Agrarpaket Berechtigte Enttäuschung der Bauern
Kurz vor dem heutigen Beginn des Bauerntags haben sich SPD, Grüne und FDP auf ein Agrarpaket geeinigt. Damit haben sie ihr Versprechen eingelöst. Doch der Bauernpräsident ist nicht zufrieden.
Laute Buhrufe, Pfiffe und wütendes Zwischengeschrei: So wurde Cem Özdemir bei der zentralen Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin während der Bauernproteste empfangen. Das war vor einem halben Jahr.
Zwar haben sich die Gemüter seither abgekühlt, doch der Frust über die Kürzungen beim Agrardiesel sitzt bei den Landwirten nach wie vor tief. Der Bundeslandwirtschaftsminister sollte daher nicht mit einem allzu herzlichen Empfang rechnen, wenn er am Donnerstag auf dem Deutschen Bauerntag in Cottbus spricht.
Dabei hat die Ampelkoalition gerade noch rechtzeitig vor dem wichtigen Jahrestreffen der Branche ihr Versprechen eingelöst. Ursprünglich schon für das Frühjahr angekündigt, haben sich SPD, Grüne und FDP am Dienstag auf ein sogenanntes Agrarpaket geeinigt. Es soll die Landwirte entlasten und zumindest einen Teil dessen kompensieren, was die Landwirte durch die Streichung der Steuerrückerstattung beim Agrardiesel nun weniger in der Tasche haben - und das ist auf die ganze Branche berechnet fast eine halbe Milliarde Euro jährlich.
Paket oder Päckchen?
Tatsächlich klingt das Maßnahmenpaket zunächst auch nach einem wirklich guten Wurf, wie es FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnet: flexiblere Besteuerung beim Einkommen, Abbau bürokratischer Hürden, zusätzliche Förderung der Weidetierhaltung, Stärkung der Landwirte in der Wertschöpfungskette und erneutes Aussetzen bei der Flächenstilllegung. Doch reichen diese Maßnahmen tatsächlich für eine "zukunftsfeste Landwirtschaft" aus, wie es SPD, Grüne und FDP in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung behaupten?
Das Urteil des Bauernpräsidenten fällt vernichtend aus. Joachim Rukwied spricht von einem Päckchen statt von einem Paket. "Längst überfällig, aber Lichtjahre von dem entfernt, was wir als Landwirte an Entlastungen brauchen", sagt er. Seine Reaktion zeigt, dass die Bauern nach wie vor eine gleichwertige Kompensation für die Streichung beim Agrardiesel erwarten.
Doch wenn die Ampelkoalition in Berlin dazu bereit wäre, dann hätte sie sich den ganzen Ärger auch gleich sparen können. Ziel war es schließlich, Geld zu sparen und nicht einfach nur umzuschichten.
Tarifglättung als Trostpflaster
Das zeigt sich dann auch bei genauerer Betrachtung der nun beschlossenen Entlastungsmaßnahmen. So sollen die Bauern ihre Gewinne und Verluste über einen Zeitraum von drei Jahren aufteilen können, um so steuerliche Nachteile auszugleichen. Diese sogenannte Tarifglättung bei der Einkommenssteuer kostet Bund und Länder nach Berechnungen des Finanzministeriums 150 Millionen Euro verteilt auf drei Jahre - insgesamt also eher ein Trostpflaster verglichen mit dem, was der Fiskus beim Agrardiesel hinzugewonnen hat.
Deshalb hätten sich die Landwirte auch noch eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage gewünscht. Dadurch hätten sie auf einer Art Extrakonto Geld für schlechte Zeiten zurücklegen können, also zum Beispiel, wenn wie bei der Flut im Ahrtal Ernten wegbrechen.
Noch vor fünf Jahren hatten die Liberalen eine solche Rücklage in der Opposition gefordert und dies damit begründet, dass echte Risikovorsorge nicht erst in der Krise, sondern davor beginne. In Zeiten schwieriger Haushaltsverhandlungen ist es dem FDP-Finanzminister nun aber wohl zu teuer und die Risikoausgleichsrücklage damit Geschichte.
Bürokratieabbau ist geduldig
Dann doch lieber dort ansetzen, wo es wenig kostet, aber beiden Seiten viel bringt - bei der Bürokratie. Fast 200 Streichkandidaten an unnötigen Nachweisen, Informations- und Dokumentationspflichten haben Bund und Länder zusammengetragen. Weniger Zeit am Schreibtisch bedeutet für den Landwirt mehr Zeit auf dem Feld und das wiederum bedeutet höhere Erträge. Zudem wird zugleich die Verwaltung in Bund und Ländern entlastet.
Was in der Theorie nach einem guten Deal klingt, muss sich in der Praxis jedoch oft erst noch beweisen. So mag man im Bundeslandwirtschaftsministerium aktuell noch nicht prognostizieren, was der Abbau bürokratischer Hürden den Landwirten konkret an finanziellen Vorteilen bringt.
Zumal noch gar nicht klar ist, wie viel denn nun tatsächlich gestrichen wird. Und ob an anderer Stelle durch neue oder geänderte Gesetze, wie zuletzt dem Tierschutzgesetz, Bürokratie auch wieder neu hinzukommt.
Streit um Direktzahlungen
Selbst die zusätzliche Förderung der Weidetierhaltung wirft zumindest Fragen auf. Von den Grünen gefordert, wollte der Bundeslandwirtschaftsminister ökologischen Maßnahmen wie das Halten von Kühen oder Schafen auf der grünen Wiese unterstützen.
Dafür wollte Özdemir die europäischen Agrarsubventionen anders verteilen. Konkret hatte er geplant, bei der sogenannten Basisprämie zu kürzen und dafür die Ökoprämie auszubauen. Die Landwirte hätten damit weniger Geld pauschal für ihre Flächen bekommen und mehr für das Erbringen ökologischer Leistungen. "Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen", nennt das der Minister.
Doch gegen diesen Plan lief der Bauernpräsident Sturm. "Die Direktzahlungen dürfen nicht angetastet werden", sagte Rukwied vor wenigen Tagen bei einer Pressekonferenz und fand damit offensichtlich Unterstützer in den Reihen der Ampelkoalition. Denn Özdemirs Plan liegt vorerst auf Eis. Die zusätzlichen Gelder für die Weidetierhaltung sollen von anderer Stelle kommen. Wie das gelingen soll, ohne dass wiederum an ganz anderer Stelle im Agrarhaushalt gespart werden muss, wollen SPD, Grüne und FDP erst noch klären.
Wenig Zählbares unterm Strich
Die Enttäuschung der Bauern erscheint deshalb berechtigt. Allerdings auch nur, weil die Ampelkoalition selbst eine Erwartungshaltung geweckt hat, der sie angesichts der schwierigen Haushaltslagen wohl nie gerecht werden konnte.
So versprachen SPD, Grüne und FDP nach den Bauernprotesten im Winter, sie würden der Landwirtschaft eine echte Zukunftsperspektive aufzeigen wollen. Herausgekommen ist ein Agrarpaket, bei dem unter dem Strich wenig Zählbares stehen bleibt.