Rentenpaket II im Kabinett Eine Frage des Vertrauens
Das Kabinett hat nach monatelangen Diskussionen das Rentenpaket II beschlossen. Dadurch soll das Rentenniveau bei 48 Prozent stabil bleiben und ein Generationenkapital aufgebaut werden. Kritiker bezeichnen das Paket als nicht generationengerecht.
Christian Lindner sitzt auf einen hellblauen Papphocker. Die Veranstaltung ist fast vorbei, aber jetzt will er auch noch etwas sagen. Es geht um das Rentenrecht, und da ist er voll auf SPD-Linie: "Ich möchte mich einfach bei Herrn Heil bedanken für die tolle Arbeit! Das Rentenrecht hat sich wirklich super entwickelt!"
Um Lindner herum hocken rund 130 Bürgerinnen und Bürger. Es ist Montagabend, ein Diskussionsformat mit Arbeitsminister Heil. Der freut sich diebisch über den Mann aus Bautzen - ein Rentenberater mit ausgerechnet dem gleichen Namen wie der FDP-Chef: "Ich würde Sie am liebsten mitnehmen nach Berlin. Dann könnten Sie den anderen Christian beraten in rentenpolitischen Fragen!"
Rund 40 Stunden sind es da noch, bis das Bundeskabinett über das Rentenpaket berät. Heil gegenüber sitzt heute der Bundesfinanzminister. Der echte Christian Lindner, sozusagen. Das Rentenpaket ist ihr gemeinsames Projekt. Monatelang haben sie darüber gerungen, bei beiden steckt darin ein Herzensanliegen.
Das Rentenniveau soll nicht unter 48 Prozent fallen
Der SPD geht es um die Haltelinie beim Rentenniveau - für die Partei ist das Teil ihres sozialen Markenkerns: Es soll bei mindestens 48 Prozent bleiben bis 2039. Ohne die Reform würde das Rentenniveau auf 45 Prozent sinken, hat die Rentenversicherung ausgerechnet. Und damit es klappt, dass die Rentner mehr Geld bekommen, müssen laut Rentenversicherung entweder die Beiträge steigen oder der Staat mehr Steuergelder zuschießen - oder beides.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Renten nicht langsamer steigen sollen als die Löhne. Das heißt: Der Nachhaltigkeitsfaktor wird dauerhaft außer Kraft gesetzt. Er hätte die Rentenerhöhung 2024 beispielsweise um 0,16 Prozentpunkte gedämpft, rechnet die Rentenkasse. Denn er sollte dafür sorgen, dass Rentner- und Beitragszahler-Generation sich die Kosten der demografischen Entwicklung teilen. Ihn störe, sagt Heil dazu in Bautzen, "was ich in der Rentendebatte jeden Tag lese: Ihr macht ein Rentenpaket zu Lasten der Jüngeren." Das sei so nicht wahr.
Lindner: Reform überfällig
Florian Maier ist einer derjenigen, die es zahlen müssen. Für den Studenten ist die Rente noch mindestens 43 Jahre hin. Unwirklich fern. Er ist Vorsitzender des Börsenvereins an der Uni Darmstadt. Wenn es ans Fachsimpeln über Aktien und Anlegen geht, dann kommt Leben in seine Stimme. Aber die Rente? Er überlegt ein wenig. "Mein Vertrauen ist groß", sagt er dann. In 43 Jahren könne sich noch viel ändern. Und: Es gebe viele Leute, die sehr lange und auch viel gearbeitet hätten - im Vertrauen auf eine bestimmte Rente. "Wenn da jetzt das Rentenniveau abgesenkt würde, das fände ich auch nicht fair", sagt er und setzt darauf, dass langfristig ein Gegensteuern bei den Beiträgen möglich ist.
Wie das gehen könnte, erzählt Finanzminister Lindner gern, gerade vor Studenten. Vor ein paar Tagen springt er auf das Podium in der Humboldt-Universität Berlin. Er ist 15 Minuten zu spät. So, wie auch die Reparaturarbeiten am Rentensystem, sagt Lindner: "Man hätte es vor 25 Jahren schon tun sollen, aber der zweitbeste Zeitpunkt ist heute."
Das Rentenpaket II - nicht generationengerecht?
Ihm geht es um das Herzensanliegen der FDP. Der Staat soll eine Stiftung namens "Generationenkapital" gründen. Sie bekommt jährlich zwölf Milliarden Euro, finanziert aus Schulden. Das Geld soll die Stiftung am Aktienmarkt anlegen, so soll das Gesamtkapital bis 2036 auf die Summe von 200 Milliarden Euro anwachsen. Ab 2040 soll die Stiftung jährlich zehn Milliarden Euro Rendite an die Rentenkasse überweisen. Laut deren Schätzung wird das den Anstieg des Beitrags um 0,4 Prozentpunkte mildern.
Das Paket ist selbst in der FDP nicht unumstritten. Der stellvertretende Vorsitzende Johannes Vogel nannte es "nicht generationengerecht". Er schlug eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild vor, bei der jeder Arbeitnehmer verpflichtend einen Teil seiner Beiträge in Aktien anlegen muss. Aber das ist mit der SPD wohl nicht zu machen, die Beitragsgelder nicht in Aktien sehen will. Lindner jedenfalls verweist auf dem Podium der Uni in Berlin auf das Erreichte. Eine "historische Veränderung" sei das Generationenkapital: "Erstmals nutzen wir das Instrument der Kapitaldeckung in der ersten Säule unserer Altersversorgung."
"Jeder Paketshop ist solider finanziert als dieses Rentenpaket"
Für die Opposition ist das eine Vorlage: "Die Ampel zockt mit der Rente, weil die Aktien auf Pump finanziert werden", sagt CDU-Rentenexperte Kai Whittaker, der vor einigen Jahren ein aktienbasiertes Kinderrentengeld vorgeschlagen hatte. "Jeder Paketshop ist solider finanziert als dieses Rentenpaket."
Die Minister aber reden schon über die nächste Rentenreform. Heils Sozialministerium will mehr und stärkere Betriebsrenten, ein Fachdialog zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium sei mittlerweile abgeschlossen. Und Lindner kündigt eine Nachfolge der Riester-Rente an: private Aktiendepots mit steuerlicher Förderung. Vielleicht könne das schon im September im Parlament beraten werden, erklärt er den Studenten in Berlin.
Der Darmstädter Student Florian Maier will nicht auf staatliche Förderung warten. Sein Opa hat ihm zum 18. Geburtstag ein Aktiendepot geschenkt, quasi sein persönliches Generationenkapital. Hier zahlt er nun monatlich etwas ein, um später einen Puffer zu haben. Damit er vorbereitet ist, falls die Rente nicht reicht.