Koffeinpulver

Pulver im Kraftsport Die Gefahr von reinem Koffein

Stand: 19.10.2024 09:54 Uhr

Reines Koffein ist ein Trend im Kraftsport - es soll den Stoffwechsel anregen. Zu hoch dosiert kann es zu extremen Herzrhythmusstörungen und sogar zum Tod führen. Doch die genaue Dosierung ist kaum möglich.

Von Sybille Seitz, RBB

Vor rund einem Jahr wird Jeremi in einem Studentenwohnheim in München tot aufgefunden. Eine Obduktion bringt zunächst keine Erkenntnisse über die Todesursache des 20-Jährigen. Erst nachdem seine Eltern eine Packung mit reinem Koffeinpulver in seinem Zimmer finden, wird eine toxikologische Untersuchung durchgeführt, die einen Verdacht bestätigt: Jeremi hat viel zu viel Koffein in seinem Körper.

Das Koffeinpulver wollte Jeremi für sein Fitness-Training einnehmen, erzählt sein Vater. Reines Koffein gilt als Nahrungsergänzungsmittel und soll den Stoffwechsel anregen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit warnt davor, mehr als zwei Einzeldosen mit je 200 Milligramm täglich zu sich zu nehmen.

Koffein in Pulverform ist nicht sicher dosierbar

Von manchen Anbietern gibt es diese Dosis von 200 Milligramm - also lediglich 0,2 Gramm - als fertige Kapsel. In loser Pulverform ist das genaue Dosieren ohne Messlöffel oder Feinwaage nahezu unmöglich, die Pulvermenge entspricht gerade mal einer Messerspitze.

Manche Anbieter verschicken diese hochgefährliche Ware dennoch gänzlich ohne Beipackzettel, Messlöffel, Dosier- oder Verzehrempfehlung. Auf der Verpackung, die Jeremis Eltern in seinem Zimmer finden, steht der Hinweis, dass die Dosis von 200 Milligramm mit Hilfe einer Küchenwaage abgemessen werden soll - kaum machbar. Und hier hat Jeremi mutmaßlich Milligramm mit Gramm verwechselt.

Durch einen RBB-Bericht wird auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf die Gefahr durch Koffeinpulver aufmerksam und warnt: Die Einnahme von etwa fünf bis zehn Gramm puren Koffeins, was etwa ein bis zwei Teelöffeln entspricht, sei lebensgefährlich.

Kaffee mit reinem Koffein nicht vergleichbar

Dennoch ist reines Koffeinpulver frei verkäuflich - ohne Altersbeschränkung. Denn Koffein gelte als Nahrungsergänzungsmittel, erklärt Anke Ehlers von der Abteilung Lebensmittelsicherheit des BfR. "Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Sie unterliegen nicht der Zulassungspflicht, sondern sie müssen lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angezeigt werden."

Die Behörde prüfe nicht die Wirksamkeit oder die Sicherheit dieser Nahrungsergänzungsmittel, aber diese müssen wie alle Lebensmittel sicher sein, sagt die Expertin. Dafür habe der Hersteller zu sorgen, was auch amtlich überwacht werde. "Aber das heißt nicht, dass jedes Produkt überwacht werden kann. Das ist zu viel", so Ehlers.

In akut hohen Dosen kann reines Koffein zu extremen Herzrhythmusstörungen und letztendlich zum Tod führen. Mit koffeinhaltigen Lebensmitteln, wie der täglichen Tasse Kaffee, hat hochkonzentriertes Koffein nichts zu tun. Um in einen lebensgefährlichen Bereich zu kommen, müsste man fünf bis zehn Liter Kaffee am Tag trinken, je nach Körpergewicht.

Experte: Keine Wirksamkeit von Koffein im Kraftsport

Jeremi war vermutlich einem Trend in den sozialen Netzwerken gefolgt, wo Koffeinpulver zur Leistungssteigerung im Kraftsport angepriesen wird. Doch laut Patrick Diel vom Zentrum für präventive Dopingforschung der Deutschen Sporthochschule Köln gibt es dafür keinen Nachweis: "Mir ist keine wissenschaftlich akzeptable, hochqualitative Studie bekannt, die diesen Effekt tatsächlich irgendwo gezeigt hätte." Trotzdem würden es viele Hersteller behaupten und auch in der Krafttrainings-Szene sei das Usus, so der Experte.

Zudem spielen bei Krafttraining viele andere Faktoren wie Alter, Schlaf und Ernährung eine Rolle. "Insofern halte ich das für ziemlich schwierig nachzuweisen, dass das Koffein, das man vorher nimmt, noch etwas Zusätzliches bewirkt", sagt der Professor. Kein Freizeitsportler benötige irgendeine Art von Nahrungsergänzungsmitteln, betont Diel.

Trotzdem springen junge Menschen auf diesen Trend auf. Deshalb wollen Jeremis Eltern davor warnen: Damit die Jugendlichen sich bewusst seien, was sie da machen, sagt sein Vater - und "andere Eltern diese Erfahrung nicht machen müssen".