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Idee für mehr Investitionen Zweifel an Länder-Reform der Schuldenbremse

Stand: 07.12.2024 09:38 Uhr

Eine Lockerung der Schuldenbremse für die Länder könnte der Weg für eine Reform mit der Union sein. Doch Ökonomen und mancher Landespolitiker sind von der Idee nicht überzeugt.

Zumindest ist die Bremse der Debatte schon mal gelöst. In die Union, lange Zeit eine Verteidigerin der Schuldenbremse, ist Bewegung gekommen. Kanzlerkandidat Friedrich Merz zeigt sich, anders als noch vor Monaten, offen für eine Reform. Eine Idee aus Unionskreisen, die auch den Rückhalt von CSU-Chef Markus Söder genießt: Die Schuldenbremse soll für die Bundesländer gelockert werden.

Möglich wäre etwa, dass die Länder künftig 0,15 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts als Schulden aufnehmen dürfen, um wichtige Investitionen leisten zu können. Das ist ihnen bislang abseits von Notlagen wie der Corona-Pandemie verboten. Für den Bund gelten 0,35 Prozent. Eine solche Reform brächte rund 6,5 Milliarden Euro jährlich. Doch in der CDU hat sie nicht nur Freunde.

Vorbehalte in CDU bleiben

Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann sagte dem MDR, er sei weiterhin gegen eine Reform. Mehr Schulden einzuräumen, bedeute nur, "dass die nach uns kommende Generation ihre normalen Ausgaben hat und die Zins- und Tilgungslasten noch oben drauf hat", so Vorjohann.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte, "für eine gute Zukunft unseres Landes" sei es wichtig, in Infrastruktur, Wissenschaft und neue Technologien zu investieren. "Dafür müssen verfassungskonforme Lösungen gefunden werden", so der CDU-Politiker. Das gehe aber auch innerhalb der Schuldenbremse.

Laut Magdeburger Staatskanzlei drängt Haseloff darauf, zunächst Investitionsbedarfe zu ermitteln und dann die bestehenden Möglichkeiten der Schuldenbremse voll auszuschöpfen. Beispielsweise, indem eine Notlage erklärt würde, die dann neue Kredite ermöglicht. Andere, wie Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner, fordern offen eine Reform.

Ökonom Ragnitz: Nur mit Auflagen

Die Reaktionen von Ökonomen fallen ebenso verhalten aus. Jens Südekum, Berater des Bundeswirtschaftsministeriums und tätig an der Universität Düsseldorf, ist ein Befürworter einer Reform. Auf X schreibt Südekum aber zur Länder-Idee: "Jedem sollte klar sein, dass das hinten und vorne nicht reicht." Der Investitionsbedarf bei Infrastruktur, Bildung und Verteidigung sei um ein Vielfaches größer als die knapp 6,5 Milliarden Euro.

Am ifo Institut für Wirtschaftsforschung sehen sie eine Reform der Schuldenbremse kritisch. Das gilt auch für den neuen Vorschlag. Joachim Ragnitz vom ifo Dresden schreibt auf Anfrage, zwar gebe es durchaus Bedarf für Investitionen und Deutschland falle hier im internationalen Vergleich ab. Aber die Bundesländer trügen nur wenig zu den öffentlichen Investitionen bei, der Großteil entfalle im föderalen System auf die Gemeinden.

Der Investitionsrückstand auf Länderebene sei insgesamt "nicht so groß". "Insoweit gibt es nicht wirklich Grund, die Schuldenbremse für die Länder aufzuheben", so Ragnitz.

Er verweist auch auf die unterschiedlichen Schuldenstände. Länder mit hoher Verschuldung hätten eher eine niedrige Investitionsquote, weil sie mehr Geld für Zinsen und Tilgung aufbringen müssen. "Würde man denen jetzt eine noch höhere Verschuldung erlauben, würde sich dieses Problem ja noch verschärfen."

