Vorsicht beim Pilzesammeln "Nur die Pilze essen, die man sicher kennt"
Im Herbst tummeln sich viele in den Wäldern, um Pilze zu sammeln. Doch immer wieder gibt es Zwischenfälle, weil giftige und essbare Pilze verwechselt werden. Dagegen hilft nur Wissen, sagt Pilzexpertin Dana Lafuente.
tagesschau.de: In Essen schweben drei Kinder und ein Erwachsener in Lebensgefahr, weil sie die giftigen Knollenblätterpilze gegessen haben. Was raten Sie Anfängern, die Pilze suchen möchten, damit ihnen so etwas nicht passiert?
Dana Lafuente: Als Anfänger sollte man keine Pilze mit Lamellen sammeln, sondern nur Pilze mit Röhren. Da ist man zumindest insoweit auf der sicheren Seite, als dass keine tödlich giftigen Röhrlinge bekannt sind. Es gibt den Satansröhrling, der ist Magen-Darm-giftig, aber er ist nicht tödlich giftig - wie jetzt der Fall in Nordrhein-Westfalen mit einem grünen Knollenblätterpilz.
Knollenblätterpilze haben weiße Lamellen. Bei allen Pilzen mit weißen Lamellen ist höchste Vorsicht geboten. Die meisten verwechseln sie ja mit Champignons. Champignons haben, wenn sie ganz jung sind, auch weiße Lamellen. Aber später werden die rosa und am Ende schwarz. Das kennen wir aus dem Supermarkt. Wenn Champignons ganz schwarz und klebrig sind, sollte man diese nicht mehr essen, denn man kann sich auch mit Speisepilzen vergiften, die verdorben sind.
Unterscheiden zwischen Röhren und Lamellen
tagesschau.de: Wie genau sehen Pilze mit Röhren aus?
Lafuente: Man muss bei den Pilzen immer unter den Hut schauen und dann sieht man, was die Pilze für ein Fruchtlager haben. Dann unterscheiden wir unter anderem zwischen Röhren und Lamellen. Es gibt noch weitere Fruchtlager, aber das sind die häufigsten. Maronen haben Röhren, Ziegenlippen, Steinpilze - alle möglichen weiteren Pilze, die man so im Kiefernwald auch bei uns hier finden kann - in Brandenburg zum Beispiel. Und unter den Röhrlingen gibt es eben keine tödlich giftigen Pilze. Deshalb ist der Rat an Anfänger immer - damit so ein schwerer Fall wie jetzt in NRW wirklich vermieden werden kann: Nur Pilze mit Röhren sammeln.
Sammler sollten unter den Hut des Pilzes schauen: Röhren sind ein gutes Zeichen.
tagesschau.de: Gibt es da mehr Faktoren, bei denen man als Anfänger erkennen kann, welche Pilzarten giftig und welche essbar sein könnten?
Lafuente: Tatsächlich leider nicht. Auch die Legenden, dass, wenn man den Pilz ins Kochwasser mit einem Silberlöffel legt und sich das Wasser verfärbt, das ein Hinweis auf Giftigkeit sein könnte. Das ist alles Quatsch. Es gibt auch keine kontaktgiftigen Pilze. Bedeutet, wenn ich im Wald irgendeinen Pilz mit Lamellen angefasst habe und will danach einen Apfel essen und dann sagt Oma Erna: 'Das kannst du aber nicht machen, weil du möglicherweise einen tödlich giftigen Pilz angefasst hast.' Das ist auch Unfug. Man muss Pilzstücke oder Pilze schon schlucken, um sich daran zu vergiften.
"Es hilft nur Wissen"
Und das passiert auch immer wieder. Häufig ist es Selbstüberschätzung der Leute. Da hilft eigentlich wirklich nur der Erwerb von Wissen. Und dafür gibt es überall in den Bundesländern Vereine und auch Pilzschulen. Die Leute können, wenn sie sich nicht sicher sind, zur Pilzberatung gehen. Und niemals - das ist auch so eine Grundregel für Einsteiger - wenn da irgendwie der leiseste Zweifel besteht, dann sollen die Leute auf ihr Bauchgefühl hören und den Pilz nicht essen.
