ARD-DeutschlandTrend Klimawandel als wichtigstes Problem
Laut ARD-DeutschlandTrend wollen 44 Prozent mehr Tempo beim Klimaschutz, der Klimawandel gilt als größtes Problem. Die Grünen verlieren bei ihrem Kernthema aber an Vertrauen - die Ampel wird schlecht bewertet wie nie.
Da ist dieser offene Brief an Olaf Scholz, in dem Hunderte Vertreter aus Parteien, Wissenschaft und Gesellschaft den Bundeskanzler auffordern, mehr für den Klimaschutz zu tun - sonst drohe der "Verlust unserer Kontrolle über die menschengemachte Klimakrise". Damit treffen die Unterzeichner offenbar den Nerv vieler Menschen im Land: Der aktuelle ARD-DeutschlandTrend von Infratest dimap hat offen nach dem derzeit wichtigsten und zweitwichtigsten Problem gefragt, um das sich die deutsche Politik vordringlich kümmern muss.
Addiert nennen so insgesamt 26 Prozent Umweltschutz und Klimawandel (+9 Punkte im Vergleich zu Januar). Nur noch an zweiter Stelle folgt der Ukraine-Krieg mit 25 Prozent (+1). An Bedeutung zugenommen hat für die Bürgerinnen und Bürger das Thema Zuwanderung und Flucht (19 Prozent, +6), an Bedeutung abgenommen hat hingegen nach dem Winter der Komplex Energiepolitik/Energiewende (17 Prozent; -2 Punkte).
Es folgen mit unveränderten Werten der Umgang mit Preissteigerungen (14 Prozent) und das Thema soziale Ungerechtigkeit und Armut (13 Prozent).
Über das Thema Klimaschutz war innerhalb der Ampelregierung zuletzt heftig gestritten worden - heraus kam dabei vergangene Woche ein "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung". Wie blicken die Deutschen auf diesen Ampelkompromiss und grundsätzlich auf die Klimapolitik der Bundesregierung?
44 Prozent geht es beim Klimaschutz nicht schnell genug
Gut vier von zehn Deutschen geht es beim Klimaschutz nicht schnell genug: 44 Prozent wünschen sich hier schnellere Veränderungen. Nach Meinung von 27 Prozent gehen diese dagegen bereits zu schnell. Eine Minderheit von 18 Prozent empfindet die Geschwindigkeit beim Klimaschutz als gerade richtig.
Insbesondere die Grünen-Anhänger wünschen sich schnellere Veränderungen, damit die Bundesregierung ihre Klimaziele erreicht: Drei Viertel von ihnen (76 Prozent) äußern sich in diesem Sinne. Aber auch bei den Anhängerinnen und Anhängern der Koalitionspartner SPD (50 Prozent) und FDP (48 Prozent) erwartet jeder Zweite mehr Tempo beim Klimaschutz.
Anders sieht es bei der Opposition im Bundestag aus: Einer relativen Mehrheit der Anhänger von Union (45 Prozent) und AfD (50 Prozent) gehen die Veränderungen zu schnell.
Differenzierter Blick auf konkrete Maßnahmen
Trotz dieses grundsätzlichen Veränderungswillens blicken die Deutschen zum Teil kritisch auf die vergangene Woche im Koalitionsausschuss beschlossenen Maßnahmen zu Klima, Energie und Verkehr.
Zum Beispiel beim Thema Heizungen: Hier sollen ab dem kommenden Jahr in Deutschland neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Um Eigentümer und Mieter nicht zu überlasten, soll es Ausnahmen, Übergangsregelungen und finanzielle Förderungen geben. Diese beschlossenen Regelungen zum Einbau neuer Heizungen ab 2024 bewerten vier von zehn Wahlberechtigten (40 Prozent) als angemessen. Für 43 Prozent dagegen gehen sie zu weit. Jedem Zehnten (10 Prozent) gehen sie nicht weit genug.
Der Koalitionsausschuss hat zudem beschlossen, dass Sektorziele zum Ausstoß von CO2 künftig übergreifend betrachtet werden sollen. So soll es nach Plänen der Bundesregierung künftig möglich sein, dass ein Bereich wie Energie, Gebäude und Verkehr seinen CO2-Ausstoß weniger stark senkt als vorgegeben, wenn ein anderer Bereich das ausgleichen kann. Diese Änderung halten 45 Prozent für falsch, 38 Prozent halten sie für richtig.
