Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken
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Überblick

Koalitionsverhandlungen Worüber Union und SPD noch streiten

Stand: 28.03.2025 13:26 Uhr

Die Koalitionsverhandlungen gehen in die entscheidende Phase: Die Spitzenrunde von Union und SPD muss noch einige strittige Themen lösen. Nicht nur bei der Migrationspolitik gibt es Differenzen. Ein Überblick.

Jetzt sind in den Koalitionsverhandlungen wieder die Chefs am Zug. Nachdem 256 Experten in 16 Arbeitsgruppen nach Kompromissen gesucht haben, müssen sie nun die noch offenen Streitpunkte klären. Nach vorbereitenden Beratungen auf Fachebene kümmert sich ab heute eine Gruppe mit 19 Unterhändlern um die vier Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) um die schwierigen Streitfragen.

Player: videoChristoph Mestmacher, ARD Berlin, über Knackpunkte der Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, über Knackpunkte der Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD

tagesschau24, 28.03.2025 16:00 Uhr

Das Ziel ist es, die Verhandlungen spätestens bis Ostern abzuschließen. Auch wenn dies bei den vielen noch zu klärenden offenen Fragen immer ambitionierter wird - bisher hält das Team unter Verhandlungsführer Merz an dem Zeitplan weiter fest. Das neue Kabinett könnte dann Anfang Mai im Bundestag vereidigt werden.

Bei vielen Themen haben die schwarz-roten Arbeitsgruppen bereits Einigungen gefunden, etwa bei der Verlängerung der Mietpreisbremse, einer grundlegenden Reform und mehr Geld für die Deutsche Bahn sowie der Förderung von E-Mobilität durch Kaufanreize. Aber noch ist längst nicht alles in trockenen Tüchern - Themen wie die Wehrpflicht, die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotoren und die Rente könnten noch knifflig werden.

Steuern

Der Bereich Finanzpolitik gilt inzwischen als größte Baustelle der Koalitionsverhandlungen: Bei dieser könnte eine Einigung schwieriger werden als bei der Migrationspolitik. Die Arbeitsgruppe für "Haushalt und Steuern" hat besonders viele strittige Punkte zur Entscheidung in die Spitzengruppe gegeben. Wann zum Beispiel soll die in der Sondierung verabredete Unternehmensteuerreform kommen, die Deutschland als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähiger machen soll? Die Union will die Körperschaftsteuer ab 2026 senken. Die SPD setzt erstmal nur auf bessere Abschreibungsmodalitäten und will erst 2029 minimal an die Steuer ran.

Noch ungeklärt sind auch folgende Finanzfragen: Wird es Steuererhöhungen für Vielverdiener geben? Wie geht es weiter mit dem Ehegattensplitting?

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil spricht bei einer Pressekonferenz.

Bei der Einkommensteuer deutet sich an, dass der Spitzensteuersatz erst bei höheren Einkommen greifen soll. Die SPD will ihn aber gleichzeitig von 42 auf 47 Prozent anheben. Außerdem will sie Kapitaleinkünfte höher besteuern sowie - und das ist wohl der größte Knackpunkt - wieder eine Vermögensteuer einführen. Die Union stellt sich da quer.

Ebenfalls völlig unterschiedliche Ansätze haben die Parteien bei der Erbschaftsteuer: Die Union will Freibeträge für Familienangehörige erhöhen. Die SPD dagegen will Ausnahmen beim Vererben von Betrieben auf den Prüfstand stellen - mit dem Ziel, dass Unternehmenserben mehr Steuern zahlen.

Migration

Die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen ist ein Hauptstreitpunkt, zu dem in den Sondierungsgesprächen nur ein Formelkompromiss gefunden werden konnte. Demnach soll die Zurückweisung "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" möglich sein. Ob das bedeutet, dass Nachbarstaaten nur über dieses Vorgehen informiert werden sollen oder zustimmen müssen, darüber gehen die Meinungen zwischen Union und SPD aber auseinander.

Die Arbeitsgruppe hat auch offen gelassen, ob die nächste Bundesregierung der Forderung der Union nachkommen wird, Asylverfahren außerhalb der EU zu ermöglichen. Auch das Staatsbürgerschaftsrecht wollen die Unions-Unterhändler anders als die SPD verschärfen. Es soll geprüft werden, ob "Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen", die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden kann, wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. 

