US-Schuldenobergrenze Droht ein Staatsbankrott der USA?
Die US-Finanzministerin Yellen hat vor einer weltweiten Panik an den Finanzmärkten für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit gewarnt. Wie wahrscheinlich ist eine Staatspleite der USA?
Bereits seit Wochen streiten sich Republikaner und Demokraten um die Anhebung der Schuldenobergrenze. Nur noch rund zwei Wochen könnte es dauern, bis die USA vor einem möglichen Zahlungsausfall stehen. Aktuell liegt die Schuldenobergrenze bei etwa 31,4 Billionen Dollar. Sie wurde bereits Mitte Januar dieses Jahres erreicht. Deshalb können die USA keine weiteren Schulden aufnehmen, um die laufenden Rechnungen zu begleichen.
Um die Grenze zu erhöhen, muss der US-Kongress zustimmen. Natürlich wollen die Republikaner im US-Kongress die Regierung unter US-Präsident Joe Biden zu Zugeständnissen und Ausgabenkürzungen zwingen.
Kompromiss gesucht
Dienstagabend traf sich Biden deshalb auf der Suche nach einem Kompromiss mit Vertretern der Republikaner und Demokraten. Unter ihnen auch der Vorsitzende des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Zu einem Durchbruch kam es nicht, wohl aber zu einer vorsichtigen Annäherung. Biden zeigte sich "optimistisch", dass beide Parteien eine "verantwortungsvolle" Haushaltslösung finden könnten.
Derzeit wird der Staatsbetrieb mit außergewöhnlichen Maßnahmen aufrechterhalten, um den Finanzmangel so lange wie möglich zu kompensieren. Zu den Maßnahmen, zu denen Experten zufolge von der Regierung gegriffen werden könne, gehört beispielsweise, dass das Finanzministerium Barmittel bei der US-Notenbank Federal Reserve nutze, wie die Fachleute von JP Morgan schreiben. Möglich sei es auch durch rechnerische Tricks, einige Staatsinvestitionen einzuschränken und die Höhe der Verbindlichkeiten zu verringern, die der Schuldengrenze unterlägen.
Shutdown in wenigen Tagen
Aber diese Methoden werden irgendwann ausgereizt sein. US-Finanzministerin Janet Yellen hatte deshalb vor einigen Tagen an den republikanischen Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, geschrieben, die Regierung werde "Anfang Juni, möglicherweise schon am 1. Juni" nicht mehr in der Lage sein, ihre Verpflichtungen einzuhalten.
Dann stünden zur Bedienung aller möglichen Ausgaben, von Renten über Zinsen bis zu Zahlungen an private Unternehmen, die für die Regierung tätig sind, nicht mehr genug Mittel zur Verfügung, so Helaba-Ökonom Patrick Franke. Für Millionen Bürger könnten die Gehaltszahlungen ausfallen, behördliche Leistungen könnten eingestellt werden, Staatsbeamte in den Zwangsurlaub geschickt werden.
Chaos an den Finanzmärkten vermeiden
Das könnte ernste Folgen für die USA und die Welt haben: Wenn die Schuldenobergrenze nicht rechtzeitig angehoben werde, würden die USA zahlungsunfähig und in einen sogenannten Default, einen Zahlungsausfall rutschen, erklärt Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management. Das bedeutet, dass die USA ihre Staatschulden nicht mehr bedienen würden. "Ein Zahlungsausfall wäre eine wirtschaftliche Katastrophe, da US-Staatsanleihen nicht mehr im Finanzsystem als Sicherheit für Finanzgeschäfte verwendet werden könnten. Die Folge könnte laut Walz ein kompletter Stillstand der Finanzmärkte und der Wirtschaft sein.
Auch die US-Finanzministerin Janet Yellen warnte heute vor einem weltweiten Finanzbeben für den Fall eines Zahlungsausfalls. Es sei dann sehr gut vorstellbar, dass eine Reihe von Märkten zusammenbräche und eine "weltweite Panik" entstehe.
Die meisten Marktbeobachter rechnen bislang nicht mit dieser schlimmsten Konsequenz. Es bestehe zwar das reale Risiko, dass dem US-Finanzministerium tatsächlich das Geld ausgehe, meint Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay Asset Management. "Sollte dies möglicherweise schon Anfang Juni passieren, dürfte die Regierung dem Schuldendienst Vorrang einräumen, um einen Zahlungsausfall und das daraus resultierende Chaos an den Finanzmärkten zu vermeiden."
Ein altbekanntes Szenario
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass eher mit einer Einigung zu rechnen ist: Seit ihrer Einführung im Jahr 1917 wurde die Schuldenobergrenze mehr als hundertmal erhöht. "Wir gehen davon aus, dass hier das gleiche Szenario wie bei früheren Debatten um die Schuldenobergrenze zum Tragen kommt: Die Verhandlungen werden bis zum Äußersten gehen, aber die Krise wird im letzten Moment abgewendet werden, wenn auch nur durch eine oder mehrere vorläufige Vereinbarungen", schreiben Jim Cielinsk und Garrett Strum, Marktexperten bei Janus Henderson Investors in einem aktuellen Kommentar.
"Bislang konnte immer die besagte Schuldenobergrenze angehoben und Schlimmeres verhindert werden", meint auch Christian Henke, Marktbeobachter bei IG Markets. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner würden wohl einen Zahlungsausfall und Verwerfungen an den Kapitalmärkten spätestens fünf vor zwölf vermeiden. Ob das aber letztlich auch so eintritt, weiß natürlich niemand - der Blick in die Vergangenheit erlaubt nur sehr bedingte Prognosen für die Zukunft.
Es könnte eine Rezession drohen
Denn diesmal ist die Lage besonders verfahren: Die Präsidentschaftswahlen würden schon ihre Schatten vorauswerfen, unterstreicht Metzler-Experte Walk. "Die Republikaner möchten ihre Zustimmung zu einer Anhebung davon abhängig machen, dass erhebliche Sparmaßnahmen beschlossen werden." Davon würden rezessive Tendenzen ausgehen, erklärt der Fachmann - und das ausgerechnet in einer derzeit ohnehin angespannten globalen Konjunkturlage. Laut Walk würde eine Rezession vor oder im Wahljahr die Wiederwahlchancen von US-Präsident Joe Biden erheblich verringern, sodass die Demokraten den Forderungen der Republikaner nicht zustimmen könnten.
Es ist fraglich, ob dieser beinahe ritualisiert wirkende, stetig wiederkehrende Parteienzank überhaupt irgendwem wirklich nützt: "Traurig ist die politische Farce in Washington unabhängig von ihrem Ausgang auch deshalb, weil sie teilweise den Blick verstellt auf echte ökonomische und gravierende Herausforderungen, die sich hinsichtlich von Defiziten und Schulden in den kommenden Jahren ergeben werden“, kommentiert der Ökonom Franke. Hierzu zählt er demografische Trends, höhere Zinsen und die Notwendigkeit für umfangreiche neue Ausgaben, etwa für die Klimawende.