Mehrheit gegen Verbrenner-Aus
Einigkeit herrscht beim angepeilten schnelleren Ausbau des Schienennetzes. Dieser geht für 87 Prozent in die richtige Richtung, für acht Prozent in die falsche Richtung. Auch eine schnellere Umsetzung bereits beschlossener Autobahnprojekte findet mehrheitliche Unterstützung (56 Prozent); jeder Dritte (32 Prozent) lehnt das ab. Eine geplante Erhöhung der Lkw-Maut wird zu etwa gleichen Teilen befürwortet (43 Prozent) wie abgelehnt (45 Prozent).
Dass die EU eine Zulassung von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, die fossile Kraftstoffe benötigen, ab dem Jahr 2035 verbieten möchte, unterstützt gut jeder Dritte (36 Prozent); eine Mehrheit (55 Prozent) lehnt diese Maßnahme indes ab.
Grüne büßen an Vertrauen ein
Das Thema Klimaschutz war bislang immer der Bereich, in dem die Grünen die höchste Kompetenzzuschreibung genossen haben. Auch jetzt traut jeder dritte Deutsche (32 Prozent) am ehesten den Grünen zu, eine gute Klima- und Umweltpolitik zu betreiben. Doch das sind beim Kernthema der Partei 15 Prozentpunkte weniger als noch im September 2022.
CDU/CSU trauen am ehesten 13 Prozent eine gute Klima- und Umweltpolitik zu (+3). Neun Prozent sagen das von der SPD (+4), jeweils vier Prozent von der FDP (+/-0) und der AfD (+1). Zwei Prozent nennen in dieser Frage die Linke (+/-0), ebenfalls zwei Prozent eine andere Partei (-1). Deutlich gestiegen ist der Anteil jener, denen für eine gute Klima- und Umweltpolitik keine Partei einfällt: Aktuell sagt das ein Drittel der Deutschen (34 Prozent, +8).
FDP laut Befragten am durchsetzungsstärksten
Der aktuelle ARD-DeutschlandTrend wollte auch wissen, welche der drei Ampelparteien sich in der bisherigen Regierungsarbeit am stärksten durchgesetzt hat. Die FDP wird von 30 Prozent der Bürgerinnen und Bürger genannt und liegt damit an erster Stelle. 26 Prozent der Befragten geben an, dass sich die Grünen in der bisherigen Regierungsarbeit am stärksten durchsetzen. Die SPD liegt mit 21 Prozent an dritter Stelle. 23 Prozent trauen sich bei dieser Frage kein Urteil zu.
Interessant ist, diese Frage nach Parteianhängern aufzusplitten: So findet eine relative Mehrheit von 42 Prozent der SPD-Anhänger, dass sich ihre Partei bislang am stärksten in der Ampelkoalition durchgesetzt hat. Bei den FDP-Anhängern zeigt sich ein ausgeglichenes Bild: 32 Prozent finden, dass sich ihre Partei am stärksten durchgesetzt hat; 31 Prozent sagen dies von den Grünen, 17 Prozent von der SPD.
Und bei den Grünen-Anhängern findet eine Mehrheit von 52 Prozent, dass sich die FDP am stärksten bei der bisherigen Regierungsarbeit durchgesetzt hat.
Zufriedenheit mit Regierung auf Rekordtief
Mit der Arbeit der Bundesregierung ist eine Mehrheit von 71 Prozent weniger bis gar nicht zufrieden (+6 im Vgl. zu März). Nur 27 Prozent der Wahlberechtigten geben an, zufrieden oder gar sehr zufrieden zu sein (-6). Damit sinkt die Zufriedenheit mit der Bundesregierung auf einen neuen Tiefstwert in der aktuellen Legislaturperiode.
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Kanzlerpartei SPD aktuell weiterhin auf 18 Prozent (+-0 im Vgl. zu März). Die Union aus CDU und CSU verliert leicht, wäre aber mit 30 Prozent (-1) weiterhin stärkste Kraft. Die Grünen liegen bei 17 Prozent (+/-0) und lägen weiterhin knapp hinter der SPD an dritter Position.
Die FDP verbessert sich um einen Punkt und kommt aktuell auf sieben Prozent. Die AfD könnte mit 15 Prozent (+1) rechnen. Die Linke kommt im April auf lediglich vier Prozent (-1) und würde damit den Einzug in den Bundestag verpassen. Auf alle weiteren Parteien entfallen unverändert neun Prozent.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 03. bis 05. April 2023
Fallzahl: 1304 Befragte (777 Telefoninterviews und 527 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.