Die Polizei geht in Ankara mit Wasserwerfern gegen eine Demonstration vor
Player: audioFestgenommene Journalisten freigelassen

Solidarität mit İmamoğlu Türkische Polizei geht gegen Studentenproteste vor

Stand: 27.03.2025 21:36 Uhr

In Ankara sind Sicherheitskräfte mit Wasserwerfern gegen Studierende vorgegangen. Sie protestierten gegen die Inhaftierung des Oppositionspolitikers İmamoğlu. Die Spannungen in der Türkei könnten sich weiter verschärfen.

Die türkische Polizei ist mit Wasserwerfern, Plastikgeschossen und Pfefferspray gegen Studierende der Technischen Universität in Ankara vorgegangen. Die Studenten hätten zuvor versucht, eine Erklärung zu verlesen, berichteten der oppositionsnahe Fernsehsender Halk und andere Medien.

Als die Sicherheitskräfte anrückten, um sie festzunehmen, hätten die jungen Leute hinter einer Barrikade aus Müllcontainern Schutz gesucht. Wie viele Menschen festgenommen worden sind, teilte die Polizei nicht mit. Melih Meriç, ein Parlamentsabgeordneter der oppositionellen CHP, sagte in einem im Internet verbreiteten Video: "Meine studentischen Freunde wollten nur eine Presseerklärung abgeben, aber die Polizei hat das strikt untersagt, und das ist das Ergebnis."

Eine Person sitzt während einer Demonstration in Ankara vor einem Wasserwerfer

Die Polizei setzte in Ankara unter anderem Wasserwerfer ein, um gegen die Demonstranten vorzugehen.

CHP stellt weitere Demonstrationen in Aussicht

Mit den Zusammenstößen in Ankara könnten sich die Spannungen wieder verschärfen. CHP-Chef Özgür Özel rief Abgeordnete seiner Partei dazu auf, sich an die Seite der Demonstranten zu stellen, um die Lage zu deeskalieren. Er drohte jedoch, falls die Polizei die Situation verschärfe, werde er "500.000 Menschen dazu aufrufen, an den Ort zu kommen, der die Behörden am meisten stört."

Ausgelöst wurden die landesweiten Proteste durch die Verhaftung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu, der als aussichtsreichster Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gilt und inzwischen abgesetzt wurde. Ihm werden Korruption und Unterstützung des Terrorismus vorgeworfen. Am Sonntag verhängte ein Gericht Haftbefehl.

Viele halten das Verfahren gegen İmamoğlu für politisch motiviert. Die Regierung beteuert dagegen, die Justiz handle frei von politischem Einfluss. Justizminister Yilmaz Tunç sagte vor Medienvertretern in Istanbul, "wir wollen nicht, dass ein Politiker verhaftet wird, aber wenn es Beweise für einen Verstoß gibt, kann das passieren". Angesichts der Schwere der Vorwürfe und der "Gefahr einer Verschleierung von Beweisen" habe die Justiz eine "vernünftige Entscheidung getroffen", fügte er hinzu.

Polizei nimmt fast 1.900 Menschen fest

Nach Angaben des Innenministeriums wurden bei den Protesten 1.879 Menschen festgenommen. 260 von ihnen seien in Untersuchungshaft. 489 seien freigelassen worden, 662 weitere befänden sich noch in der Verhandlung. Zudem seien 150 Polizisten verletzt worden.

Im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen wurden auch mehrere Journalisten, von denen nun mindestens acht nach Anordnung durch ein Gericht freigelassen wurden. Unter ihnen ist nach Angaben seines Anwalts der Fotograf Yasin Akgül, der für die Nachrichtenagentur AFP tätig ist. Die Menschenrechtsorganisation MLSA meldete die Freilassung der anderen Journalisten.

AFP-Chef Fabrice Fries hatte Akgüls Festnahme als "inakzeptabel" kritisiert. Der Fotograf habe "nicht demonstriert, er hat als Journalist über eine der vielen Kundgebungen berichtet". Akgül und sieben weitere Journalisten waren in Istanbul festgenommen worden. Drei weitere Journalisten wurden in der Küstenstadt Izmir festgenommen. Ein Gericht ordnete später an, Akgül und sechs weitere Beschuldigte wegen mutmaßlicher Teilnahme an verbotenen Veranstaltungen in Untersuchungshaft zu nehmen. Angesichts der Proteste hatten die Behörden für mehrere Städte Versammlungsverbote ausgesprochen.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hatte die Freilassung begrüßt. Damit werde eine "monumentale Ungerechtigkeit" beseitigt. Die NGO verlangte die Freilassung aller in Istanbul und Izmir festgenommenen Journalisten.

Zehntägiges Sendeverbot gegen Oppositionssender

Eine Sperre wurde gegen den oppositionellen Fernsehsender Sözcü TV von der türkischen Rundfunkaufsicht RTÜK verhängt. Der Sender sei "mit einem zehntägigen Sendeverbot belegt" worden, hieß es in einer Erklärung der Behörde. RTÜK warf Sözcü TV darin "Anstiftung der Öffentlichkeit zu Hass und Feindseligkeit" bei der Berichterstattung über die anhaltenden Massenproteste vor. Sollte der Sender nach Ablauf der Sperre weitere "Verstöße" begehen, werde ihm die Lizenz entzogen, erklärte RTÜK weiter. 

Der britische Sender BBC teilte indes mit, dass die Türkei einen seiner Journalisten ausgewiesen habe, der über die Proteste berichtet hatte. Demnach wurde Reporter Mark Lowen am Mittwoch in seinem Hotel festgenommen und 17 Stunden lang festgehalten. Dann sei er als Bedrohung der öffentlichen Ordnung bezeichnet und ausgewiesen worden.

Das türkische Kommunikationsdirektorat sagte, er sei nicht im Besitz einer gültigen Presseakkreditierung gewesen. Seine Abschiebung in Verbindung mit Berichten über Proteste und Journalismus zu bringen, sei "Desinformation", schrieb die direkt Präsident Recep Tayyip Erdoğan unterstellte Behörde.

Mark Lowen sagte laut BBC: "Die Festnahme und Abschiebung aus dem Land, in dem ich zuvor fünf Jahre lang gelebt habe und das ich sehr schätze, war äußerst schmerzhaft. Pressefreiheit und unparteiische Berichterstattung sind für jede Demokratie von grundlegender Bedeutung."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. März 2025 um 17:00 Uhr und die tagesschau am 27. März 2025 um 12:00 Uhr.