Asylbewerber gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt.
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"Sicherheitspaket" und EU-Reform Was die Regierung in der Asylpolitik plant

Stand: 13.10.2024 19:15 Uhr

Nach dem Messeranschlag von Solingen kündigte die Bundesregierung schärfere Asyl- und Sicherheitsgesetze an. Was steckt im "Sicherheitspaket"? Und was ist EU-weit geplant? Ein Überblick.

Nach wochenlangen Beratungen liegen Einzelheiten zu den von der Bundesregierung geplanten Änderungen in der Asylpolitik vor. Vorausgegangen waren hitzige Debatten über schärfere Regeln für Asylsuchende und zusätzliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden - ausgelöst durch das Attentat von Solingen, bei dem ein Mann aus Syrien im August drei Menschen tötete.

Um welche Gesetzesvorhaben geht es?

Als Reaktion auf den Solinger Anschlag kündigte die Regierung ein "Sicherheitspaket" an, über das der Bundestag im September beriet. Nach einer Expertenanhörung gab es jedoch Kritik aus den Reihen der Ampelfraktionen. Die Parteien stellten diese Woche nach mehrwöchigen Verhandlungen eine Einigung mit Änderungen am "Sicherheitspaket" vor. Bis Ende der kommenden Woche soll es im Bundestag verabschiedet werden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser drängt außerdem darauf, EU-Asylreformen schneller als ursprünglich geplant umzusetzen. Einen Gesetzesentwurf hierzu legte das SPD-Innenministerium diese Woche vor. Eigentlich haben Länder bis Juni 2026 Zeit für die Änderungen, aber Faeser zufolge wollen eine Reihe großer EU-Staaten sie so bald wie möglich umsetzen.

Was sieht das "Sicherheitspaket" vor?

Bei dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Paket geht es um eine Reihe von Maßnahmen in der Asyl- und Sicherheitspolitik: eine Verschärfung des Waffenrechts, besonders für Messer, zusätzliche Befugnisse für Sicherheitsbehörden, strengere Regeln beim Aufenthaltsrecht und Leistungseinschränkungen für ausreisepflichtige Migranten.

Messerverbote sollen deutlich ausgeweitet werden. Dazu gehört ein generelles Verbot für Springmesser mit Ausnahme bestimmter Berufsgruppen. Ein absolutes Messerverbot soll künftig auf großen Veranstaltungen wie Volksfesten, Sportereignissen, Messen oder Märkten herrschen. Auch an Bahnhöfen und im öffentlichen Nahverkehr solle es Verbote geben.

Was ist in der Asylpolitik geplant?

Eine der am meisten diskutierten Änderungen des "Sicherheitspakets" betrifft ausreisepflichtige Geflüchtete, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden bevor sie nach Deutschland kamen. Ihnen sollen in Zukunft die Sozialleistungen gestrichen werden. Nach der sogenannten Dublin-Regelung ist das erste EU-Land, in dem Geflüchtete Schutz suchen für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig. Der mutmaßliche Attentäter von Solingen hätte beispielsweise eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden sollen.

Bei den Nachbesserungen der Ampelparteien wurden die Regeln hierzu jedoch etwas gelockert: die Streichung der staatlichen Leistungen werde nur jene Ausreisepflichtige betreffen, bei denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Ausreise für "rechtlich und tatsächlich möglich" hält. Außerdem soll das neue Paket eine Härtefallregelung beinhalten, die unter anderem Kinder betrifft.

Die Bundesregierung will zudem daran arbeiten, Abschiebungen von Straftätern und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien zu ermöglichen. Bei schweren Straftaten will die Regierung die Schwelle für "schwerwiegendes Ausweisungsinteresse" senken, was Abschiebungen erleichtert.

Wenn Asylberechtigte in ihr Heimatland ausreisen, soll ihnen der Schutzstatus aberkannt werden. Es gibt jedoch Ausnahmen aus dieser Regelung. Eine Ausnahme für eine Reise in ein Heimatland sei die Beerdigung eines Elternteils - das lasse man aus humanitären Gründen zu, sagte Bundesinnenministerin Faeser in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin.

