Einnahmen der Energiekonzerne Warum der Bund so wenige Gewinne abgeschöpft hat
Die Idee klang gut: Übermäßige Gewinne von Energiekonzernen sollten dabei helfen, Verbraucher zu entlasten. Aktuelle Zahlen zeigen: Der Bund hat deutlich weniger "Zufallsgewinne" abgeschöpft als ursprünglich gedacht.
Sommer 2022: Die Bundesregierung diskutiert, wie die Bürgerinnen und Bürger entlastet werden können. Ein großes Problem: Die Strompreise sind in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine stark gestiegen. "Dort gibt es Zufallsgewinne, Übergewinne, die erzielt werden", stellt Bundeskanzler Olaf Scholz im September 2022 klar. Das hat mit einer Besonderheit am Strommarkt zu tun, dem sogenannten Merit-Order-Prinzip, weil "der sehr teure Preis für Gas den Strompreis bestimmt".
Scholz sprach von "vielen, vielen, vielen Milliarden"
Der hohe Gaspreis sorgt dafür, dass die Kosten bei den Gaskraftwerken steigen und damit der Strompreis. Den höheren Preis erhalten aber auch alle anderen Stromerzeuger: Sie verdienen plötzlich deutlich mehr Geld.
Wie damit umzugehen ist, sorgt für viele Diskussionen in der Regierungskoalition. Grüne und SPD fordern eine Übergewinnsteuer auf kriegsbedingte Profite, auch in anderen Bereichen. Die FDP lehnt das ab. Der Kompromiss wird im September 2022 verkündet: Zumindest im Strommarkt sollen sogenannte Zufallsgewinne abgeschöpft werden. Die Regierung werde, sagt Scholz damals, "die vielen, vielen, vielen Milliarden, die wir dabei erlösen, einsetzen, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten mit einer Strompreisbremse".
Seit Ende Juni ist Schluss
Die Umsetzung ist kompliziert: Statt wie ursprünglich geplant bereits im September beginnt die Abschöpfung erst im Dezember 2022. Danach wird es ruhig um die Zufallsgewinne. Im März sagt Wirtschaftsminister Habeck dann: "Wegen der fallenden Strompreise, wir sind ja quasi auf Vorkriegsniveau angekommen, gibt es zunehmend weniger abzuschöpfen." Und der Grünen-Politiker kündigt an, "dass eine Verlängerung der Regel nicht notwendig ist und sie dann im Sommer auslaufen kann".
So kommt es auch: bereits seit Ende Juni ist wieder Schluss mit der Abschöpfung von Zufallsgewinnen am Strommarkt. Doch erst seit wenigen Tagen gibt es erste Zahlen: 417 Millionen Euro hat der Bund im Zeitraum Dezember 2022 bis Ende März 2023 abgeschöpft. "Ursprünglich, klar, hätten wir uns mehr Zahlen erhofft, aber diese Zahlen waren absehbar", erklärte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Montag. Es sei dennoch "eine stattliche Zahl, mit der man gut arbeiten kann, und wir sind froh, dass wir dieses Instrument geschaffen haben".
"Das ist natürlich ein Klacks"
Ganz anders bewertet das Linken-Chefin Janine Wissler; sie hält die Summe von 417 Millionen Euro für "wirklich einen ziemlichen Witz". "Man hätte deutlich mehr abschöpfen können und vor allem auch müssen", sagt Wissler. "Das wäre ein Gebot der Gerechtigkeit gewesen."
Im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio äußert sich auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, kritisch: "Das ist natürlich ein Klacks. 417 Millionen gegen neun Milliarden Euro alleine bei der Strompreisbremse." Rund neun Milliarden Euro hat die Strompreisbremse den Bund bisher gekostet. Das heißt: Nur ein kleiner Teil der Kosten wird durch die abgeschöpften Zufallsgewinne gedeckt.
Für die geringe Summe sieht Fratzscher zwei Gründe: Zum einen seien die Strompreise deutlich gefallen. Außerdem sei die Abschöpfung fehlerhaft gestaltet worden "oder bewusst so gewählt, dass man Unternehmen kaum belastet".
Sorgen um die Strommarkt-Investitionen
Dass die Preise gefallen seien, das sei doch gut, sagt Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD dem ARD-Hauptstadtstudio. "Man kann ja jetzt nicht traurig darüber sein, dass die Preise nicht so hoch geblieben sind." Niedrigere Strompreise bedeuten eben auch niedrige Abschöpfungen von Zufallsgewinnen. So argumentiert auch das Wirtschaftsministerium.
Zum Vorwurf, die Maßnahme sei nicht weitreichend genug gewesen, sagt die SPD-Politikerin, man habe im vergangenen Jahr nicht "ein zu scharfes Schwert nehmen" können, weil man "sonst auch vielleicht riskiert hätte, dass es Folgewirkungen gehabt hätte, die wir nicht wollten". Befürchtet wurden damals etwa Unternehmensinsolvenzen oder ausbleibende Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien.
Im November wird das Wirtschaftsministerium mitteilen, wie viele Zufallsgewinne noch im April, Mai und Juni abgeschöpft wurden. Mit hohen Einnahmen ist nicht zu rechnen.
Preisbremsen noch bis zum kommenden Jahr
Bleibt die Frage: Warum sollen die Strom- und Gaspreisbremsen bis Ostern 2024 verlängert werden, während die Abschöpfung von Zufallsgewinnen bereits Ende Juni 2023 beendet wurde? Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums erklärt dazu auf Anfrage, die Verlängerung der Preisbremsen solle "dem Risiko unerwarteter Preisanstiege während der Heizperiode im Winter Rechnung tragen". Sie wirkten wie eine "Versicherung gegen steigende Preise". Es liefen dazu Gespräche mit der EU-Kommission, zeitnah solle es auch einen Kabinettstermin zu dem Thema geben.
Bei der Abschöpfung von Zufallsgewinnen handele es sich hingegen "um einen Eingriff in die Investitionsentscheidungen der Unternehmen". Dieser sei zudem "mit einem erheblichen Umsetzungsaufwand verbunden". Wegen der sinkenden Strompreise und der damit entsprechend geringen Abschöpfungserlöse sei die Bundesregierung zu dem Schluss gekommen, dass eine Verlängerung "nicht gerechtfertigt ist".