Ausgleich von DDR-Renten Gerechtigkeitsdilemma der Ostländer
Mit dem Ende der DDR verloren Hunderttausende Menschen einen Teil ihrer Rentenansprüche. Einigen soll nun ein Härtefallfonds helfen. Die Ostbundesländer finden den zwar richtig, manche verweigern aber die Unterstützung.
Ein Härtefallfonds für ehemalige DDR-Bürgerinnen und -Bürger sorgt für Diskussionen in den ostdeutschen Ländern. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Bundesländer dem Fonds des Bundes beitreten. Das würde die Auszahlungen an Betroffene verdoppeln, jedoch Zuschüsse in zweistelliger Millionenhöhe fordern. Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen wollen diese leisten. Anderswo stehen die Zeichen hingegen auf Ablehnung.
Bislang gebe es "keine akzeptable Lösung", sagte etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Dabei läuft die Frist zum Beitritt der Länder nach bisherigen Angaben Ende März aus.
Jahrelanges Warten
Beim Übergang in die Bundesrepublik haben zahlreiche DDR-Bürgerinnen und -Bürger einen Teil ihrer Rentenansprüche verloren. Schätzungsweise sind 500.000 Menschen betroffen. Einige hatten versucht, vor dem Bundesverfassungsgericht eine Angleichung zu erreichen. Karlsruhe untersagte das. Der Rechtsweg gilt als ausgeschöpft. Planungen für eine Abhilfe wurden erst 2021 begonnen, über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Ein Teil der Betroffenen soll nun zumindest eine Einmalzahlung von 2500 Euro erhalten. Dazu gehören ehemalige Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn oder im DDR-Gesundheits- und Sozialwesen. Auch in der DDR geschiedene Frauen können in bestimmten Fällen das Geld erhalten. Antragsberechtigt ist aber nur, wer 2021 eine Netto-Monatsrente von 830 Euro oder weniger erhielt. Festgelegt hat all das der Bund.
Der Fonds steht zudem auch Menschen offen, die als Spätaussiedler oder jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland kamen. Der Bund geht davon aus, dass bis zu 190.000 Menschen anspruchsberechtigt sind, 50.000 bis 70.000 davon mit DDR-Ansprüchen. Leben sie in einem Bundesland, das dem Fonds beigetreten ist, erhöht sich die Zahlung auf 5000 Euro. Anträge können bereits gestellt werden.
Haseloff beklagt Sonderaufgaben
Während einer Regierungsbefragung im Landtag von Sachsen-Anhalt bemängelte Haseloff die engen Regelungen. "Wir sind nicht bereit, für zehn Prozent etwas zu machen, wenn 90 Prozent sagen: Und was ist mit uns?", so Haseloff. Er wolle soziale Härten für alle abfedern. Entsprechend werden vorerst keine 36 Millionen Euro vom Land bereitgestellt.
Von den oppositionellen Grünen wurde Haseloff dafür vorgeworfen, auf eine "biologische Lösung" des Problems zu warten. Die über 70-jährigen Betroffenen würden sterben, bevor über die Hilfen entschieden sei. "Sie brauchen ein klares Zeichen", selbst wenn es insgesamt nur ein kleines wäre, so Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann.
"Nicht der Rechtsnachfolger der DDR"
Haseloffs Unmut entzündet sich an zwei weiteren Punkten. Als ostdeutsche Bundesländer "sind wir nicht der Rechtsnachfolger der DDR", so Haseloff. Rentenrecht sei Bundesrecht. So sieht es auch die Betroffenenvertretung "Runder Tisch Rentengerechtigkeit".
Schon heute stemmen die ostdeutschen Bundesländer Sonderleistungen für die Rentenkasse. Um ehemalige DDR-Sonder- und Zusatzrenten abzusichern, zahlten sie zuletzt jährlich rund 2,5 Milliarden Euro an den Bund. Bund und Ost-Länder teilen sich die Kosten. Der Bund hat schrittweise größere Anteile übernommen.
Haseloff verwies in dem Zusammenhang darauf, dass kein westdeutsches Bundesland bislang dem Härtefallfonds beigetreten ist. Der sollte zudem ursprünglich größer ausfallen. Als die damalige schwarz-rote Koalition im Bund das Vorhaben 2021 auf den Weg brachte, wollte sie noch eine Milliarde Euro in den Topf geben. Bedingung dafür war, dass die Länder die gleiche Summe einzahlen würden. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden.
Die neue Koalition aus SPD, Grünen und FDP beschloss dann 2022, den Fonds auf 500 Millionen Euro zu begrenzen. Offiziell wollte man so "eine politische Verständigung mit den Ländern erleichtern", heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag. Die Länder können nun freiwillig beitreten.
Diskussionen auch in Brandenburg und Sachsen
Mit dieser Lösung ist auch die CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen unzufrieden. Dort scheiterte vergangene Woche ein Antrag auf einen Beitritt des Freistaates in den Fonds. Zwar erklärten Vertreterinnen von AfD, SPD und Grünen Unterstützung für die Forderung der Linksfraktion. Dresdens schwarz-rot-grüne Koalition stimmte aber aufgrund der CDU-Haltung dagegen.
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hat dennoch am Mittwoch beim Landesfinanzministerium den Beitritt ihres Landes zum Fonds beantragt. Der "Sächsischen Zeitung" sagte Köpping, sie halte den Schritt weiterhin für "eine gute, wenn auch kleine Lösung, die Sachsen gut zu Gesicht stehen würde". Das sächsische Kabinett solle nochmals kurzfristig beraten.
In Brandenburg berät der Landtag am Freitag über einen möglichen Beitritt. Auch hier stellte die Linksfraktion den entsprechenden Antrag. Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, der mit CDU und Grünen regiert, lehnt einen Beitritt aus ähnlichen Gründen wie sein Kollege in Sachsen-Anhalt ab.
Haseloff will nachverhandeln
Eine Beteiligung zugesagt hat die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern unter Führung von Manuela Schwesig (SPD). Der Landtag hat 25 Millionen Euro bereitgestellt.
Auch Thüringens Landesregierung will dem Fonds beitreten. Die entsprechenden 35 Millionen Euro könnten aber erst 2024 geleistet werden, wenn die Minderheitsregierung von Bodo Ramelow (Die Linke) dafür eine Mehrheit im Landtag findet.
Reiner Haseloff setzt derweil auf Nachverhandlungen. Staatsministerin Sarah Ryglewski habe ihm die Zusage gegeben, dass Länder auch nach dem 31. März noch dem Fonds beitreten können, sagte Haseloff. Ryglewski ist im Bundeskanzleramt für die Bund-Länder-Abstimmung zuständig.