SPD-Frühjahrstagung Reif für die Insel
Zwei Tage diskutieren Sozialdemokraten die künftige Parteilinie auf der Insel Norderney. Ihre Lösungsstrategien sind eine deutliche Botschaft an die FDP. Kann das der Kanzler durchsetzen?
Das sinkende Schiff SPD, ein Titanic-Vergleich, viel Gegenwind - davon wollen die vielen Sozialdemokraten am liebsten nichts hören, als sie auf der Fähre Richtung Norderney stehen und für ihre zweitägige Klausur auf die ostfriesische Insel fahren. Dennoch weht der Partei-Vorsitzenden Saskia Esken und dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich am Morgen ein eisiger Wind entgegen, als sie an der Reling der Fähre stehen.
Es wirkt fast so, als ob die Bundesregierung ihren Regierungssitz für zwei Tage auf die ostfriesische Insel verlegt, denn mit den Genossinnen und Genossen der großen Landesverbände der SPD aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen reisen auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in ihrer Funktion als SPD-Abgeordnete sowie der Arbeits-, Gesundheits- und Verteidigungsminister an.
Auch Kanzler Olaf Scholz kommt. Darum laufen die Sicherheitsvorkehrungen seit Tagen schon auf Hochtouren und sorgen bei dem einen oder anderen Insel-Bewohner für Kopfschütteln.
Die Lösung für den Haushaltsstreit
Bei Lachs und Krabbencocktail sind sich die Genossen einig, wie man die finanziellen Probleme der Zukunft löst und aus dem langwierigen Haushaltsstreit mit Finanzminister Lindner kommt. Es ist eine Art Wunschzettel - und der ist lang: Ein neues Sondervermögen für Verteidigung wird in einem SPD-Fraktionspapier gefordert.
Aber nicht nur für die Bundeswehr soll es mehr Geld geben, sondern auch für die innere Sicherheit, also auch für Innenministerin Nancy Faeser. Ein Deutschlandfonds - eine Kombination aus privatem und staatlichem Kapital soll für mehr Investitionen sorgen. Und die Reform der Schuldenbremse sowie eine Krisenabgabe für Vermögen wird gefordert.
"Dieser Staat muss investieren", erklärt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil und und verteidigt die Idee, die Schuldenbremse zu reformieren. Mit Sorge schaut er auf die Debatte um eine längere Lebensarbeitszeit. "Wenn in den Haushaltsverhandlungen irgendjemand auf die Idee kommt, nach 45 Jahren kann man nicht abschlagsfrei in Rente gehen, dem muss ich sagen, das machen wir nicht mit", droht Klingbeil.
Kein Sparen am Sozialstaat
Ganz neu seien diese Forderungen der SPD zwar nicht, räumt die SPD-Parteivorsitzende Esken gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio ein. Vieles sei schon auf dem Parteitag beschlossen und man wolle dem FDP-Finanzminister damit auch nicht ärgern. Aber die SPD wolle nun Lösungen aufzeigen, zahlreiche. Ein Sparen am Sozialstaat sei einfach nicht drin.
Man merkt den Sozialdemokraten an, wie sehr sie den Spagat schaffen wollen, dass sie auch alle sozialen Versprechen in ihrer Regierungszeit noch umsetzen wollen und bei den aktuellen Krisen mehr Geld für äußere und innere Sicherheit ausgeben müssen.
Müde von der FDP
Man merkt ihnen aber auch die Müdigkeit an, im ständigen Streit mit den Liberalen. Und immer wieder fällt der Satz, dass die FDP bremse, sie einfach frustriert seien und dass der Kanzler für eine Lösung nun Sorgen muss.
Scholz kommt extra mit dem Hubschrauber nach Norderney für gut eine Stunde, um die Genossen auch schon auf den Wahlkampf einzuschwören. Er meint, die SPD habe einen "Turnaround" beim sozialen Zusammenhalt schon hinbekommen.
Ein gute Stunde für gute Stimmung: Kanzler Scholz zählt bei der SPD-Frühjahrstagung Erfolge auf - und verspricht Besserung.
Der Kanzler zählt den Mindestlohn auf, das Wohngeld, das Kindergeld und den Kinderzuschlag - und macht auch beim Thema Rente eine klare Ansage. Die Genossen sollten sich nicht bei der Debatte um die Rente "beirren lassen". Da werde immer so getan, dass die Rente eine charmante Wohltat sei.
"Da haben die Menschen für eingezahlt, jahrelang. Das ist ein Vermögensrecht", sagt Scholz und verweist auf den Erfolg der SPD, das Rentenniveau stabil gehalten zu haben.
Applaus und Kritik
Viel Applaus erntet der Kanzler für solche Sätze. Allerdings bleibt Kritik nicht aus. So klagen die Genossen auch darüber, dass die soziale Mitte, die 25- bis 55-Jährigen enttäuscht sei von der SPD, weil immer noch Kita-Plätze fehlten, Pflegekräfte für Angehörige und sie sich nicht finanziell entlastet fühlten.
Der Kanzler verspricht, die Familien und ihre Lebenskonzepte wieder mehr in den Blick zu nehmen. Auch Ganztagsbetreuung an Schulen sei wichtig. Dann reist er so schnell wie er kam auch wieder ab von der Insel.
Zurück bleiben ein paar Sozialdemokraten, die nun hoffen, dass der Kanzler die vielen sozialen Versprechen von der Insel auch in Berlin durchsetzt.