Vor Treffen des Bündnisses Was Biden beim NATO-Gipfel erreichen will
Mit der Zusage für die Lieferung von Streumunition an die Ukraine hat Biden kurz vor dem NATO-Gipfel für Diskussionen gesorgt. Was will der US-Präsident beim Treffen mit den Partnerstaaten erreichen?
Es gibt eine Formulierung, die Joe Biden zu einer Art Mantra seiner Ukraine-Politik gemacht hat: "Wir unterstützen die Ukraine - so lange wie nötig", hatte Biden schon beim NATO-Gipfel in Madrid vor einem Jahr gesagt. "Wir haben die notwendigen Mittel, die Ukraine zu unterstützen - so lange wie nötig", sagte Biden jetzt im Vorfeld des NATO-Gipfels von Vilnius.
Diese langfristige Unterstützung der Ukraine zu sichern - mit allem, was das Land braucht - das sei Bidens Hauptziel, sagt der Politikwissenschaftler John Deni, der unter anderem an der American University in Washington lehrt: "Hier müssen die Verbündeten den größten Einsatz zeigen beim Gipfel in Vilnius", sagt Deni. "Sie müssen aus Sicht der USA die Unterstützung, die sie bisher leisten, noch einmal deutlich verstärken im Verlauf dieses Jahres: Munition liefern, gepanzerte Fahrzeuge, Luftabwehrsysteme - Material, das die Ukraine jetzt jeden Tag verbraucht, wenn sich die Gegenoffensive weiter entwickelt."
Weil Russland vor allem quantitativ überlegen bleibe und zudem äußerst brutal vorgehe, müsse der Westen die Lieferung aller Waffen, die die Ukraine fordere, in Erwägung ziehen, meint Deni. Dazu gehöre auch die umstrittene Streumunition: "Das beinhaltet Streumunition und vielleicht sogar Minen, Panzerabwehr-Minen zum Beispiel", so der Politikwissenschaftler.
USA dämpfen NATO-Beitrittshoffnung der Ukraine
Mit Blick auf den Wunsch der Ukraine, möglichst bald NATO-Mitglied zu werden, bremsen die USA. Die Ukraine sei noch nicht so weit, betonte Biden vor seiner Abreise. "Ich glaube nicht, dass es unter den NATO-Staaten Einstimmigkeit gibt, ob die Ukraine jetzt, mitten im Krieg, in die NATO-Familie aufgenommen werden soll", sagte der US-Präsident dem Fernsehsender CNN. Würde die Ukraine jetzt aufgenommen, würde dies nach Bidens Worten aufgrund der Verpflichtung der NATO zur kollektiven Verteidigung einen Krieg aller NATO-Länder mit Russland bedeuten.
Die USA seien aber bereit, der Ukraine bis zu einem späteren Beitritt Sicherheitsgarantien zu geben, nach dem Modell der Garantien für Israel, so Biden. In Vilnius soll zudem als Zwischenschritt ein NATO-Ukraine-Rat begründet werden, der die Ukraine künftig regelmäßig zu NATO-Beratungen hinzuzieht.
Lastenteilung innerhalb der NATO bleibt wichtig
Deutschland wird beim Gipfel auch bei einem altbekannten Thema gefordert sein: der Zusage aller NATO-Staaten aus dem Jahr 2014, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Deutschland hat dieses Ziel nach wie vor nicht erreicht. "Das Zwei-Prozent-Ziel, oder umfassender ausgedrückt, die Lastenteilung im Bündnis, bleibt ein wichtiges Thema aus US-Sicht", so der Politikwissenschaftler Deni.
In Vilnius werde voraussichtlich festgelgt, die zwei Prozent in Zukunft nicht mehr als Zielmarke, sondern als Basis, als Minimum zu betrachten, "hin zu Größenordnungen von 2,2 oder 2,4 oder 2,5 Prozent". Der Punkt aus US-Sicht lautet dabei Deni zufolge: "Alle europäischen NATO-Partner müssen mehr für Verteidigung ausgeben."
Vermittlungsversuch zwischen Türkei und Schweden
Und dann ist da noch das Problem Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan soll noch vor dem offiziellen Gipfel-Beginn in Vilnius überredet werden, den Weg zum NATO-Beitritt Schwedens frei zu machen. Deni meint, Erdogan bleibe in diesem Punkt unberechenbar: "Ich denke, es gibt eine Chance, dass er auftaucht und im Nachklang zu seiner erfolgreichen Wiederwahl zu Hause, sagen wir 'großzügig' erscheinen will. Dass Erdogan Schweden zugesteht, doch noch auf dem richtigen Weg zu sein, und sich bereit zeigt, zu Hause in der Türkei Schritte einzuleiten, die den schwedischen Beitritt ermöglichen."
In Vilnius wird es auch ein direktes Treffen zwischen Erdogan und Biden geben. Das vereinbarten beide bei einem Telefonat am Sonntag.