Frankreichs neuer Premier Bayrou "Alle wissen, wie schwierig das wird"
Frankreichs neuer Premier Bayrou steht vor einer fast unmöglichen Aufgabe: Umgeben von zerstrittenen Parteien soll er ein stabiles Regierungsbündnis schmieden. Kann er die Parteien der Mitte versöhnen?
Neun Tage nach dem Sturz der Regierung Barnier hat Frankreich einen neuen Premierminister. Er heißt François Bayrou, führt eine kleine Zentrumspartei an und gilt als enger Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron. Er soll für stabile politische Verhältnisse sorgen. Aber die französische Parteienlandschaft ist zerstritten.
Bayrous Aufgabe wird jetzt sein, ein Regierungsbündnis zu schmieden, das nicht mehr vom Wohlwollen des rechtsradikalen Rassemblement National abhängt. Dafür braucht der Mitte-Mann, der die kleine Partei Mouvement démocrate anführt, die Mitarbeit der gemäßigten Linken. Keine leichte Aufgabe, gibt Bayrou zu, als er am Vormittag noch vor der offiziellen Ernennung von Journalisten abgefangen wird: "Alle wissen, wie schwierig das wird. Alle wissen, dass wir einen Weg finden müssen zu einen anstatt zu spalten." Eine Versöhnung sei notwendig.
Skepsis bei der Linken
Nur wenn es Bayrou gelingt, einen Teil der gemäßigten Linken - also Sozialisten, Grüne oder Kommunisten - ins Boot zu holen, könnte er ein mögliches Misstrauensvotum von der weit links außen stehenden Partei LFI oder vom Rassemblement National überstehen.
Doch die Sozialisten haben bereits mitgeteilt, dass sie nicht bereit sind, in eine Regierung unter Francois Bayrou einzutreten. Mit der Ernennung Bayrous missachte Macron erneut das Wahlergebnis vom 7. Juli 2024, bei dem das Linksbündnisses NFP die meisten Stimmen errungen habe. Macron hätte folglich einen Premier aus den Reihen der Linken ernennen müssen. Stattdessen, schreibt Parteichef Olivier Faure, vertiefe Macron die demokratische Krise.
Auch Marine Tondelier von den Grünen ist skeptisch. Sie drohte, sie werde Bayrous neue Regierung nur tolerieren, wenn er sich inhaltlich auf ihr Programm zubewege. "Wenn er den Hardliner Retailleau im Innenministerium behält, wenn er kein Jota von der ungerechten Rentenreform abrückt, wenn er nichts für die Umwelt oder die Steuergerechtigkeit tut, sehe ich nicht, welche andere Wahl wir hätten, als ihm das Misstrauen auszusprechen, sobald wir die Gelegenheit dazu haben."
Doch nicht nur in der Sache müsse sich Bayrou auf die Linke zu bewegen, auch in der gesamten Herangehensweise, warnte der Parteichef der Kommunisten Fabien Roussel. Der Premierminister dürfe nicht mehr den Sonderartikel 49.3 benutzen. Dieser Artikel erlaubt es, Gesetze ohne die finale Zustimmung der Nationalversammlung durchzudrücken. "Nur wenn Bayrou zusichert, den Art. 49.3 nicht mehr zu nutzen, sind alle gezwungen, Kompromisse zu machen." Dann werde man im Umkehrschluss auf ein Misstrauensvotum verzichten, versicherte Roussel.
Rassemblement National wartet ab
Rassemblement-Parteichef Jordan Bardella erklärte, zunächst abwarten zu wollen. Er strebe nicht automatisch ein Misstrauensvotum gegen Bayrous neue Regierung an. Aber auch Bardella zieht rote Linien: keine Steuererhöhungen für Unternehmen und Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen, keine Einschnitte für Rentner.
"Emmanuel Macron ist ein Präsident, der sich eingebunkert hat", erklärte Bardella. Dem neuen Premier müsse klar sein, dass er keine demokratische Legitimität habe und auch keine Mehrheit im Parlament. "Er muss also auf alle Parteien und alle Wähler zugehen."
Und Marine Le Pen schrieb auf der Plattform X, Bayrou müsse das tun, was sein Vorgänger Barnier nicht habe tun wollen: "Der Opposition zuhören und sie verstehen, um einen vernünftigen, wohl überlegten Haushalt zu stricken". Alles andere bedeute, den Macronismus zu verlängern - und sei zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.
Dem 73-jährigen Bayrou muss es also in einer heillos zerstrittenen politischen Landschaft gelingen, den Linken ein Angebot zu machen, ohne die konservativen Republikaner zu vergraulen. Nur so kann er das Regierungsbündnis verbreitern.
"Stinkefinger Macrons gegen die Demokratie."
Bayrou, der auf einem kleinen Bauernhof groß wurde, prägt seit Jahrzehnten die französische Politik. Er war bereits Bildungs- und für wenige Wochen auch Justizminister. Viele Republikaner haben ein großes Problem mit ihm, weil er seinerzeit gegen den erzkonservativen Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy und für den Sozialisten François Hollande stimmte. Bayrou hat durchaus politische Schnittmengen mit der Linken, gilt aber gleichzeitig als treuer Verbündeter Macrons.
2017 hatte der junge Macron die Präsidentschaft nur deshalb im Sturm erobern können, weil er sich der Unterstützung des Mouvement démocrate Bayrous sicher sein konnte. Genau deshalb lehnt ihn auch die Linkspartei LFI strikt ab. Ihr Wortführer Manuel Bompard sagte kurz, nachdem der Elysée das Kommuniqué mit dem Namen Bayrous verschickt hatte: "Die Ernennung Bayrous ist ein weiterer Stinkefinger Macrons gegen die Demokratie."
Die Bedingungen für stabile politische Verhältnisse sind also denkbar schlecht; oder anders gesagt: Versöhnung ist dringend notwendig.