Saskia Esken
analyse

Strategie für kommendes Jahr So will die SPD die Bundestagswahl gewinnen

Stand: 14.10.2024 16:29 Uhr

Mit Blick auf die Umfragen klingt es fast anmaßend, wenn die SPD davon spricht, die Bundestagswahl gewinnen zu wollen. Das war allerdings auch 2021 so. Mit welchen Punkten sie den Erfolg wiederholen will.

Eine Analyse von Torben Ostermann und Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

Vereint gegen Merz

Olaf Scholz gegen Friedrich Merz: Es dürfte zu dem Duell kommen, auf das sich viele in der SPD freuen. Schon jetzt sprechen führende Genossen von der "Merz-CDU" und möchten das nicht als Kompliment verstanden wissen. Die SPD wird alles tun, um den CDU-Vorsitzenden als Mann von gestern dastehen zu lassen, als einen Politiker ohne Regierungsverantwortung und ohne passende Antworten auf die Herausforderungen von morgen.

Die Strategie der SPD ist nachvollziehbar, birgt aber auch ein gewisses Risiko. Seit 1998 hat die SPD fast durchgehend mitregiert. Nur zwischen 2009 und 2013 war sie in der Opposition. Dementsprechend mitverantwortlich sind die Sozialdemokraten für den Zustand des Landes.

Mindestlohn: One more time

Wenn Scholz gefragt wird, welche Erfolge seine Regierung verbuchen kann, dann nennt er häufig die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro. Der Mindestlohn war schon 2021 ein zentrales Thema im Wahlkampf. Was einmal geklappt hat, klappt vielleicht auch zweites Mal, denken sich offenbar die Wahlkampfstrategen in der Parteizentrale.

Die Sache hat nur einen Haken. In Deutschland ist eigentlich eine Kommission für die Höhe des Mindestlohns zuständig, nicht die Regierung. Es war insofern ungewöhnlich und eher die Ausnahme, dass die von Scholz geführte Bundesregierung in die Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern eingegriffen hat. Und so wundert man sich nicht nur bei CDU darüber, dass die SPD wieder mit dem Mindestlohn in den Wahlkampf ziehen will. Merz hat jedenfalls schon deutlich gemacht, dass er über die Höhe künftig wieder die Kommission entscheiden lassen will.

Nicole Kohnert, ARD Berlin, zur SPD-Klausurtagung in Vorbereitung auf den Wahlkampf

tagesschau24, 14.10.2024 14:00 Uhr

Rente

Die SPD wirbt für stabile Renten, das komme vor allem Rentnerinnen und Rentner sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute. Sie pocht darauf, dass das sogenannte Rentenpaket 2 schnell im Bundestag verabschiedet wird - und sendet damit ein Signal an die FDP, die das gerade ausbremst. Was die SPD allerdings gerne verschweigt: Die Rentenbeiträge werden steigen, vor allem die jüngere Generation wird besonders belastet. Das sei nicht generationengerecht, kritisieren Rentenexperten. Das Rentensystem an sich werde nicht grundlegend reformiert, so die Kritik.

Seit Wochen streitet sich die SPD mit den Liberalen herum. Diese wollen das Rentensystem mit mehr Investitionen in den Aktienmarkt stabilisieren, am liebsten mit einer Aktienrente. Dadurch wären Arbeitnehmer direkt mit ihrer Rente am Aktienmarkt beteiligt. Doch derzeit sieht die Reform eine Stiftung vor, die Gelder vom Staat am Aktienmarkt investiert, und deren Erlöse sollen einen kleinen Teil des Rentensystems finanzieren.

Wirtschaft und steuerliche Entlastung

95 Prozent der arbeitenden Bevölkerung soll bei der Einkommensteuer entlastet werden. Die übrigen fünf Prozent sollen mehr zahlen. Wen das genau trifft, lässt sich der SPD nur schwer aus der Nase ziehen. Laut Parteivorsitzenden Saskia Esken seien das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Einkommen von 15.000 Euro, also laut SPD ein kleiner Teil der Beschäftigten. Doch wie genau das Steuersystem reformiert und vor allem gegenfinanziert werden soll, das soll noch erarbeitet werden.

Neu ist die Forderung nicht. Schon 2021 sprach Olaf Scholz, damals SPD-Kanzlerkandidat, davon, dass 96 Prozent der Bevölkerung weniger Steuern zahlen sollten. Jetzt sind es also 95 Prozent, die weniger zahlen sollten. Mit solchen Ideen konnten sie sich wohl die letzten drei Jahre nicht in der Ampelkoalition durchsetzen, vor allem nicht bei Finanzminister Christian Lindner. Fraglich, ob das in Zukunft gelingt.

Wirtschaftsexperten wie Veronika Grimm zweifeln an dem Steuer- und Wirtschaftspapier der SPD. Es sei nicht alles finanzierbar, was die Sozialdemokraten sich vorstellen. Gemeint sind damit mehr Förderungen und Investitionen für zum Beispiel E-Autos. Vereinzelt Branchen zu fördern, hält sie für ein falsches Signal, das führe zu Verunsicherung in der Wirtschaft.

Die Union wettert und spricht von einem Hoffnungs- und Wünschepapier. Der Mittelstand würde nicht berücksichtigt werden. Klar ist, dass die SPD mit ihrem Papier Industriearbeitsplätze sichern und Fälle wie den schwächelnden VW-Konzern verhindern möchte. Mit Superabschreibungen für Unternehmen kann das zum Teil gelingen, aber bisher ist es nur ein Konzept.

Arbeiter, Angestellte, Mittelschicht

Der Arbeiterpartei SPD sind in den vergangenen Jahren die Arbeiter weggelaufen. Tatsächlich haben einige sogar den Eindruck, die Partei kümmere sich zu sehr um Menschen ohne Job. Stichwort Bürgergeld. Für die SPD ist dieser Eindruck fatal.

Zwar konnte die Partei die Landtagswahl in Brandenburg gewinnen, ein Blick auf die Zahlen sollte den Verantwortlichen aber Sorgen machen. Bei Menschen mit Hauptschulabschluss oder Mittlerer Reife dominiert die AfD. Das war mal anders. Auch deswegen sprechen führende Genossen schon länger von der Bedeutung von Industriearbeitsplätzen, einem höheren Mindestlohn von 15 Euro und bezahlbarem Wohnraum. Alles nicht neu, alles schon gehört. Auch könnten sich enttäuschte Wählerinnen und Wähler fragen: Warum macht ihr das nicht, ihr stellt doch den Kanzler?

Torben Ostermann, ARD Berlin, tagesschau, 14.10.2024 16:49 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 14. Oktober 2024 um 17:00 Uhr.