Debatte über Rückkehr So ist die Lage von Syrern in Deutschland
Bereits kurz nach dem Sturz von Diktator Assad wird über die Zukunft von syrischen Geflüchteten in Deutschland diskutiert. Doch wie steht es um ihren Schutz? Und wie wahrscheinlich ist eine Rückkehr? Ein Überblick.
Wie viele Menschen aus Syrien leben in Deutschland?
Ende Oktober lebten laut dem Bundesinnenministerium 974.136 Menschen mit syrischer Herkunft in Deutschland. Davon waren 5.090 anerkannte Asylbewerber. 321.444 Menschen wurden als Flüchtlinge nach der Genfer Konvention registriert, also aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Religion.
Weitere 329.242 bekamen einen "subsidiären Schutz" - sie hatten also weder einen Flüchtlingsschutz noch eine Asylberechtigung. Um diesen zu erhalten, muss ein Antragssteller nachweisen, dass ihm oder ihr im Herkunftsland "ernsthafter Schaden" droht. Die übrigen Personen hatten andere Aufenthaltstitel, etwa über den Familiennachzug.
Bei der Zahl der Asylanträge waren Menschen aus Syrien in diesem Jahr weiter die größte Gruppe. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellten von Januar bis November insgesamt 74.971 Syrerinnen und Syrer einen Asylantrag.
Was ändert sich nun an Asyl-Entscheidungen?
Das BAMF hat wegen der unklaren Lage vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge von Syrern gestoppt. Das sagte ein Behördensprecher.
Die Regelung gelte nicht für sogenannte Dublin-Verfahren, bei denen ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, ergänzte der Sprecher. Betroffen seien alle Anträge, für die die Situation in Syrien ausschlaggebend sei. Derzeit seien mehr als 47.000 Asylanträge von Syrern anhängig, davon 46.081 Erstanträge.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Menschen jetzt nach Syrien zurückgehen?
Wie viele der Syrer, die sich aktuell in Deutschland aufhalten, perspektivisch in die Heimat zurückkehren wollen, ist derzeit nicht absehbar. Eine Debatte darüber gibt es aber bereits. So schlägt etwa der Vize-Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn (CDU), vor, dass Deutschland aktiv für die Rückkehr nach Syrien werben solle, mit Plätzen auf Charterflügen und 1.000 Euro Startgeld. Auch schlug Spahn für das Frühjahr eine internationale Wiederaufbau- und Rückkehrkonferenz vor.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte hingegen, die Lage in Syrien sei sehr unübersichtlich. Konkrete Rückkehrmöglichkeiten seien im Moment noch nicht vorhersehbar. Es sei unseriös, darüber zu spekulieren. Auch die weitere Bewertung des Schutzstatus der in Deutschland lebenden anerkannten syrischen Flüchtlinge hänge von der weiteren Entwicklung ab.
Aus der Türkei, dem Libanon und Jordanien haben sich am Wochenende schon etliche Flüchtlinge auf den Weg zurück in die Heimat gemacht. Doch die Mehrheit wartet ab, weil die Lage noch unübersichtlich ist.
Welche Qualifizierungen haben die Geflüchteten?
Syrische Geflüchtete sind oft gut qualifiziert. Fast die Hälfte der Personen, die vor acht oder neun Jahren, also gleich nach Ausbruch des Bürgerkriegs, nach Deutschland gekommen ist, hatte einen Abschluss an einem Gymnasium oder einer Universität. Bei Geflüchteten, die später nach Deutschland gekommen sind, war es immer noch mehr als ein Drittel. Da zeigt sich auch, dass privilegierte Menschen zuerst ein Land verlassen können, in dem ihre Existenz bedroht ist.
Eine Rückkehr vieler Syrer in ihre Heimat könnte unter anderem für Kliniken Folgen haben. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte dem Spiegel: "Wir können verstehen, dass viele von ihnen in ihre Heimat zurückkehren möchten und dort auch dringend gebraucht werden." Allerdings spielten syrische Ärzte in Deutschland vor allem in Krankenhäusern kleinerer Städte eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Versorgung. "Verlassen sie in größerer Zahl Deutschland wieder, wird dies in der Personaldecke ohne Zweifel spürbar sein", sagt Gaß.
Wie ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt?
Von den knapp eine Million Menschen aus Syrien sind rund 210.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das heißt, sie zahlen unter anderem in die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ein. Etwa 250.000 Syrerinnen und Syrer sind als arbeitsuchend gemeldet, rund 150.000 gelten als arbeitslos. Das heißt: Sie stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Ungefähr eine halbe Million Menschen aus Syrien bekommt das Bürgergeld.
Wie hoch ist die Zahl der syrischen Schüler?
Derzeit besuchen knapp 200.000 syrische Schüler und Schülerinnen eine Schule in Deutschland. Weitere 50.000 lernen an einer Berufsschule. Mehr als 50.000 Kinder von syrischen Geflüchteten sind in Deutschland geboren.
Wer hat die deutsche Staatsbürgerschaft?
Insgesamt haben rund 160.000 Menschen aus Syrien den deutschen Pass erhalten, Stand der Zahlen ist das erste Halbjahr 2024. Man muss eine gewisse Zeit in Deutschland gelebt haben, bevor man die Staatsbürgerschaft beantragen kann.
Das ging ab 2021 für diejenigen, die gleich nach Ausbruch des Bürgerkriegs, also 2015 oder 2016, nach Deutschland gekommen sind. Seitdem sind Syrer und Syrerinnen die größte Gruppe unter den Neueingebürgerten in Deutschland.
Wie viele Menschen aus Syrien sind auf der Flucht?
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks ist rund die Hälfte der syrischen Bevölkerung geflüchtet. Die meisten von ihnen befinden sich in den Nachbarstaaten von Syrien: der Türkei (3,1 Millionen), dem Libanon (785.000), in Jordanien (640.000) und dem Irak (273.000). 156.000 Flüchtlinge befinden sich in Ägypten.
Zum Vergleich: Im Libanon halten sich knapp 800.000 syrische Geflüchtete auf - und das, obwohl der Libanon insgesamt nur fünfeinhalb Millionen Einwohner hat.
Mit Informationen von Bianca Schwarz, ARD-Hauptstadtstudio