Was dürfen Ermittlungsbehörden künftig?

Dass Sicherheitsbehörden mehr Ermittlungsmöglichkeiten bekommen, steht weiterhin im Paket: Ein biometrischer Abgleich zur Gesichtserkennung wird erlaubt, um Tatverdächtige leichter zu identifizieren. Die Befugnisse werden nun aber beschränkt auf die Verfolgung oder Verhinderung schwerster Straftaten, beispielsweise Mord, Totschlag oder Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Die genauen Formulierungen für die einzelnen Änderungen des "Sicherheitspakets" liegen noch nicht vor.

Welche Kritik gibt es?

Nach der Einigung der Ampelparteien sagte der Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei: "Vor lauter Ausnahmen kann man jetzt die ursprünglich vorgesehene Rechtsverschärfung gar nicht mehr sehen. Es sei nach den jüngsten Anschlägen "nicht mehr zu erklären, dass es nun doch bei vielen Straftaten keinen Abgleich der biometrischen Daten geben darf", sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel.

Richterbund-Geschäftsführer Sven Rebehn sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Die Ampelparteien wollen das zu klein geratene Sicherheitspaket der Bundesregierung noch weiter zu einem Mini-Päckchen schrumpfen." Mit den nun verabredeten Messerverboten und neuen Befugnissen der Polizei werde "nicht viel gewonnen".

Bundesinnenministerin Faeser hingegen sagte, das Paket stärke die Sicherheit in Deutschland. "Es ist nach dem mörderischen Anschlag von Solingen die richtige Antwort auf die erheblichen aktuellen Bedrohungen, insbesondere durch islamistischen Terrorismus", so die SPD-Politikerin.

Was sieht die EU-Asylreform vor?

Faeser legte zudem Gesetzentwürfe zur Umsetzung der europäischen Asylreform vor, die unter anderem schnellere Abschiebungen für abgelehnte Asylbewerber bei Sicherheitsrisiken vorsehen. So sollen jene, bei denen Sicherheits- oder Ordnungsrisiken bestehen, keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt bekommen, sondern sofort abgeschoben werden.

Außerdem sieht die EU-Reform schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen und einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten. Abgelehnte Asylbewerber sollen unter bestimmten Bedingungen auch in Drittländer, also Nicht-EU-Staaten, abgeschoben werden.

Faeser betonte, dass sie das neue gemeinsame europäische Asylsystem schnell umsetzen wolle. "Die europäischen Gesetze sind bereits beschlossen, das deutsche Recht passen wir jetzt an", sagte Faeser. Es sei ein wichtiges Signal in Europa, dass Deutschland das neue Recht schnell und umfassend umsetze.

Was passiert in der EU?

Die europäische Asylreform war nach jahrelangem Streit im Mai beschlossen worden. Sie regelt unter anderem die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten mit einem sogenannten Solidaritätsmechanismus neu. Die rechtsnationalen Regierungen in den Niederlanden und Ungarn kündigten daraufhin an, aus den Asylregeln aussteigen zu wollen. Das gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich, da alle EU-Staaten zustimmen müssten.

Polens Regierungschef Donald Tusk will das Asylrecht für irregulär eingereiste Migranten teilweise aussetzen. Damit solle illegale Migration begrenzt werden, sagte Tusk ohne im Detail auf die Pläne einzugehen.

Bereits Mitte September weitete Deutschland temporäre Kontrollen gegen unerlaubte Einreisen auf alle Landesgrenzen aus. Stationäre Grenzkontrollen finden in dieser Form im Schengenraum eigentlich nicht statt. Mehrere Nachbarländer kritisierten die Entscheidung der Bundesregierung.

(Quelle: dpa, AFP)

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 13. Oktober 2024 um 18:16 Uhr.