Krieg gegen die Ukraine EU macht Tempo bei Munitionsbeschaffung
Langfristige Lieferverträge, Förderprogramme für Munitionshersteller, mehr Geld für den Europäischen Friedensfonds: Die EU setzt einiges daran, ihr Versprechen für Munitionslieferungen an die Ukraine einzuhalten.
Es ist ein großes Versprechen: Eine Million Geschosse will die Europäische Union der Ukraine bis Anfang des nächsten Jahres zur Verfügung stellen. Im März hatte Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur dafür den Anstoß gegeben.
Die Ukraine braucht vor allem Granaten vom Kaliber 155 Millimeter sowie Flugabwehrraketen für die modernen Waffensysteme, die von den NATO-Staaten geliefert wurden, damit sich das angegriffene Land gegen die russische Armee verteidigen und seine Gegenoffensive zur Befreiung der besetzten Gebiete fortsetzen kann.
"Es wäre schön, wenn wir dafür mehr Munition zur Verfügung hätten, am besten 90.000 oder 100.000 Schuss pro Monat", sagte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow.
Borrell: "Müssen mehr liefern und schneller sein"
Schon seit einiger Zeit verbrauchen die Streitkräfte der Ukraine deutlich mehr Munition, als in Europa hergestellt wird. Etwa 300.000 Artillerie-Granaten hat die europäische Rüstungsindustrie zuletzt pro Jahr produziert. Für die zugesagte Million ist das zu wenig. "Die Zeit drängt. Wir müssen mehr liefern und schneller sein", sagt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Um den Nachschub kurzfristig zu sichern, liefern die EU-Mitgliedsstaaten Munition aus eigenen Beständen, die allerdings allmählich zur Neige gehen und neu gefüllt werden müssen, jedenfalls was die besonders gängigen Kaliber betrifft. Dafür steht eine Milliarde Euro aus dem europäischen Friedensfonds bereit.
Mit einer weiteren Milliarde will die EU den gemeinsamen Munitionseinkauf für die Ukraine ankurbeln, entweder über die Europäische Verteidigungsagentur oder - wie es die deutsche Regierung macht - über nationale Vereinbarungen mit den Herstellern, "weil sich damit Geld und Zeit sparen lässt".
Die Experten im Europäischen Auswärtigen Dienst sehen inzwischen große Fortschritte: Mehr als 220.000 Granaten wurden der Ukraine aus eigenen Beständen bereits zur Verfügung gestellt, dazu 2100 Raketen für Flugabwehrsysteme wie Patriot oder Iris-T, heißt es auf Anfrage des ARD-Hörfunks in Brüssel.
Millionenschwere Förderprogramme
Und: Die zugesagte Million Geschosse ist zu schaffen. Denn darüber hinaus bemüht sich die EU auch darum, die Produktionskapazitäten zu vergrößern. Um der Industrie unter die Arme zu greifen, hat Binnenmarktkommissar Thierry Breton für Munitionshersteller ein 500 Millionen Euro schweres Förderprogramm aufgelegt.
Auch für NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist es von zentraler Bedeutung, dass schnell mehr Munition produziert und angeschafft wird. Er ruft die Bündnisstaaten dazu auf, langfristige Lieferverträge abzuschließen, damit die Rüstungsunternehmen Planungssicherheit haben und ihre Fabriken entsprechend ausbauen können.
"Das ist jetzt ein Abnutzungskrieg. Es geht darum, Waffen und Munition zu den Soldaten an die Front zu bringen, deshalb arbeitet die NATO eng mit der Industrie zusammen und hat auch neue Ziele für die Vorratshaltung der Alliierten vereinbart. Wir müssen mehr tun, damit die Ukraine bekommt, was sie braucht, und damit wir unsere Lager wieder auffüllen können", so Stoltenberg.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Europäischer Friedensfonds aufgestockt
Um die Munitions- und Waffenhilfe für die Ukraine dauerhaft zu finanzieren, hat die EU gerade erst den Europäischen Friedensfonds, aus dem der Großteil der Rüstungslieferungen Richtung Kiew bezahlt wird, um 3,5 Milliarden Euro aufgestockt.
Auch die NATO diskutiert intensiv über eine Steigerung der Verteidigungsausgaben. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine will die westliche Militärallianz auf ihrem Gipfel nächste Woche in der litauischen Hauptstadt Vilnius die Vorgaben deutlich verschärfen.
Bisher ist vereinbart, dass jedes Mitgliedsland spätestens im nächsten Jahr zwei Prozent seiner Wirtschaftskraft in Verteidigung und Rüstung investiert. Das soll künftig die absolute Untergrenze sein. Aktuell wird das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel aber nur von sieben der insgesamt 31 NATO-Staaten erreicht.