche besonders die deutsche Industrie trifft", sagte der OECD-Experte Robert Grundke. Diese weise stärkere Handelsverflechtungen mit der Volkswirtschaft auf als die aller anderen großen Industrieländer.

"Die Konkurrenz chinesischer Produkte macht deutschen Herstellern, vor allem der Autoindustrie, in anderen Absatzmärkten zu schaffen", so Grundke. Auch die Produktion in den energieintensiven Industrien liege noch immer weit unter dem Niveau vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

Diese Einschätzung bestätigte heute auch die aktuelle Geschäftsklima-Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK), Demnach blicken deutsche Firmen in China so pessimistisch wie noch nie in die nähere Zukunft. Der Umfrage zufolge erwartet nur knapp ein Drittel der befragten Unternehmen positive Entwicklungen in ihrer Branche für das kommende Jahr - ein historischer Tiefstand.

Unsicherheit belastet Unternehmen

"Ein weiterer Grund für das relativ schwache Wachstum in Deutschland ist die im Vergleich zu anderen Ländern der Eurozone restriktivere Fiskalpolitik", sagte die OECD-Expertin Koske. Die Wiedereinsetzung der Schuldenbremse und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die Nutzung von Sondervermögen zur Finanzierung von Ausgaben eingeschränkt hat, führten 2024 zu einer starken Reduzierung der öffentlichen Ausgaben. "Dies hat das Wachstum verlangsamt, aber auch entscheidend dazu beigetragen, dass die Inflation zuletzt stark gesunken ist."

Durch das Scheitern der Ampelregierung gebe es noch keinen Etat für 2025, was zur Unsicherheit für Unternehmen und Haushalte beitrage. Die OECD rät der Politik dazu, für Planungssicherheit beim Erreichen der Klimaziele zu sorgen. "Bereits gefallene Entscheidungen, zum Beispiel auf dem Weg zur Elektromobilität, wieder infrage zu stellen, erzeugt große Unsicherheit und behindert Investitionen", erklärte Grundke.

Die Finanzierung von geplanten Projekten im Klima- und Transformationsfonds müsse geklärt werden, um für Firmen und Haushalte Planungssicherheit zu schaffen. Finanzieller Spielraum könne etwa durch das Streichen umweltschädlicher und anderer verzerrender Steuervergünstigungen geschaffen werden - vom Dienstwagenprivileg über Dieselsubvention bis hin zu Erbschaftsteuer-Ausnahmen.

"Dies sollte mit einer Reform der Schuldenbremse verbunden werden, um den Spielraum für Netto-Investitionen zu erhöhen", schlagen die beiden OECD-Experten vor. Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung berge zudem großes Potenzial, um den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Verbraucher zu senken.

Bundesbank-Chef für Reform der Schuldenbremse

Auch Bundesbank-Chef Joachim Nagel spricht sich für Änderungen bei der Schuldenbremse aus. Mehr fiskalischer Spielraum etwa für höhere Verteidigungsausgaben und die Modernisierung der Infrastruktur wäre ein "sehr kluger Ansatz", sagte Nagel der "Financial Times". So könne darüber nachgedacht werden, zwischen staatlichen Konsumausgaben und Investitionen zu unterscheiden, "um mehr Spielraum für strukturelle Investitionen zu bekommen".

Das Wachstum könnte sogar noch schwächer ausfallen, sollte der designierte US-Präsident Donald Trump wie von ihm angekündigt pauschale Zölle einführen, warnte der Zentralbanker. "Wenn man zu den aktuellen Prognosen noch größere Zollerhöhungen hinzufügt, könnte die Wirtschaft im Großen und Ganzen noch länger stagnieren", sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB).

Das Land könne die Konjunkturwende aber schaffen. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Deutschland verändert, wenn es Schmerzen spürt", sagte Nagel.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Dezember 2024 um 11:14 Uhr.