Die Schuldenlast in Deutschland ist sehr unterschiedlich verteilt. In Bayern ergeben die Schulden von Land und Kommunen rund 2.600 Euro pro Einwohner, in Bremen sind es rund 33.000 Euro. Der Stadtstaat erhält deshalb genau wie das Saarland bereits sogenannte Sanierungshilfen vom Bund. Auch Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben in der Vergangenheit solche Hilfen erhalten.

Sollte die Schuldenbremse dennoch für die Länder gelockert werden, plädiert Ökonom Ragnitz dafür, damit auch Vorgaben für Mindestinvestitionen einzuführen. Der Bund wiederum könnte zusätzliche Ausgaben für Transformation und Verteidigung mit Sondervermögen stemmen. Alles Weitere müsste über Priorisierungen im Haushalt, sprich: Kürzungen, finanziert werden.

Länder haben noch andere Möglichkeiten

Da die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert ist, braucht es für eine Reform eine Zwei-Drittel-Mehrheit jeweils im Bundestag und im Bundesrat. SPD, Grüne, Linkspartei und Bündnis Sahra Wagenknecht sind wahlweise für eine Lockerung oder Abschaffung der Bremse. Zusammen mit der Union wäre eine Änderung also denkbar.

Das SPD-geführte Mecklenburg-Vorpommern hatte bereits Ende November im Bundesrat die Forderung eingebracht, eine Anpassung für die Länder zu erreichen. Zudem solle ein "Sondervermögen Infrastruktur" vom Bund geschaffen werden, aus dem Bund und Länder Projekte finanzieren könnten.

Allerdings haben noch längst nicht alle Länder die bestehenden Spielräume ausgereizt. So ist es Bund und Ländern gestattet, auf eine Konjunkturflaute mit Aufnahme zusätzlicher Schulden zu reagieren, die dann bei einem Aufschwung wieder zurückzuführen sind. Darauf verzichtet aber etwa Sachsen. Eine Reform der besonders strikten sächsischen Finanzpolitik scheiterte im Frühjahr allerdings am Widerstand der regierenden CDU.

Neue Koalitionen machen nur teils Druck

Die angehende neue Minderheitskoalition aus CDU und SPD rüttelt auch weiterhin nicht an der Schuldenbremse des Freistaats. Bei der Vorstellung ihres neuen Koalitionsvertrags am Mittwoch sagte Michael Kretschmer aber: "Wir sind in einer finanziellen Notlage." Um den Haushalt konsolidieren zu können, soll deshalb die Tilgung von Krediten gestreckt und die Rücklagen für künftige Beamtenpensionen reduziert werden.

Kretschmer hatte im Landtagswahlkampf zwei Sondervermögen zu je 100 Milliarden Euro auf Bundesebene angeregt. Eines sollte der Infrastruktur der Bahn dienen, das andere dem Ausbau von Schulen, Kindergärten, Straßen und Krankenhäusern durch die Kommunen. Zu diesem Punkt und der Schuldenbremse auf Bundesebene gibt es jedoch keine Verständigung in Sachsen.

Ähnlich sieht es in Thüringen aus, wo sich CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD innerhalb der bestehenden Gesetze mehr finanzielle Möglichkeiten schaffen wollen. So soll die Tilgungszeit für Notlagenkredite wie etwa zu Corona-Zeiten verdoppelt werden, die Konjunkturbereinigung soll angepasst werden.

Am weitesten geht der Koalitionsvertrag von SPD und BSW in Brandenburg. Dort heißt es: "Die Schuldenbremse hat im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld den Realitätscheck nicht bestanden." Eine künftige Landesregierung werde sich deshalb für ihre Abschaffung einsetzen.

Das Fenster dafür könnte sich nach der Neuwahl im Bund auftun. Verknüpft würde die Debatte allerdings wohl mit einer zweiten: Als Bedingung für eine Reform nennt die CSU bislang noch Änderungen beim Länderfinanzausgleich. Der bringt den meisten Nehmerländern derzeit noch ein Vielfaches von dem Geld, das sie mit einer Schuldenbremsenlockerung an Krediten aufnehmen könnten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. Dezember 2024 um 07:04 Uhr.