Krise in der Ampelkoalition Jetzt erstmal reden
Es wird eine Woche der Gespräche für die Ampel. Bedarf besteht angesichts der inzwischen existenziellen Krise genug. Los geht es in einer Dreierrunde aus Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck.
Dass es in der Ampelregierung kriselt, kam schon öfter vor. Doch seit Ende der vergangenen Woche steht zunehmend die Frage im Raum: Können die Koalitionspartner noch einen gemeinsamen Kurs halten? Oder steht das Regierungsbündnis vor dem Bruch? Um das zu verhindern, soll nun vor allem eines helfen: miteinander zu reden.
Schon am Sonntagabend kam Bundeskanzler Olaf Scholz mit Bundesfinanzminister Christian Lindner im Kanzleramt zusammen. Wie das Treffen lief, wurde hinterher nicht bekannt. Doch schon heute sollen die Beratungen weitergehen, gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, sind sogar zwei bis drei dieser Dreierrunden geplant.
Und am Mittwoch soll dann der Koalitionsausschuss zusammenkommen, dem neben den Parteichefs von SPD, Grünen und FDP auch die Vorsitzenden der jeweiligen Bundestagsfraktionen angehören.
Geteilte Gipfel und ein Grundsatzpapier
Schon ohne den schwelenden Streit zwischen den Ampelpartnern gäbe es genügend Diskussionsstoff für die Regierungskoalition. In anderthalb Wochen steht die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags an, in welcher über den Haushaltsentwurf der Ampel entschieden werden soll. Und in dem klafft nach wie vor ein Milliardenloch, das es zu stopfen gilt.
Und dann das Thema Wirtschaft. Eine anhaltend hohe Inflation und laut Prognose der Bundesregierung wird 2024 zum zweiten Rezessionsjahr in Folge. Alle Parteien der Ampel wollen wieder neuen Schwung in die Wirtschaft bringen - nur auf unterschiedlichen Wegen. Das hatte den derzeitigen Streit auch ausgelöst. Am vergangenen Dienstag sprachen sowohl Lindner als auch Scholz mit Wirtschaftsvertretern - aber nicht gemeinsam, sondern jeder auf einem eigenen kleinen Gipfel. Der Kanzler kündigte anschließend einen "Pakt für die Industrie" an, ohne dass konkret wurde, wie dieser aussehen soll.
Deutlich konkreter wurde hingegen die FDP. Am Freitag wurde ein Grundsatzpapier von Parteichef Lindner öffentlich, durch Indiskretion, wie er selbst angab. Darin Forderungen, wie die Wirtschaft nach vorn gebracht werden soll - etwa durch Steuersenkungen für Unternehmen, Lockerungen der Klimavorgaben und die Reduzierung von Subventionen und Sozialleistungen. Schon heute will Lindner erneut mit der Wirtschaft reden, auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr soll an den Beratungen teilnehmen.
"Woche der Entscheidungen" für die Ampel
Die Union sieht in Lindners Grundsatzpapier schon die Scheidungsurkunde für die Ampel. In der Koalition selbst will niemand von einem Bruch sprechen. Von einer "Woche der Entscheidungen" stehe die Koalition, so formulierte es der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil im Bericht aus Berlin. Über die Vorschläge Lindners könne geredet werden, einige Gesetze könnten eventuell auch neu verhandelt werden.
Doch Klingbeil zieht auch klare Grenzen: "Wenn da am Ende aber das durchschimmert, was Herr Lindner schon 500 Mal vorgeschlagen hat und was wir schon 500 Mal abgelehnt haben, nämlich dass die reichen Leute in diesem Land noch mehr Geld in der Tasche haben, dann werden wir diesen Weg nicht mitgehen."
Und auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sieht noch Chancen für das Regierungsbündnis. "Ich halte nichts davon, jetzt hier in irgendeiner Form ein Ende an die Wand zu malen", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Die Koalition habe "eine verdammte Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten", daher brauche es eine stabile Bundesregierung, die sich nicht streite wie in den vergangenen Wochen. "Deswegen: Alle müssen sich am Riemen reißen. Und: Weglaufen gilt nicht", mahnte Miersch.
Wesentlich skeptischer äußerte sich der SPD-Politiker und frühere Außenminister Sigmar Gabriel. Dass die Ampel nicht zerbricht, führte er in der ARD-Sendung Caren Miosga weniger auf deren Kompromissfähigkeit zurück. "Ich glaube, dass die alle vor einer Sache Angst haben: Das sind Neuwahlen", so Gabriel. Dabei befinde sich die Koalition bereits im Vorwahlkampf. Jeder bringe etwas an die Öffentlichkeit, ohne in die Ressortabstimmung zu gehen.
FDP will kein Aus, aber auch kein Weiter so
Lindner selbst verteidigte seine Standpunkte in der ZDF-Sendung BerlinDirekt. Er habe nicht etwa der Regierung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Vielmehr hätten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert. Darauf gelte es nun angemessen zu reagieren. "Denn: So wie die Wirtschaft ist, darf sie nicht bleiben", sagte Lindner.
Auch FDP-Fraktionschef Dürr machte vor dem Spitzengespräch mit Wirtschaftsvertretern nochmals Druck. Deutschland stehe in diesem Herbst "vor einer Richtungsentscheidung", mahnte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Bundesrepublik habe jedes Potenzial, wieder zu Wachstumsstärke zurückzukommen. "Die Frage, die sich jetzt noch stellt, ist: Haben wir den Mut zu großen Reformen? Wir brauchen Ergebnisse, die effektiv in den Betrieben ankommen, damit wieder investiert wird", so Dürr.
Die FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann stellte sich hinter Lindners Grundsatzpapier. "So wie bisher können wir nicht weitermachen", betonte sie im Interview mit dem rbb. Doch die Punkte im Papier, das seien "Maximalforderungen" - mit Verhandlungsspielraum.
Im Ringen um den richtigen Weg legt sich die Ampel aus Sicht von Strack-Zimmermann selbst Steine in den Weg. "Wir haben eine Regierung, die sich extrem schwertut miteinander", sagte sie weiter. Trotzdem wolle ihre Partei weiterhin Teil der Koalition bleiben: "Die FDP ist mit an der Regierung und möchte auch etwas bewirken für Deutschland."
Auflösung der Koalition wäre aus Sicht der CDU "echte Erlösung"
Dass die Ampel sich im Miteinander schwertut, das sieht auch die Union so. Und drängt auf ein Ende dieser aus ihrer Sicht längst zerbröckelnden Regierung. "Es wäre jedenfalls eine echte Erlösung für Deutschland, wenn diese Ampel endlich endete", sagte CDU-Politiker Jens Spahn vor der Sitzung der Spitzengremien seiner Partei in Berlin. Gerade mit Blick auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl in den USA und einem möglichen Sieg von Donald Trump brauche es eine stabile Bundesregierung. Doch die Ampelkoalition sei "alles andere als stabil", betonte Spahn: "Jeder Tag weniger Ampel ist ein guter Tag für Deutschland."
Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei rechnet bereits damit, "dass diese Koalition diese Woche nicht überleben wird". Die Ampel sei nicht handlungsfähig und inzwischen so zerrüttet, "dass es bei keinem relevanten Thema Einigkeit gibt, dass völlig unterschiedliche Positionen vertreten werden". Deswegen wäre das beste Zeichen der Stabilität, wenn die Koalition den Weg frei machen würde für eine Neuwahl.