UN-Arbeitsverbot der Taliban für Frauen "Ein weiterer schlimmer Tabubruch"
Das Taliban-Regime in Afghanistan drängt Frauen immer weiter aus dem öffentlichen Leben. Nun dürfen Afghaninnen auch nicht mehr für die UN arbeiten. Entwicklungsministerin Schulze spricht von einem "massiven" Schaden für das Land.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat die militant-islamistischen Taliban dazu aufgerufen, ein Arbeitsverbot für afghanische Frauen bei den Vereinten Nationen zurückzunehmen. "Nie zuvor hat ein Land versucht, Frauen aus den Organisationen der Vereinten Nationen zu verbannen", sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das ist ein weiterer schlimmer Tabubruch." Ein solches Verbot schade nicht nur den Frauen, sondern der Entwicklung des ganzen Landes massiv.
Die Vereinten Nationen hatten am Mittwoch bekanntgegeben, dass afghanische Frauen auf Anweisung der regierenden Taliban nicht mehr für sie tätig sein dürfen. Ein Arbeitsverbot der Islamisten für afghanische Frauen in Nichtregierungsorganisationen gilt bereits seit Dezember - mit Ausnahme der Bereiche Gesundheit, Bildung und Ernährung. Das Verbot hat international heftige Reaktionen hervorgerufen.
Schulze sprach sich dafür aus, zu prüfen, wie das neue Verbot in der Praxis aussehe, um afghanische Frauen und Mädchen nach Möglichkeit weiter zu unterstützen. Frauen seien bei Entwicklungsprojekten in Afghanistan häufig nur durch weibliche Angestellte zu erreichen.
Internationale Kritik am Arbeitsverbot
Das Verbot werde auf "das Schärfste" verurteilt, hieß es auch aus dem Auswärtigen Amt. Deutschland stimme das weitere Vorgehen mit seinen Partnern ab, um so viele Spielräume wie möglich für die Versorgung der Menschen zu erhalten. Klar sei, dass man sich nicht zu "Handlangern der Taliban" mache.
Kritik an der Ausweitung des Verbots kam zudem aus der Europäischen Union. Kommissionssprecher Peter Stano sprach auf Twitter von einer "entsetzlichen Entscheidung".
Hilfsorganisationen warnen vor Verschlechterung der Lage
Seit ihrer vollständigen Machtübernahme in Afghanistan im August 2021 stehen die Taliban international vor allem wegen der massiven Beschneidung von Frauenrechten in Kritik. So sind etwa mittlerweile höhere Mädchenschulen und Universitäten für Frauen geschlossen, zu vielen Berufen haben Frauen keinen Zugang mehr.
Die Hilfsorganisation Care warnte vor einer Verschärfung der humanitären Krise in dem Land. "Ärzte ohne Grenzen" nannte die neue Regelung einen weiteren Schritt "in dem systematischen Versuch, Frauen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens auszuschließen".
Auch das französische Außenministerium verurteilte den Ausschluss von Frauen von der Arbeit bei den UN: "Mit diesem neuen Verbot verschlimmern die Taliban das Los der afghanischen Bevölkerung, die bereits mit einer beispiellosen humanitären und wirtschaftlichen Krise konfrontiert ist."
Beispiellos in der Geschichte der Vereinten Nationen
Viele Hilfsorganisationen haben seit dem Arbeitsverbot für afghanische Frauen im Dezember ihre Arbeit eingestellt oder können nur eingeschränkt weiterarbeiten. Nach Angaben der UN-Sondergesandten für Afghanistan, Roza Otunbayeva, gab es in der Geschichte der Vereinten Nationen noch kein vergleichbares Arbeitsverbot für Frauen.
Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Mitarbeiter wurden laut der UN-Mission in Afghanistan (Unama) angewiesen, vorerst nicht zur Arbeit zu erscheinen. Hilfsorganisationen zeigten sich besorgt über die Folgen für die humanitäre Versorgung.
Die Situation sei bereits jetzt dramatisch, sagte die Sprecherin der Welthungerhilfe, Simone Pott, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ohne die weiblichen Angestellten könnten die Frauen und Mädchen im Land nicht mehr adäquat versorgt werden.
Ein Talibankämpfer steht zwischen Afghanen, die auf ihre Essensration warten. Die meisten Menschen im Land sind auf Unterstützung angewiesen.
Millionen Afghanen vom Hunger bedroht
In Afghanistan herrscht laut den UN eine beispiellose humanitäre Krise. Mehr als 28 Millionen der etwa 43 Millionen Einwohner sind demnach auf Unterstützung angewiesen. Sechs Millionen Menschen stünden an der Schwelle zu einer Hungersnot. UN-Organisationen wie das Welternährungsprogramm spielen bei der Versorgung der Menschen eine wichtige Rolle.
Das Auswärtige Amt hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben humanitäre Hilfsleistungen in Höhe von etwa 330 Millionen Euro für Afghanistan bereitgestellt. Die Unterstützung wurde ausschließlich über Hilfsorganisationen geleistet.