Nach Machtwechsel in Syrien EU warnt vor überstürzter Abschiebedebatte
Nur wenige Tage ist der Sturz des syrischen Diktators her - aus Sicht der EU viel zu früh, um Abschiebungen von Geflüchteten zu erwägen. In Deutschland diskutieren vor allem CDU und CSU kontrovers über den Umgang mit Syrern.
Nach dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad wird in mehreren EU-Ländern über den Umgang mit Geflüchteten aus Syrien diskutiert. Auch die Innenminister der Mitgliedsstaaten haben darüber bei einem Treffen in Brüssel beraten. Die EU-Kommission warnte jedoch vor einer überstürzten Debatte über mögliche Abschiebungen.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser nahm an dem Treffen in der belgischen Hauptstadt teil und plädierte für ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitglieder. "Es wäre sehr zielführend, das gemeinsam zu organisieren", betonte die SPD-Politikerin.
Nach dem überraschenden Machtwechsel in Syrien hatte Deutschland alle Entscheidungen über Asylanträge von Syrern vorerst ausgesetzt. Davon ausgenommen sind lediglich sogenannte Dublin-Verfahren, bei denen ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist.
Auch andere EU-Länder setzten ihre Asylentscheidungen für Syrerinnen und Syrer vorübergehend aus, darunter Schweden, Dänemark und Norwegen. Österreich kündigte bereits ein "Rückführungs- und Abschiebeprogramm" für syrische Flüchtlinge an.
Österreich will "notwendige Abschiebungen" rasch vorbereiten
In Brüssel verteidigte der österreichische Innenminister Gerhard Karner das Vorgehen der eigenen Regierung. "Wir reden jetzt nicht von Massendeportationen, wie das manche sich wünschen" sagte der Politiker der konservativen ÖVP - gemünzt auf Forderungen der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Es gehe vielmehr um notwendige Abschiebungen. Betroffen seien "jene, die kriminell geworden sind, jene, die sich nicht an europäische, österreichische Werte anpassen wollen und jene, die nicht arbeiten wollen und nur von der Sozialhilfe leben".
Gleichzeitig sprach sich auch Karner für eine einheitliche Linie der EU im Umgang mit syrischen Flüchtlingen aus. Doch damit dürfe sich die EU keine Zeit lassen. "Wir müssen jetzt Dinge vorbereiten, die notwendig sind", forderte er. Das bedeute einerseits, Verfahren von Flüchtlingen auszusetzen und andererseits Rückführungen und Abschiebungen vorzubereiten.
Unionspolitiker fordern "Startgeld" für freiwillige Rückkehrer
EU-Innenkommissar Magnus Brunner schlug mit Verweis auf die unsichere Lage in Syrien vor, zunächst die Ausreise von freiwilligen Rückkehrern zu unterstützen. Ganz ähnliche Vorschläge waren kurz nach dem Sturz von Assad am vergangenen Wochenende bereits aus den Reihen der Union laut geworden.
So hatte CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn dafür plädiert, Syrern, die bereits seien, Deutschland sofort zu verlassen, ein "Startgeld" von 1.000 Euro zu zahlen und Charterflüge für diese freiwilligen Rückkehrer zu organisieren. Auch Fraktionsvize Andrea Lindholz befürwortete Reisebeihilfen und das Angebot eines Startgeldes. Und der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm hatte öffentlich die Frage aufgeworfen, ob der Schutzstatus für Syrer in Deutschland entfalle, sollte sich die Lage in ihrem Heimatland stabilisieren.
"Kein verantwortungsvoller Umgang"
Doch diese Äußerungen ziehen auch innerhalb der Union vermehrt Kritik nach sich - nicht in erster Linie inhaltliche, sondern eher in Bezug auf den Zeitpunkt. Dass "wenige Stunden" nach der Entmachtung des "Schlächters von Damaskus" eine derartige Diskussion begonnen habe, sei "kein verantwortungsvoller Umgang", reagierte etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Es gebe "keine Garantie" für die weiteren Entwicklungen in Syrien, daher müsse die Lage "mit Ruhe und Sachlichkeit" besprochen werden. Gleichzeitig betonte der CDU-Politiker, es sei klar, dass Schutzsuchende in ihre Heimat zurückkehren müssten, wenn der Schutzgrund entfalle. Dies kläre sich aber nicht innerhalb von 24 Stunden nach den Ereignissen in Syrien.
Zu einer ähnlichen Einschätzung der Lage kommt Hessens Landeschef Boris Rhein. Es sei im Augenblick viel zu früh, "hier zu einer schnellen Entscheidung zu kommen", warnte er. Der CDU-Politiker führte an, dass mit dem Umsturz in Syrien Islamisten an die Macht gekommen seien. Das dürfe man nicht unterschätzen. Allerdings ist auch Rhein der Auffassung, dass der Aufenthalt von Geflüchteten in Deutschland beendet werden könne, wenn die Gründe dafür entfallen seien. Das werde sich "in den nächsten Wochen und Monaten wahrscheinlich ergeben".
Fachkräfte sollen bleiben
Ein entscheidender Faktor in der Debatte ist die Integration der syrischen Flüchtlinge. In Brüssel bekräftigte Innenministerin Faeser ihr Angebot an dringend benötigte Fachkräfte etwa in der Pflege, in Deutschland zu bleiben. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betonte, dass viele Syrer inzwischen gut integriert seien, arbeiten und über einen sogenannten verfestigten, fluchtunabhängigen Aufenthaltsstatus verfügen würden. Eine Rückkehr dieser Menschen werde nicht angestrebt und sei um Übrigen rechtlich auch nicht nötig, betonte der CSU-Politiker.
Zugleich rief Herrmann die Bundesregierungen zu Verhandlungen mit den neuen Machthabern in Syrien über die Abschiebung syrischer Straftäter aus Deutschland zurück in ihre Heimat auf. Dies Zusage habe die Regierung bereits vor dem Sturz von Assad getroffen und müsse sie nun auch umsetzen.