Annalena Baerbock wird nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Damaskus begrüßt

Baerbock in Damaskus Ein Angebot und viele Forderungen an Syrien

Stand: 03.01.2025 08:21 Uhr

Einen Monat nach dem Sturz des syrischen Machthabers besuchen Außenministerin Baerbock und ihr französischer Amtskollege Damaskus. Beide wollen die Beziehungen zwischen Syrien und der EU erneuern - stellen aber Bedingungen.

Außenministerin Annalena Baerbock ist zu einem überraschenden Besuch in Syrien eingetroffen. Gemeinsam mit ihrem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot und im Namen der EU will sie Gespräche mit Vertretern der von Rebellen gebildeten Übergangsregierung führen. Die beiden Politiker wollen unter anderem den Anführer der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Schams (HTS), Ahmed al-Scharaa, treffen.

Die HTS hatte am 8. Dezember die Herrschaft des langjährigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad beendet. Baerbock und Barrot sind die ersten Außenminister aus einem EU-Staat, die Syrien seit Assads Sturz besuchen. 

Vor ihrer Abreise hatte Baerbock den neuen De-facto-Herrschern in Syrien Bedingungen für eine Neuaufnahme der Beziehungen zu Deutschland und der Europäischen Union gestellt. "Ein politischer Neuanfang zwischen Europa und Syrien, zwischen Deutschland und Syrien ist möglich", erklärte die Grünen-Politikerin. Sie komme mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot und im Namen der EU "mit dieser ausgestreckten Hand, aber auch mit klaren Erwartungen an die neuen Machthaber" in die syrische Hauptstadt. 

Baerbock fordert Schutz von Frauen und Minderheiten

"Den Neuanfang kann es nur geben, wenn die neue syrische Gesellschaft allen Syrerinnen und Syrern, Frauen wie Männern, gleich welcher ethnischen oder religiösen Gruppe, einen Platz im politischen Prozess einräumt, Rechte gewährt und Schutz bietet", so Baerbock. Diese Rechte müssten gewahrt werden und dürften "nicht möglicherweise durch zu lange Fristen bis zu Wahlen oder auch Schritte zur Islamisierung des Justiz- oder Bildungssystems unterlaufen werden".

Baerbock sagte, man wolle Syrien bei einem friedlichen Machtübergang, der Versöhnung der Gesellschaft und beim Wiederaufbau unterstützen - zusätzlich zur humanitären Hilfe, die für die Menschen in Syrien auch in den vergangenen Jahren geleistet worden sei. Extremismus und radikale Gruppen dürften keinen Platz haben. 

Der de-facto-Machthaber al-Scharaa hatte angekündigt, eine Konferenz des nationalen Dialogs einzuberufen, die alle Schichten der syrischen Gesellschaft einbezieht. Medienberichten zufolge soll sie Mitte Januar stattfinden. Bis zur Vorlage eines neuen Verfassungsentwurfs könnten rund drei Jahre und bis zu Wahlen ein weiteres Jahr vergehen, so al-Scharaa weiter.

Baerbock: "Wir wissen, wo die HTS ideologisch herkommt"

Baerbock blieb gegenüber al-Scharaa allerdings skeptisch. "Wir wissen, wo die HTS ideologisch herkommt, was sie in der Vergangenheit getan hat", sagte Baerbock. Man sehe aber auch den Wunsch nach Mäßigung und Verständigung mit anderen wichtigen Akteuren. So sei die Aufnahme von Gesprächen mit den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ein wichtiges Zeichen in diese Richtung. 


Die HTS-Miliz ging aus der Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Al-Scharaa hatte sich von Al-Kaida und der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) losgesagt. Bis heute gibt es aber Berichte, denen zufolge die HTS-Führung den Kontakt zu Al-Kaida hält. 

Baerbock: "Werden die HTS an ihren Taten messen"

Angesichts dessen sagte Baerbock: "Wir werden die HTS weiter an ihren Taten messen. Bei aller Skepsis dürfen wir jetzt nicht die Chance verstreichen lassen, die Menschen in Syrien an diesem wichtigen Scheideweg zu unterstützen."  Deutschland setze sich zudem dafür ein, dass der innersyrische Prozess nicht von außen gestört werde, erklärte die Bundesaußenministerin.

Dazu gehöre auch die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität durch alle Nachbarstaaten, ergänzte sie offensichtlich mit Blick auf die Türkei und Israel, denen vorgehalten wird, eigene Interessen in Syrien zu verfolgen. Es sei zudem Zeit für Russland, seine Militärbasen in Syrien zu verlassen. Moskau war jahrelang einer der wichtigsten Verbündeten Assads.

Das arabische Land ist nach bald 14 Jahren Bürgerkrieg zersplittert und konfessionell gespalten. Auch nach dem Sturz Assads kämpfen verfeindete Milizen um die Macht. Das Land ist in weiten Teilen zerstört. Zudem fehlen Arbeits- und Fachkräfte, die Wirtschaft schrumpft und die Währung hat seit 2020 mehr als 90 Prozent ihres Werts verloren. Die Versorgung mit öffentlichen Diensten ist zusammengebrochen. Mehr als 16 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 

Mit Informationen von Moritz Behrendt, ARD-Kairo

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 03.01.2025 06:56 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 03. Januar 2025 um 09:00 Uhr.