Geschlechterparität in Ämtern Die EU sucht Kommissarinnen
EU-Kommissionschefin von der Leyen will ihr Team paritätisch besetzen - und bat dafür die Mitgliedsstaaten, je eine Frau und einen Mann vorzuschlagen. Bislang hat kein einziges Land ein gemischtes Doppel vorgestellt.
Ursula von der Leyens größten Wunsch haben die EU-Staaten beim Gipfel Ende Juni erfüllt: Fast alle Regierungen unterstützten ihre Wiederwahl zur Präsidentin der EU-Kommission. Aber nach ihrer Wahl durch das EU-Parlament Mitte Juli äußerte die Kommissionschefin ein weiteres Anliegen - betreffend das neue Team der EU-Kommission:
In den kommenden Wochen werde ich die Verantwortlichen bitten, ihre Kandidaten vorzuschlagen. Ich werde wie beim letzten Mal einen Brief schreiben und um den Vorschlag eines Mannes und einer Frau als Kandidaten bitten. Einzige Ausnahme ist wie beim letzten Mal, wenn ein amtierender Kommissar bleibt.
Vor anderthalb Wochen gingen die entsprechenden Briefe aus Brüssel in die europäischen Hauptstädte. Die Regierungen haben bis Ende des Monats Zeit, Kandidatinnen und Kandidaten zu benennen. Sie strebe wieder den gleichen Anteil von Männern und Frauen am Kommissionstisch an, hatte von der Leyen betont. Aber der bisherige Rücklauf ist äußerst ernüchternd: Noch hat kein einziger Mitgliedsstaat ein gemischtes Doppel vorgeschlagen.
Bis zum 30. August ist Zeit
Vergangene Woche erklärte Österreichs schwarz-grüne Regierung, Finanzminister Magnus Brunner als Kommissar nach Brüssel schicken zu wollen. Griechenland nominiert Regionalgouverneur Apostolos Tzitzikostas, Irland Ex-Finanzminister Michael McGrath. Auch Tschechien, Slowenien und Malta nominieren nur Männer.
Spanien, Schweden und Finnland schlagen nur Frauen vor. So droht Kommissionschefin von der Leyen die erste Niederlage ihrer zweiten Amtszeit, bevor ihr neues Kollegium überhaupt feststeht.
Ihre Sprecherin Veerle Nuyts beschwichtigt: Bis zum 30. August sei Zeit, während des laufenden Prozesses werde sie keine einzelnen Ankündigungen von Mitgliedstaaten kommentieren.
Keine Rechtsgrundlage
Eine rechtliche Grundlage hat von der Leyens Wunsch nicht: Die EU-Verträge schreiben vor, dass die Kommissionsmitglieder aus den Mitgliedstaaten kommen - aber nicht, wie viele Frauen und Männer am Tisch sitzen. In der amtierenden Kommission sind Männer in der Überzahl.
Aber wichtige Ressorts werden von Frauen geleitet, die die Kommissionsarbeit der vergangenen fünf Jahre geprägt haben. Dazu zählt von der Leyens Stellvertreterin Margrethe Vestager aus Dänemark, die es im Kampf für fairen Wettbewerb mit großen Tech-Konzernen aufnimmt, die Tschechin Vera Jourova, die gegen Rechtsstaatsverächter vorgeht, oder Innenkommissarin Ylva Johansson aus Schweden, die den EU-Asylpakt mit ausgehandelt hat.
Nicht betroffen: Deutschland
Die Kommissionschefin selbst macht kein großes Ding daraus, dass sie eine Frau ist. Ursula von der Leyen schreibt zwar in ihrem Account beim Kurznachrichtendienst X, dass sie siebenfache Mutter ist. Aber die Bewertung ihrer Leistungen überlässt sie anderen - etwa dem US-Magazin "Forbes", das sie zweimal zur mächtigsten Frau der Welt gekürt hat.
Vor vier Jahren war es die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die betonte, dass nun zwei Frauen maßgeblich die Geschicke Europas bestimmen. "Früher haben das zwei Männer immer geschafft", sagte Merkel damals. "Jetzt müssen wir das als zwei Frauen schaffen und wir sind da ganz selbstbewusst, dass wir das auch hinkriegen, glaube ich. Nicht wahr, Ursula?"
Merkel ist längst weg, von der Leyen macht weiter. Die Bundesregierung muss sich von ihrem Wunsch übrigens nicht angesprochen fühlen. Weil Deutschland die Kommissionspräsidentin stellt, hat Berlin weder das Recht noch die Pflicht, auch noch eine Kommissarin oder einen Kommissar vorzuschlagen.