Aufruhr in Spanien Was wird da gegen Sánchez gespielt?
Die Organisation "Manos Limpias" bringt mit ihren Vorwürfen Spaniens Ministerpräsident Sánchez in Bedrängnis. Aber wer steckt dahinter? Und wie steht es um Sánchez' politische Zukunft?
Ein Wort war in Spanien zuletzt oft zu hören: "Lawfare". Ana Caldero ist am Sonntag in Madrid auf die Straße gegangen, weil - wie sie sagt - Spanien einen Moment erlebe, "in dem durch 'Lawfare', die Presse und die Rechte einer demokratisch gewählten Regierung angegriffen werden."
"Lawfare" - das meint so viel wie Kriegsführung mit juristischen Mitteln, also etwa das Ausschalten politischer Gegner mittels Strafverfahren. Für viele fällt die Anzeige der angeblichen Gewerkschaft "Manos Limpias" ("Saubere Hände") gegen die Ehefrau von Regierungschef Pedro Sánchez wegen Einflussnahme und Korruption im Geschäftsleben unter versuchte "Lawfare". Grundlage sind möglicherweise falsche Medienberichte. Die Staatsanwaltschaft hat bereits die Einstellung der Ermittlungen beantragt.
Anklage gegen "gesunden Menschenverstand"
Die Journalistin Pilar Velasco hat lange für den Radiosender Cadena Ser gearbeitet und leitet jetzt das digitale Informationsmedium democrata.es - vergleichbar mit dem Portal Politico. Sie sagt, der zuständige Richter habe sich mindestens nicht an die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gehalten. In einem seiner Urteile heiße es nämlich: "Die bloße Veröffentlichung von Informationen in den Medien kann nicht die Einleitung eines Strafverfahrens zur Untersuchung des Sachverhalts rechtfertigen, wenn es keine zugänglichen und stichhaltigen Beweise für deren Begehung gibt."
Für Velasco sei es gesunder Menschenverstand, "dass ein Zeitungsausschnitt, ob er nun wahr ist oder nicht, nicht als Grundlage für eine gerichtliche Untersuchung gegen jemanden dienen kann".
Rechtsextremer Hintergrund von "Manos Limpias"
"Manos Limpias" soll rechtsextremen Kreisen nahestehen. Der Journalist Javier Chicote leitet das Investigativ-Ressort der konservativen Zeitung ABC. Er hat ein Buch über "Manos Limpias" geschrieben und sagt, der 82 Jahre alte Gründer Miguel Bernard sei ein Rechtsextremist und habe über die Jahre versucht, seine extremistische Haltung zu verbergen und sich als Demokrat auszugeben: "Aber er war zweifelllos ein Franco-Sympathisant und tatsächlich einer der engsten Mitarbeiter von Blas Piñar, dem Führer der extremen Rechten während der spanischen Übergangsphase zur parlamentarischen Demokratie - in einer Partei namens Fuerza Nueva."
Bernard habe sogar bei den Wahlen von 1982 auf Platz 4 der Liste der Fuerza Nueva in Madrid kandidiert und habe für die Gewerkschaft der Partei - Fuerza Nacional del Trabajo (Nationale Arbeitskraft) - gearbeitet. Deshalb sei "Manos Limpias" auch eher eine Pseudo-Gewerkschaft, deren einzige Tätigkeit darin bestanden habe, Anzeigen zu erstatten.
"Manos Limpias" habe sich als Instrument zur Korruptionsbekämpfung dargestellt, habe sich aber selbst korrumpiert, erläutert Chicote. Sie hätten zum Beispiel oft im Namen Dritter geklagt, die selbst nicht in Erscheinung treten wollten und dafür Geld in Form von Spenden genommen. "Meine Recherchen ergaben, dass die im Grunde Klagen einreichten und gegen Geld wieder zurückzogen. Das geht so weit, dass Bernard 2016 wegen Erpressung verhaftet wurde - auch wegen meiner Enthüllungen."
"Sánchez' Position unumkehrbar geschwächt"
Spaniens Ministerpräsident Sánchez sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne der Rechten und extremen Rechten. Aber was steckt hinter seiner Rücktrittsdrohung? Aufrechte Empörung, echte Zermürbung oder politisches Kalkül?
Die Parlamentsreporterin Velasco hält Sánchez‘ Reaktion auf die Vorwürfe gegen seine Ehefrau nicht für eine politische Strategie: Es gebe ein unumkehrbares Davor und Danach:
Der Ministerpräsident ist geschwächt: Wenn er zurücktritt, ist dies eine Entscheidung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Und bliebe er, wäre er sehr schwach. Ich glaube also, dass es wirklich so ist, dass es ihn persönlich betrifft, und dass der Druck auf seine Familie stark war.
Experte spricht von gefährlichen Tendenzen
Für den Politologen Carlos Rico Motos von der Madrider Universidad Pontifica Comillas ist die Situation auch das Ergebnis der "brutalen politischen Polarisierung" Spaniens - Rechts gegen Links -, die Sánchez aktiv mitbetrieben habe. Die Verteufelung seiner Person durch rechte Kräfte habe er mindestens mit gleicher Münze zurückgezahlt.
Rico Motos hält das für gefährlich: "Letztlich beginnt dieser Prozess und man weiß nicht, wie er endet. Wir werden immer konfrontativer, und das bringt schon die Leute auf der Straße gegeneinander auf." Seiner Meinung nach sollte ein Ministerpräsident im Gegenteil für Toleranz eintreten und Kritik annehmen. "Dies ist eine Demokratie, genau wie in anderen Ländern, aber hier scheinen wir gezwungen zu sein, absolute Positionen einzunehmen."
Das sei sehr gefährlich, denn Spanien habe in dieser Hinsicht eine dunkle Vergangenheit. Und das Verhalten aller politischen Kräfte beschädige die Demokratie.