Nach Assads Sturz BAMF stoppt vorerst Asyl-Entscheidungen von Syrern
Nach dem Fall des Assad-Regimes hat eine Diskussion über das Schicksal syrischer Geflüchteter begonnen. Noch ist völlig unklar, ob eine Rückkehr nach Syrien möglich ist. Neue Asyl-Entscheidungen trifft das BAMF vorerst nicht.
Der überraschende Sturz von Bashar al-Assad in Syrien wirkt sich auch auf die deutsche Asylpolitik aus. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stoppt wegen der unklaren Lage vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge von Syrern. Das sagte ein Behördensprecher. Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet.
Die Regelung gelte nicht für sogenannte Dublin-Verfahren, bei denen ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, ergänzte der Sprecher. Betroffen seien alle Anträge, für die die Situation in Syrien ausschlaggebend sei. Derzeit seien mehr als 47.000 Asylanträge von Syrern anhängig, davon 46.081 Erstanträge. Syrien zählt seit Jahren zu den Hauptherkunftsländern von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in Deutschland.
Andere Asylentscheidungen werden vorgezogen
"Das BAMF schaut sich sehr genau an, wie der Einzelfall gelagert ist, dazu gehört auch eine Bewertung der Lage vor Ort im Herkunftsland", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Das Bundesamt habe die Möglichkeit, Asylentscheidungen zurückzustellen bei einer unklaren Lage. Und dass die Lage derzeit in Syrien unklar ist, sei ja offensichtlich. Praktisch bedeute das: Die Anträge von Syrerinnen und Syrern "werden im Stapel nach unten sortiert und andere Asylentscheidungen vorgezogen".
Rebellen unter der Führung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatten am Wochenende die Kontrolle über die syrische Hauptstadt Damaskus übernommen und damit das Ende der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Herrschaft von Präsident Assad eingeläutet. Noch ist unklar, ob Syrien für seine Bürger nach dem Umsturz sicherer wird.
Bei der Zahl der Asylanträge waren Menschen aus Syrien in diesem Jahr weiter die größte Gruppe. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellten von Januar bis November insgesamt 74.971 Syrerinnen und Syrer einen Asylantrag.
Bundesregierung will noch abwarten
Dementsprechend ist die Bundesregierung auch noch zurückhaltend, eine Neubewertung zum Umgang mit syrischen Geflüchteten in Deutschland vorzunehmen. Die Lage in Syrien sei derzeit noch "viel zu dynamisch", um jetzt schon eine Entscheidung zu treffen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Der Asyllagebericht zu Syrien werde aktualisiert, "sobald sich der Staub ein wenig legt". Der Sprecher fügte hinzu:
Ob diese neue Lage im Ergebnis zu neuen Flüchtlingsbewegungen führt oder ob sich im Gegenteil bei einer Stabilisierung der Lage für Vertriebene und Geflüchtete langfristig die Möglichkeit eröffnet, in ihre Heimat zurückzukehren, das wird sich zeigen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte ebenfalls, dass die aktuelle Lage in Syrien noch sehr unübersichtlich ist. Das BAMF müsse "seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen". Die Aussetzung der Entscheidungen gelte bis die Lage klarer ist.
Die Bundesinnenministerin warnte davor, jetzt schon eine Debatte über den künftigen Umgang mit syrischen Schutzsuchenden in Deutschland zu führen. Konkrete Rückkehrmöglichkeiten seien im Moment noch nicht vorhersehbar, "und es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren", erklärte Faeser. "Ebenso hängt die weitere Bewertung des Schutzstatus der in Deutschland lebenden anerkannten syrischen Flüchtlinge von der weiteren Entwicklung in Syrien ab", fügte sie hinzu.
Eine Sprecherin ihres Ministeriums hatte zuvor darauf verwiesen, dass der Schutzstatus nur dann widerrufen werden könne, wenn sich die Lage im Herkunftsland "dauerhaft" verbessert habe - "also nicht nur kurzfristig". Sie fügte hinzu: "Wir müssen uns darauf verlassen können, dass diese Veränderungen von Dauer sind."
Schnelle Rückkehr nach Syrien?
Nach dem Ende der Assad-Herrschaft am Wochenende wird in Deutschland über die Rückkehr von Syrern diskutiert. Unionspolitiker fordern, die Heimkehr von Geflüchteten zu unterstützen. So sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn bei RTL/ntv: "Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen ein Angebot. Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro."
CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF: "Ich glaube, dass man zu einer Neubewertung der politischen Lage in Syrien kommen wird und damit auch zu einer Neubewertung der Frage, wer bei uns Schutz finden darf und wer nicht." Das werde in den kommenden Wochen zu entscheiden sein. Er glaube, dass am Ende viele Geflüchtete selbst zurück in ihr Heimatland wollten.
SPD und Grüne drücken auf die Bremse
Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt warnte hingegen vor einer vorschnellen Diskussion über Abschiebungen. Im rbb24 Inforadio sagte sie, viele der geflüchteten Syrerinnen und Syrer wollten so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren. Aber die Vorstellung, dass Deutschland nun etwa Kinder, die hier in die Schule gehen, sofort zurückschicke, führe zu großer Unsicherheit.
Auch SPD-Außenpolitiker Michael Roth zeigte sich zurückhaltend. An der Spitze der Aufständischen in Syrien stünden auch islamistische Gruppen, denen er nicht "über den Weg traue", sagte er im ZDF. Diese präsentierten sich derzeit moderat, die Frage sei allerdings, ob das so bleibe.
Österreich bereitet Abschiebeprogramm vor
Auch Österreich setzt sämtliche Asylverfahren von Syrern aus. Diese Maßnahme sei auf Anweisung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) umgesetzt worden, teilte das Innenministerium in Wien mit. Betroffen sind demnach etwa 7.300 offene Asylverfahren in erster Instanz.
Zusätzlich sollen alle bereits gewährten Asylbescheide überprüft werden. "In diesem Zusammenhang habe ich das Ministerium beauftragt, ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien vorzubereiten", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Auch der Familiennachzug wird bis auf Weiteres ausgesetzt.