Gerüchte zum Koalitionsende Von der Ampel zum Great Reset
Rund um den Bruch der Ampelkoalition werden in den sozialen Netzwerken Videos aus dem Zusammenhang gerissen, manipulierte Fotos geteilt und Gerüchte gestreut. Nicht alle sind harmlos.
Nach dem Scheitern der Ampelregierung gibt es im Netz unzählige Videos und Fotos, die sich mit dem Thema beschäftigen. Viele von ihnen sind lustig gemeint und werden auch so verstanden.
So wurde beispielsweise ein Satz aus einer Rede des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner auf dessen Entlassung als Finanzminister angewandt. Die Aussage "Dein Arbeitsplatz fällt weg. Geh' nach Hause, wir brauchen dich nicht mehr!" stammt aber aus dem Jahr 2017 und bezog sich damals auf seine Kritik an Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen.
Ein Videoclip von Angela Merkel, die verkündet, es sei "endlich wieder Stimmung in der Bude" stammt ursprünglich vom 2020 im Kanzleramt veranstalteten Karnevalsempfang - wird im aktuellen Kontext aber wieder mehrfach verbreitet.
Falschbehauptung zu Weltwirtschaftsforum
Es werden aber auch Verschwörungserzählungen geteilt, vor allem rund um den neu ernannten Finanzminister Jörg Kukies. So wird auf der Plattform X behauptet, dass er bereits vor Bekanntwerden seiner Ernennung und Vereidigung auf der Internetseite des Weltwirtschaftsforums (WEF) als deutscher Finanzminister geführt wurde. Ein Screenshot von der WEF-Website vom 8. November soll beweisen, dass die Personalie schon länger festgestanden haben müsse. Tatsächlich wurde die Personalie jedoch bereits einen Tag früher offiziell bekannt.
"Bei großen Ereignissen - und zweifelsohne ist ein Koalitionsbruch ein solches - haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur", sagt Lena Frischlich, Associate Professorin am Digital Democracy Centre der Universität von Süddänemark, dem ARD-faktenfinder. Diese erklärten aktuelle, historische und zukünftige Ereignisse durch das geheime Handeln mächtiger Personen und Institutionen, wobei sie zum eigenen Wohl und gegen das Gemeinwohl handelten.
Oft käme hinzu, dass ihnen unrealistische Macht zugeschrieben werde, insbesondere was die Geheimhaltung angehe, erklärt die Medienpsychologin. Hier müsste also der "Schattenmann" nicht nur mit niemandem geredet haben, sondern auch Lindner und alle seine Beraterinnen und Berater so kontrolliert haben, dass diese das umstrittene Positionspapier, das letztendlich zum Eklat führte, geschrieben oder zumindest gebilligt haben.
Raunen um Tätigkeit als Investmentbanker
Die Tatsache, dass Kukies für die Investmentbank Goldman Sachs tätig war, wurde zum Anlass genommen, diesem sinistre Absichten zu unterstellen. "Ich vermute, dass die Verschwörungstheorie des 'Great Reset' im Hintergrund steht, deren Strippenzieher ja der WEF-Gründer Klaus Schwab sein soll", sagt Michael Butter der an der Universität Tübingen zu Verschwörungstheorien forscht, gegenüber dem ARD-faktenfinder. "Da lassen sich die aktuellen Personalrochaden halt leicht andocken."
Der Tweet mache sich gar nicht erst die Mühe auf Quellen zu verlinken, so Frischlich. Man könne von Investment-Banking halten, was man wolle, "aber dass ein Finanzbeamter aus dem Banking- und Investmentbereich kommt, ist erst mal nicht verwunderlich oder Beleg dafür, dass derjenige 'uns', wer auch immer das ist, das Geld aus der Tasche zieht".
An solchen Tweets könne man gut erkennen, wie versucht werde, existierende Verschwörungsmythen zu nutzen, um Reichweite zu generieren und Misstrauen zu schüren, sagt Frischlich. "Auch scheint mir hier doch ein größeres Unverständnis vorzuliegen, was ein Finanzminister 'alleine' entscheiden kann, und wie parlamentarische Prozesse ablaufen."