Zurück nach Syrien? Diskussion über Rückkehr von Flüchtlingen
Das Ende der Assad-Regierung wird auch in Deutschland positiv aufgenommen. In der Politik wird schon darüber diskutiert, was jetzt mit den Hunderttausenden Flüchtlingen passiert.
Millionen Syrer sind in den vergangenen Jahren vor der Terrorherrschaft von Bashar al-Assad geflohen - auch nach Deutschland. In mehreren deutschen Städten feierten Syrer am Wochenende den überraschenden Sturz der Assad-Regierung. Sie hoffen jetzt auf eine Rückkehr in ihre Heimat. Doch wie sich ihr Land entwickelt, ist noch völlig unklar. Schließlich haben islamistische Kämpfer dafür gesorgt, dass Syrien nun vor einem Machtwechsel steht. Eine Herrschaft von Islamisten ist möglich.
Unabhängig davon ist in der deutschen Politik bereits eine Diskussion über die Rückkehr von Syrern entbrannt. So fordern Unionspolitiker, die Heimkehr von Flüchtlingen zu unterstützen. Unionsfraktionsvize Jens Spahn sagte bei RTL/ntv: "Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen ein Angebot. Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro."
Als zweiten Schritt schlägt Spahn vor, dass Deutschland mit Österreich, der Türkei und Jordanien eine "Wiederaufbau- und Rückkehrkonferenz" organisiert. Das sind die vier Länder, die die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen haben.
Lindner für Syrien-Konferenz
Ähnlich äußerte sich FDP-Chef Christian Lindner im Deutschlandfunk. "Ich glaube, wir brauchen eine internationale Syrien-Konferenz, die auch von Deutschland ausgehen kann", sagte er. Dort könnten alle Beteiligten gemeinsam überlegen, was von außen getan werden könne. Der erste Schritt sei, die Stabilität Syriens zu begleiten. Danach müsse geprüft werden, welche Auswirkungen der Machtwechsel auf die Asyl-Politik in Deutschland haben werde.
Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte im Morgenmagazin von ARD und ZDF: "Ich glaube, dass man zu einer Neubewertung der politischen Lage in Syrien kommen wird und damit auch zu einer Neubewertung der Frage, wer bei uns Schutz finden darf und wer nicht." Es sei noch zu früh für eine solche Bewertung. Das werde in den nächsten Wochen zu entscheiden sein. Er glaube, dass am Ende viele Flüchtlinge selbst zurück in ihr Heimatland wollten.
SPD und Grüne drücken auf die Bremse
Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt warnt hingegen vor einer vorschnellen Diskussion über Abschiebungen. Im rbb24 Inforadio sagte sie, viele der geflüchteten Syrerinnen und Syrer wollten so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren. Aber die Vorstellung, dass Deutschland nun etwa Kinder, die hier in die Schule gehen, sofort zurückschicke, führe zu großer Unsicherheit.
"Selbstverständlich wird es so sein, dass, wenn das ein sicheres Land ist, dass dann Menschen zurückkehren sollen und auch werden", sagte sie. Zunächst müsse aber geschaut werden, wie sich die Lage in Syrien entwickle.
Auch SPD-Außenpolitiker Michael Roth warnt vor Euphorie. An der Spitze der Aufständischen stünden auch islamistische Gruppen, denen er nicht "über den Weg traue", sagte er im ZDF. Diese gäben sich derzeit moderat, die Frage sei allerdings, ob das so bleibe. Forderungen nach dem Stopp einer weiteren Aufnahme syrischer Geflüchteter wies Roth als Populismus zurück. "Vielleicht sollten wir Wahlkampf hin, Wahlkampf her, vernünftig darüber nachdenken, wie wir den Menschen einen Weg aufzeigen können."
Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) hatte zuvor in der Rheinischen Post den Stopp der weiteren Aufnahme syrischer Flüchtlinge gefordert. "Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt", sagte sie. Sollte es irgendwann zu einer Befriedung in Syrien kommen, entfalle für viele Syrer auch "die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland".
"Historischer Wendepunkt" möglich
Tatsächlich sieht der Migrationsforscher Gerald Knaus die Chance auf Entspannung in der Flüchtlingssituation. "Mittelfristig - sollte Stabilität hergestellt werden - könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein", sagte er dem Magazin stern. "Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern haben sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen", fuhr er fort.
Die Entwicklungen in Syrien könnten sich auch auf die Politik in Deutschland auswirken. "Sollte sich die Zahl syrischer Asylanträge 2025 schnell verringern, würde extrem gefährlichen Kräften das Wasser abgegraben - der AfD hierzulande, der FPÖ in Österreich." Daher müsse das Thema der Stabilisierung Syriens "absoluten Vorrang" haben, auch was die außenpolitischen Anstrengungen angehe.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker appelliert an die deutsche Politik, die Menschen in Syrien nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Die Bundesregierung solle sich jetzt "aktiv für einen Übergangsprozess einsetzen", sagte Nahostreferent Kamal Sido. "Bis das nicht gewährleistet ist, warnen wir vor vorschnellen Aufrufen zur Rückkehr von Geflüchteten."