UN-Sicherheitsrat zu Nahost "Gefahr einer Ausweitung sehr, sehr real"
Diplomatische Bemühungen intensivieren, eine politische Lösung anstreben - so der dringende Appell des UN-Vermittlers für den Nahen Osten im Sicherheitsrat. Auf eine Resolution konnte sich das Gremium erneut nicht einigen.
Nachdrücklicher konnte die Warnung des UN-Vermittlers für den Nahen Osten, Tor Wennesland, kaum klingen. "Die Gefahr einer Ausweitung dieses Konflikts ist real - sehr, sehr real - und äußerst gefährlich." Das könne er aufgrund seiner Treffen sagen - und der Dynamik, die er vor Ort beobachte, sagte der zugeschaltete Wennesland vor dem Sicherheitsrat.
Er befürworte den Ruf des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi für einen internationalen Gipfel, um die Feindseligkeiten in der Region zu entschärfen. Wennesland lobte die diplomatischen Bemühungen vor Ort - namentlich auch von Bundeskanzler Olaf Scholz. Am sogenannten "Tag danach" müsse die Vermittlungsarbeit unverzüglich vorangetrieben werden.
Wennesland formulierte zuvor noch einmal diese Forderungen: Die Hamas müsse unverzüglich alle Geiseln freilassen. Israel müsse unverzüglich humanitäre Hilfe für die Zivilisten im Gazastreifen durchlassen. Doch ganz dringend müssten die vereinten Bemühungen verstärkt werden, damit sich der Konflikt nicht in der Region ausweite, warnte der Nahost-Vermittler.
Warnung vor Provokationen
"Mit Blick auf das Westjordanland und Libanon darf es keine Fehlkalkulation geben", so Wennesland - "keine Provokation und keinen Schritt, der die Tür für unsere gegenwärtigen Bemühungen verschließt." Der einzige Weg, um aus dieser Gewaltspirale zu kommen, sei eine langfristige politische Lösung auf der Grundlage von internationalem Recht, bestehenden Vereinbarungen und UN-Resolutionen.
Kurz zuvor hatte der Sicherheitsrat auch am Tag elf nach dem Gewaltausbruch erneut eine Resolution abgeschmettert. Der Entwurf scheiterte erwartungsgemäß am Veto der USA. Der von Brasilien eingebrachte Text enthielt die Aufforderung, dass Israel seinen Befehl zur Evakuierung des nördlichen Gazastreifens zurücknehmen soll.
Washingtons UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield betonte: In dem Text werde das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht erwähnt. "Wir leisten vor Ort harte diplomatische Arbeit", sagte sie. "Und obwohl wir den Wunsch Brasiliens verstehen, diesen Text voranzubringen, denken wir, dass wir diese Diplomatie gerade nicht gefährden dürfen." Kurz darauf dann die Nachricht aus der Region: Angesichts der katastrophalen humanitären Lage im abgeriegelten Gazastreifen machte Israel den Weg für Hilfslieferungen aus Ägypten frei. Und reagierte auf einen Aufruf von US-Präsident Joe Biden.
"Prinzipien internationalen Rechts verhöhnt"
Nach Einschätzungen der Vereinten Nationen sind bislang rund eine Million der rund zweieinhalb Millionen Einwohner des Gazastreifens in den Süden des Palästinensergebiets geflohen. Die Besorgnis über die verzweifelte Lage der Menschen dort erhöhte sich im Sicherheitsrat nach dem Raketeneinschlag bei einer Klinik im Gazastreifen mit Hunderten Toten und Verletzten.
Die UN-Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate, Lana Nusseibeh mahnte: "Jede weitere Stunde in diesem ruinösen Krieg verhöhnt die Prinzipien internationalen humanitären Rechts." Ihr Land fordere eine vollständige und unabhängige Untersuchung des Bombardements, so Nusseibeh - und dass die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Offenbar beantragte Russland beim Präsidenten der UN-Generalversammlung die Einberufung einer Dringlichkeitssitzung. Mehrfach hatte der Sicherheitsrat russische Vorschläge einer humanitären Resolution abgelehnt. Diplomaten erwarten, dass die Sitzung in der Generalversammlung in den nächsten Tagen einberufen wird. Dort gibt es keine Vetos. Jedoch sind Beschlüsse auch nicht bindend.