Grüne Knollenblätterpilze: Von allen Knollenblätterpilzen sollten Sammler besser die Finger lassen - sie können tödliche Pilzvergiftungen auslösen.
tagesschau.de: Maronen verfärben sich beim Pflücken blau. Ist das gefährlich?
Lafuente: Nein, das ist einfach eine Reaktion, die viele Röhrlinge haben. Es gibt viele Pilze mit Röhren, die blauen und andere Pilze, die blauen nicht oder nicht so stark. Wenn man den Flockenstieligen und den Netzstieligen Hexen-Röhrling anschneidet, blauen die wirklich sofort innerhalb von Sekunden. Eine tolle Farbreaktion, aber kein Hinweis auf Giftigkeit.
Röhrlinge bilden Lebensgemeinschaften mit Bäumen
tagesschau.de: Wo finde ich denn am besten Pilze?
Lafuente: Das kommt darauf an, was Sie suchen wollen. Wenn Sie zum Beispiel Austernseitlinge suchen möchten, das wäre jetzt ein Pilz mit Lamellen und einem seitlich angewachsenen Stiel. Dann müssen Sie wissen: Austernseitlinge sind Parasiten und zersetzen dann sehr gerne Laubholz, vor allem alte Rotbuchen. Dann müssen Sie in irgendeinen Wald gehen, wo alte Rotbuchen liegen bleiben dürfen, und da können Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Austernseitling finden.
Wenn Sie Röhrlinge finden wollen: Röhrlinge haben eine völlig andere Lebensweise. Sie bilden eine Lebensgemeinschaft mit Bäumen - eine Symbiose. Da müssen Sie wissen: Mit welchen Bäumen bilden die denn eine Symbiose? Oder Sie möchten gerne Birkenpilze sammeln. Dann gehen Sie dahin, wo ganz viele Birken sind. Wenn Sie Steinpilze oder Maronen finden wollen, dann müssen Sie wissen, dass die mehrere Partner haben. Die können Sie also sowohl im Kiefernwald als auch im Fichtenwald und im Mischwald finden.
tagesschau.de: Wenn ich jetzt einen Pilz entdeckt habe, den ich sicher essen kann: Wie löse ich den am besten ab?
Lafuente: Also wenn man die Pilze sicher kennt, kann man die einfach abschneiden und gleich vor Ort auch säubern. Es gibt Messer, die auch einen Pinsel dran haben, die empfehlen wir. Wenn man den Pilz aber nicht kennt und den bestimmen möchte, dann am besten eine Margarinenschachtel oder irgendwie ein extra Gefäß mitnehmen und den zu bestimmenden Pilz da reinlegen. Den Pilz dann nicht abschneiden, sondern herausdrehen, weil man mitunter möglicherweise ein wichtiges Bestimmungsmerkmal abschneidet. Bei dem Pantherpilz zum Beispiel, auch bekannt als Sachsenschreck. Die Stielbasis entlarvt diesen ziemlich eindeutig als Pantherpilz. Da hat es viele Vergiftungsfälle gegeben.
"Auf Apps sollte man sich nicht verlassen"
tagesschau.de: Es gibt auch Apps, die helfen sollen, die Pilze zu bestimmen. Gibt es da gute Apps oder sollte man lieber die Finger davon lassen?
Lafuente: Es gibt auf jeden Fall gute Apps und die können auch helfen für eine Orientierung. Die werden auch immer besser. Die machen ja auch nichts anderes als diese ganzen Bestimmungsmerkmale, die wir uns hart anlesen müssen.
Aber Apps zu nutzen, um sich dann darauf zu verlassen, davon würde ich abraten. Wie jetzt in dem Fall in NRW: Wenn die möglicherweise eine App benutzt und da die Stielbasis von dem grünen Knollenblätterpilz abgeschnitten haben und die App ist schlecht und sagt das ist ein Champignon, dann kann das tödlich ausgehen. Apps können nicht riechen und Apps können nicht sensorisch beurteilen, ob jetzt eine Huthaut klebrig ist oder ob eine Huthaut abziehbar ist. Also ich würde dazu raten, sich niemals allein auf eine App zu verlassen. Schon gar nicht als Anfänger.
