Zeitplan für Neuordnung Syriens neuer Machthaber plant Wahl in vier Jahren
Der neue Machthaber in Syrien hat Wahlen in vier Jahren sowie eine neue Verfassung in Aussicht gestellt. Der vorgelegte Zeitplan zur Neuordnung des Landes sieht auch die Auflösung aller Geheimdienste und der HTS-Miliz vor.
Syriens neuer Machthaber Ahmed al-Scharaa hat einen Zeitplan für die Neuordnung des Landes skizziert. Er erwarte, dass die Menschen in etwa einem Jahr massive Veränderungen im Land sehen könnten, sagte der Anführer der islamistischen Rebellenmiliz HTS dem arabischen TV-Sender Al-Arabiya. Es werde insgesamt rund drei Jahre bis zum Entwurf für eine neue Verfassung brauchen und dann ein weiteres Jahr, um Wahlen abzuhalten. Für "aussagekräftige Wahlen" sei zunächst ein umfassender Konsens in der syrischen Bevölkerung notwendig.
Es ist das erste Mal, dass sich al-Scharaa seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad zu einem möglichen Zeitplan für Wahlen äußerte. Syrien-Experten haben Zweifel, ob al-Scharaa im Land tatsächlich faire und freie Wahlen abhalten will.
Die HTS regierte zuvor autoritär in Idlib im Nordwesten des Landes. Menschenrechtler haben unter der HTS-Herrschaft etwa Folter und Tötungen politischer Gegner dokumentiert. Al-Scharaa hat nach der Machtübernahme in Syrien den Schutz von Minderheiten angemahnt. Was diese Aussage wert ist, lässt sich derzeit nur vermuten.
Auflösung der HTS angekündigt
Al-Scharaa kündigte in dem TV-Interview an, dass die HTS im Rahmen eines nationalen Dialogs aufgelöst werden solle. Vor einigen Tagen hatte die Übergangsregierung mitgeteilt, dass alle bewaffneten Rebellenfraktionen aufgelöst und unter dem Dach des Verteidigungsministeriums zusammengeführt werden sollen. Darauf hätten sich die Anführer der einzelnen Gruppen nach einem Treffen mit al-Scharaa geeinigt.
Die neuen Machthaber kündigten zudem nun an, auch die Geheimdienste der gestürzten Assad-Regierung aufzulösen und die Sicherheitsbehörden neu zu strukturieren. Das sagte der neu ernannte Geheimdienst-Chef Anas Chattab laut einer Mitteilung der Nachrichtenagentur Sana. Der Schritt solle "dem Volk, seinen Opfern und seiner langen Geschichte dienen", sagte Chattab demnach.
Er beklagte "die Unterdrückung und Tyrannei des alten Regimes" unter dem langjährigen Machthaber Baschar al-Assad. Dieses habe der Bevölkerung mithilfe des Sicherheitsapparats schweres Leid zugefügt. "Die Sicherheitsdienste des alten Regimes waren zahlreich und vielfältig, aber allen war gemeinsam, dass sie dem Volk aufgezwungen wurden, um es fünf Jahrzehnte lang zu unterdrücken", so Chattab.
Geheimdienste betrieben berüchtigte Gefängnisse
Während der jahrzehntelangen Assad-Herrschaft verschwanden zahllose Menschen in den von den Geheimdiensten betriebenen Gefängnissen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben allein während des syrischen Bürgerkrieges in den vergangenen fast 14 Jahren mehr als 100.000 Menschen in syrischen Gefängnissen, viele davon unter Einwirkung von Folter.
Hoffnung auf Aufhebung von US-Sanktionen
In Bezug auf die künftigen Auslandsbeziehungen betonte al-Scharaa, dass Syrien strategische Interessen mit Russland habe. Russland hat Militärstützpunkte in Syrien, war ein enger Verbündeter Assads im Bürgerkrieg und hat dem vor den Rebellen geflohenen Diktator Asyl gewährt. Al-Scharaa äußerte zudem die Hoffnung, dass die künftige US-Regierung des designierten Präsidenten Donald Trump ihre Sanktionen gegen Syrien aufheben werde.
Ranghohe US-Diplomaten hatten nach einem Besuch in Damaskus und Gesprächen mit der neuen Führung al-Scharaa als pragmatisch bezeichnet. Zudem erklärten sie, dass die Regierung in Washington beschlossen habe, das auf den HTS-Anführer ausgesetzte Kopfgeld zu streichen. Die HTS-Miliz hatte früher Verbindungen zur Islamisten-Organisation Al-Kaida und wird von den Vereinten Nationen, den USA und der EU bislang als Terrororganisation eingestuft.
Al-Scharaa hatte unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani die Al-Nusra-Front geführt, einen Ableger von Al-Kaida, der zwischenzeitlich auch Verbindungen zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatte. Später sagte er sich vom IS und dem Terrornetzwerk Al-Kaida los und gründete 2017 die HTS - die "Organisation zur Befreiung Syriens". Diese Schritte wurden aber auch als Fassade gewertet, um die Macht und den Einfluss von HTS auszubauen.