Koalitionsverhandlungen Wie geht es weiter in Österreich?
In Österreich wollen ÖVP und SPÖ nun zu zweit über eine Regierungsbildung verhandeln - doch es gibt Uneinigkeit in der Wirtschaftspolitik. Auch hätte das Bündnis nur eine hauchdünne Mehrheit.
Die liberalen NEOS haben die Koalitionsverhandlungen abgebrochen, aber der Chef der konservativen ÖVP, Karl Nehammer, soll weiter versuchen, eine Regierung zu bilden. Dann eben ohne NEOS. Dafür weiter mit den Sozialdemokraten und deren Chef Andreas Babler. Das sagte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Abend in Wien nach Gesprächen mit den Parteichefs.
Karl Nehammer und Andreas Babler haben mir heute in persönlichen Gesprächen berichtet, dass sie weiterhin an einer Koalition arbeiten. Das muss ohne Zeitverzug geschehen. Ich will Klarheit, schnelle und umfassende Klarheit. Gemeinsam mit allen Österreicherinnen und Österreichern erwarte ich nun diese Ergebnisse.
Mehr als drei Monate sind seit der Nationalratswahl vergangen. Gewonnen hatte die Wahl die in Teilen rechtsextreme FPÖ. Dieser fehlten aber die Koalitionspartner.
Van der Bellen rechtfertigte sich vor diesem Hintergrund dafür, dass er deshalb FPÖ-Parteichef Herbert Kickl nicht mit der Regierungsbildung beauftragt hatte, sondern Nehammer. Dieser äußerte sich zum weiteren Vorgehen seiner Partei vorerst nur in einem Video in den sozialen Netzwerken, blieb dabei aber unkonkret: "Ich bin der Meinung, dass es gerade in diesen herausfordernden Zeiten eine Zusammenarbeit der Kräfte der politischen Mitte braucht, weil für Österreich tatsächlich nach wie vor viel am Spiel steht."
Rezession und hohe Schulden
Österreich steckt in einer Rezession und hat gleichzeitig hohe Schulden, muss also sparen. Wie das mit Anreizen für die Wirtschaft übereinzubringen ist, darüber herrschte zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS Uneinigkeit.
Die SPÖ etwa will neue Steuern, was die NEOS strikt ablehnten. Der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler warf den NEOS vor, Parteitaktik vor Staatsinteressen gestellt zu haben. In Richtung Volkspartei sagte Babler: "Unsere Hand bleibt ausgestreckt. Es bleibt in diesen Krisenzeiten keine andere Alternative, als Staatsverantwortung zu übernehmen." Er sprach von einem solidarischen Modell, bei dem alle dazu beitrügen, dass es auch zukünftig Investitionsspielräume gebe.
Die Gräben bestehen aber nicht nur zwischen SPÖ und NEOS. Auch die ÖVP will keine neuen Steuern. Zudem hatten die Konservativen den Sozialdemokraten die Schuld am Scheitern der Gespräche mit den NEOS zugeschoben.
"Stabil wie eine tickende Zeitbombe"
All das könnte sich auf die Stimmung bei künftigen Verhandlungen auswirken. Außerdem haben ÖVP und SPÖ im Parlament nur eine Mehrheit von einer Stimme. Ein Zweierbündnis könnte instabil sein, meint Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. "Das ist also stabil wie eine tickende Zeitbombe. Da dürfte es keinen Abweichler geben. Was für fünf Jahre wenig realistisch ist."
Denkbar ist aber auch, dass die beiden Parteien sich für wichtige Gesetzesvorhaben jeweils die Unterstützung von NEOS oder den Grünen im Parlament holen. Die NEOS hatten bereits signalisiert, dafür offen zu sein.
Ein Umschwenken der ÖVP auf Verhandlungen mit der FPÖ ist nur denkbar, wenn Nehammer zurücktreten würde. Genau das forderte nach dem Aus der Koalitionsverhandlungen die FPÖ. Die Partei betonte erneut, regieren zu wollen. Geht es nach Bundespräsident Van der Bellen, wird es dazu aber vorerst nicht kommen.