Pilze nicht in Massen sammeln
tagesschau.de: Gibt es eigentlich eine Art Grenzwert, wie viele Pilze man sammeln darf?
Lafuente: Ja, tatsächlich. Es gibt eine Bundesartenschutzverordnung, in der gibt es zwei Kategorien: Die streng geschützten Pilze, die man gar nicht entnehmen darf, und die geschützten Pilze. Bei den geschützten Pilzen sind zum Beispiel Steinpilze und Pfifferlinge dabei, die ja die Leute gerne sammeln. Oder auch alle Raufußröhrlinge, alle Rotkappen, Birkenpilze, und die darf man nur für den Eigengebrauch sammeln. Der ist aber nicht weiter definiert. Deshalb sagen wir immer als Richtlinie: Nicht mehr als ein Kilogramm pro Person sammeln.
In Bayern und Baden Württemberg gab es Fälle, da haben die PKW angehalten, die den ganzen Kofferraum voll mit Steinpilzen hatten. Dafür haben die eine saftige Strafe kassiert. Das ist den meisten Menschen auch nicht bewusst.
Streng geschützte Arten sind zum Beispiel alle echten Trüffel. Dann gibt es den Bronzeröhrling oder auch Königsröhrling. Viele Pilze sind ja auch mit Schwermetallen belastet, mit Radioaktivität, zum Teil noch durch Tschernobyl. Deshalb gilt auch die Empfehlung von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie: Nicht mehr als 250 Gramm pro Person pro Woche zu essen.
Pilze sind wie Fleisch oder Fisch zu lagern
tagesschau.de: Wie und wie lange sollten die Pilze dann gelagert werden?
Lafuente: Grundsätzlich sollte man Pilze wie rohes Fleisch oder wie Fisch behandeln. Das bedeutet, man sollte sie nicht achtlos herumstehen lassen, wenn man jetzt welche gesammelt hat. Denn die fangen an, sich zu zersetzen. Also ab in die Kühlung, wenn man die erst später sauber machen will. Es ist auch teilweise abhängig von der Pilzart. Bei Steinpilzen kann man ruhig auch die ganzen Fruchtkörper mal drei Tage in den Kühlschrank legen und dann immer noch essen. Aber so ein Schopf-Tintling, der vergeht ganz schnell. Der vergeht teilweise von dem Weg aus dem Wald. Bis zu Hause fängt er schon an sich aufzulösen.
tagesschau.de: Kann ich bestimmte Pilzarten auch roh essen?
Lafuente: Wir - also ich zumindest mit meiner Pilzschule - raten grundsätzlich davon ab, Pilze roh zu essen. Es gibt Pilze, die man tatsächlich roh essen kann - wie Zuchtchampignons oder Steinpilz. Aber wir bitten die Leute, nicht ein Maronen-Carpaccio oder irgendwas zu machen, weil Maronen roh giftig sind. Viele unserer hochgeschätzten Speisepilze sind roh giftig, und das ist den meisten Leuten nicht klar. Wir hatten auch schon Vergiftungen mit Parasol und mit anderen Riesenschirmpilzen, weil die Leute die nicht ausreichend gebraten haben.
tagesschau.de: Darf man Pilze auch wieder aufwärmen?
Lafuente: Ja. Wenn von der Pilzpfanne etwas übrig geblieben ist, stellt man es ganz normal in den Kühlschrank und wärmt es am nächsten Tag wieder auf. Dann kann man das auch noch essen.
Pilze ganz einfach selbst züchten
tagesschau.de: Kann man Pilze eigentlich auch selbst züchten?
Lafuente: Ja, sehr gut sogar.
tagesschau.de: Und wie kann man da starten? Kann man sich solche Pakete online bestellen?
Lafuente: Ja, da gibt es verschiedene Anbieter. Da kann man sich Fertigkulturen für zu Hause bestellen. Das sind auch wunderbare Geschenke für Kinder. Da kann man sich einen schönen Block mit Champignons oder Austernseitlingen bestellen und kann dann zugucken, wie sie wachsen.
Das Gespräch führte Melina Runde, tagesschau.de