Klimaschutz Wurzelpilze als Kohlenstoffspeicher
Wurzelpilze binden viel Kohlenstoffdioxid: bis zu einem Drittel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen aus fossilen Brennstoffen. Der Einfluss der Pilze auf das Klimasystem wurde bisher offenbar unterschätzt.
Seit mindestens 450 Millionen Jahren unterstützen Mykorrhizapilze bereits das Leben an Land. Die Pilze verbinden sich mit Pflanzenwurzeln und gehen mit ihnen eine Symbiose ein.
Von dieser gegenseitigen Abhängigkeit können beide Seiten profitieren: Die Mykorrhizapilze versorgen die Pflanzen mit mineralischen Nährstoffen - im Gegenzug erhalten sie Kohlenstoffverbindungen, die sie nicht selbst herstellen können. Forschende der Universität Kapstadt beziffern nun in einer Studie, wie viel der weltweiten CO2-Emissionen mutmaßlich im Pilznetzwerk verwertet werden.
Kleine Pilze, große Wirkung
Schätzungen zufolge können Wurzelpilze pro Jahr temporär mehr als 13 Milliarden Tonnen CO2 aufnehmen. Das entspricht mehr als einem Drittel der jährlichen Treibhausgas-Emissionen aus fossilen Brennstoffen weltweit (Stand: 2021). Die Analyse des Forscherteams umfasste 194 biologische Datensätze aus 65 Forschungsarbeiten.
Im Klimaschutz sei bisher viel Wert auf den Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern gelegt worden, sagt Heidi Hawkins, die Autorin der Studie. Pflanzen absorbieren durch Photosynthese riesige Mengen an CO2. Jedoch wurde lange Zeit weitgehend vernachlässigt, was anschließend mit den Kohlenstoffverbindungen geschieht, erklärt sie weiter. Ihre Co-Autorin Katie Field ergänzt, dass Mykorrhizapilze bisher einen blinden Fleck im Modell zur Erklärung des Kohlenstoffkreislaufes darstellten.
Wie Pilze und Pflanzen voneinander profitieren
Die Pflanzen nehmen den Kohlenstoff in Form von CO2 aus der Luft auf, bauen ihn in organische Moleküle ein und reichen diese an die Mykorrhizapilze weiter. Die gelieferten Kohlenstoffverbindungen, wie Zucker und Stärke, fördern das Wachstum der Pilze. Sie bilden damit ihr sogenanntes Myzel: Ein umfangreiches, unterirdisches Fasergeflecht. Durch dieses Netzwerk können sie sich im Boden ausbreiten und großflächig Nährstoffe aufnehmen.
Das Fasergeflecht ist vergleichbar mit dem Wurzelsystem von Pflanzen und Bäumen. Seit Millionen von Jahren ist es daran angepasst, zwischen pflanzlichen Zellen - etwa in abgestorbenem Holz - zu wachsen und diese als Nährstoffgrundlage zu nutzen. Davon profitieren auch die symbiotischen Pflanzen, denn die Pilze geben einen Teil der mineralischen Nährstoffe an sie weiter, darunter vor allem Phosphat und Stickstoff. Die Pflanze selbst kommt ohne die Hilfe der Mykorrhizapilze nur schwer an diese Nährstoffe.
Mykorrhiza bedeutet übersetzt nichts anderes als "Pilzwurzel". In Mitteleuropa gibt es mehr als tausend Mykorrhiza-Pilzarten. Darunter der bekannte Fliegenpilz, Pfifferlinge, Steinpilze und auch Trüffel. Schätzungsweise 70 bis 90 Prozent der Landpflanzen gehen solche Pilz-Symbiosen ein. Dies könnte auch Chancen für die hiesige Landwirtschaft bergen.
Chance für die Landwirtschaft
Pflanzenwissenschaftler Arthur Schüßler hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Hilfe von arbuskulären, also bäumchenartig verzweigten, Mykorrhiza-Pilzen den Boden wiederzubeleben. Diese Pilze sind keine neue Züchtung, sondern lebten bereits vor etwa 460 Millionen Jahren mit den ersten Landpflanzen in einer Gemeinschaft.
"In einem Gramm gesunden Boden hätte man normalerweise etwa 100 Meter bis mehrere Kilometer Pilzhyphen, also feine Pilzfäden, die die Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen", sagt Schüßler im SWR. Durch den Einsatz von großen Maschinen und viel Chemie wird das Bodenleben jedoch zunehmend zerstört.
Die Mykorrhizapilze könnten dabei helfen, Pflanzen besser mit Nährstoffen zu versorgen und den Einsatz von Düngemitteln zu reduzieren. Zudem würden die Pilze die Bodenstruktur verbessern, da sie auf der Suche nach Nährstoffen den Boden durchwuchern und zur Humusbildung beitragen.
Mehr Forschung notwendig
Die Studie ist Teil weltweiter Bemühungen, die Rolle der Pilze im Ökosystem unseres Planeten besser zu verstehen. Unklar ist bisher noch, wie lange der Kohlenstoff durch die Mykorrhizapilze gebunden wird. Zudem weisen die Forschenden darauf hin, dass die Studienergebnisse auf Schätzungen beruhen und mit Vorsicht zu genießen sind.
Toby Kiers ist Professorin für Evolutionsbiologie in Amsterdam und Mitautorin der Studie. Ihr zufolge liegen Mykorrhizapilze an der Basis unserer Nahrungsnetze und die Forschung beginne gerade erst zu verstehen, wie sie tatsächlich funktionierten.