Start um Monate verschoben Die "Starliner"-Pannenliste ist länger geworden
Boeing entwickelt nicht nur Flugzeuge, sondern auch Raumschiffe. Der "Starliner" beeindruckt aber vor allem durch Pannen. So wurde der Starttermin für den ersten bemannten Flug erneut verschoben.
Die Pannenliste des "Starliner" ist lang. Bereits im Dezember 2019 sollte er erstmals testweise noch ohne Besatzung zur internationalen Raumstation (ISS) fliegen. Doch das Raumschiff kam während dieses Flugs nie an der ISS an. Wegen eines Softwareproblems verbrauchte der "Starliner" zu früh zu viel Treibstoff, konnte die Flughöhe der ISS nicht erreichen und musste seinen Flug nach zwei Tagen abbrechen.
Die Wiederholung des Flugs im August 2021 endete dann sogar noch, bevor sie begann. Die feuchte Witterung Floridas hatte Ventile in den Treibstoffleitungen zum Korrodieren gebracht, sodass mehrere dieser Ventile vor dem Start klemmten. Der "Starliner" rollte vom Startplatz zurück in die Werkstatt.
Erst im dritten Anlauf erreicht der "Starliner" mit zweieinhalb Jahren Verspätung die ISS. Bei all diesen Flügen war allerdings keine Besatzung an Bord. Für diesen Sommer war nun eigentlich der erste Flug mit Menschen an Bord vorgesehen - doch die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA und das Unternehmen Boeing teilten nun bei einer Pressekonferenz mit, der Start werde auf das Frühjahr 2024 verschoben.
Fallschirme und Klebebänder fehlerhaft
Was nicht funktioniert und den einen noch fehlenden, entscheidenden Qualifikationsflug des "Starliner" zur Internationalen Raumstation verhindert, sind zum einen Befestigungen für die Fallschirme, zum anderen Klebebänder. Das Glasfasertape, mit dem elektrische Leitungen im "Starliner" zu Bündeln zusammengeklebt wurden, hat sich unter sehr speziellen Umständen als brennbar erwiesen - in den Datenbanken der Raumfahrtingenieure war das nicht eindeutig vermerkt. Das Tape wurde guten Gewissens verbaut. Jetzt muss es wieder raus.
Bei den Fallschirmen stellte sich heraus, dass Verbindungen zwischen den Fallschirmleinen und der Rückkehrkapsel überlastet werden könnten.
Das Design und das Material der Verbindung an den Fallschirmen wurden bereits verändert. Ob die Probleme damit gelöst sind, wird sich bei einer Testlandung nach Abwurf aus großer Höhe herausstellen, der kann aber erst im November stattfinden. Das unvermutet brennbare Tape ist in der oberen Hälfte der Raumkapsel schon weitgehend entfernt oder durch nicht brennbares Material abgedeckt. Für den Austausch in der unteren Hälfte des "Starliner" braucht es noch ein paar Wochen.
"Starliner" bislang Verlustgeschäft für Boeing
Gelingt der nächste Flug, der erste mit Besatzung, dann besäße Boeing neben SpaceX als zweites Unternehmen die Lizenz für den Transport von Raumfahrtpersonal zur ISS. Mit geschätzt 50 bis 60 Millionen Dollar pro Passagier ein einträgliches Geschäft.
Doch ob Boeing mit diesen beeindruckenden Ticketpreisen jemals Gewinn mit dem "Starliner" einfahren wird, ist offen. Die NASA vereinbare für die Entwicklung des "Starliner" mit Boeing einen Festpreis von fünf Milliarden Dollar - durch die vielen Pannen und Verzögerungen sind bei Boeing aber mehr als sechs Milliarden Dollar Kosten aufgelaufen.
NASA an Projekt fest
Trotzdem wird das Projekt nicht abgebrochen - nicht nur, weil der nächste, entscheidende Flug der Sache zum Erfolg verhelfen und alle Pannen vergessen machen könnte. Sondern auch, weil die NASA ihr kommerzielles Raumschiffprogramm vor mehr als zehn Jahren gestartet hat, um eines Tages nicht mehr nur auf einen Raumschifftypen von einem Hersteller angewiesen zu sein.
Obwohl SpaceX bislang zuverlässig im halbjährlichen Takt neue Besatzungen zur ISS bringt, wäre aus Sicht der NASA eine Aufteilung dieses Geschäfts auf zwei Unternehmen sinnvoll. Zu frisch sind noch die Erinnerungen an jene Jahre, in denen die USA, wegen der nicht nutzbaren Space Shuttles, gar keine eigenen Raumschiffe für den Transport von Männern und Frauen zur ISS hatten und sich entsprechende Fluggelegenheiten bei der russischen Raumfahrtbehörde einkaufen mussten.