Rente

Union und SPD haben sich zwar in den Sondierungsgesprächen geeinigt, das Rentenniveau zu sichern - aber nicht auf welcher Höhe - der Streitpunkt bleibt. Die SPD will das jetzige Niveau von 48 Prozent halten. Das würde absehbar auf höhere Beitragssätze hinauslaufen. Die Union kontert mit einem Sparvorschlag: Für dieses Rentenniveau sollen nicht mehr 45 Beitragsjahre angesetzt werden, sondern 47 Jahre, wie es in einem Arbeitspapier heißt.

Weiterer Streitpunkt ist die auf Wunsch der CSU vereinbarte Ausweitung der Mütterrente. Die SPD will, dass die Kosten von etwa fünf Milliarden Euro im Jahr aus Steuermitteln gedeckt werden und nicht aus der Beitragskasse. Da geht die Union bisher nicht mit.

Autos

In der Wirtschafts-AG gab es auch Dissens über die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotoren. Hintergrund ist die Entscheidung der EU-Staaten und des Europaparlaments, die ein faktisches Aus für Neuwagen mit Diesel- und Benzinmotoren ab 2035 besiegelt hatten. Die Union lehnt dies bereits seit längerem ab. Im Papier der Arbeitsgruppe fordern CDU und CSU, das Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 müsse rückgängig gemacht werden. Die SPD dagegen steht zum Ziel, EU-weit ab 2035 nur noch Nullemissions-Fahrzeuge zuzulassen.

Im Sondierungspapier kündigten Union und SPD auch an, die Elektromobilität durch einen Kaufanreiz zu fördern - wie ist aber noch unklar. Uneinigkeit gibt es über die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen. Die SPD will die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf 130 km/h begrenzen, die Union lehnt das ab. 

Verteidigung

Wesentliche Fragen sind strittig geblieben. Während Bedrohung und Aufgaben wortreich beschrieben werden, gibt es in der Frage eines Nationalen Sicherheitsrates keine Übereinstimmung. Beide Unionsparteien wollen auch härter an die Dauerbaustelle Beschaffung ran, einzelne Großprojekte aus dem Beschaffungsamt herauslösen und in eine Agentur überführen. Zudem wollen sie die Möglichkeiten für die Mandatierung von Auslandseinsätzen erweitern.

Wehrpflicht

Die Union will die 2011 nach 55 Jahren beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht aufheben, um dem Personalmangel bei der Bundeswehr entgegenzuwirken. Die SPD pocht unverändert auf Freiwilligkeit und will eine gesamtgesellschaftliche Diskussion zur Einführung eines neuen Wehrdienstes.

Entwicklungshilfe

Ein Streitpunkt ist die Zukunft des Entwicklungsministeriums. Die Union will es ins Auswärtige Amt integrieren, die SPD will es dagegen sogar noch stärken. Die von Unionsseite in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD vorgebrachte Forderung nach Kürzung der Entwicklungshilfe stößt auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Frühere Spitzenpolitiker von CDU und CSU erklärten in einem am Mittwoch veröffentlichten Appell: "Wer bei der Entwicklung spart, schwächt nicht nur unsere internationalen Partnerschaften, sondern auch die Werte und Interessen, für die Deutschland steht."

Der Aufruf, den die Entwicklungsorganisation ONE initiierte, wurde unter anderem von Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), vom früheren Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) unterzeichnet. Auch frühere SPD-Spitzenpolitiker unterstützen den Appell.

Finanzen von Ländern und Kommunen

Die SPD pocht darauf, dass der Bund die Hälfte der Altschulden hochverschuldeter Kommunen übernimmt. Die CDU, die in vielen dieser Orte Bürgermeister stellt, würde dem Vernehmen nach wohl mitmachen. Doch die CSU stellt sich quer - wohl auch vor dem Hintergrund, dass bayerische Kommunen vergleichsweise gut aufgestellt sind. Dafür will die CSU unbedingt eine Reform des Länderfinanzausgleichs mit dem Ziel, die Belastung für Geberländer wie Bayern zu verringern. Die SPD dagegen findet das aktuelle System angemessen.

Mit Informationen der Nachrichtenagenturen AFP und dpa

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. März 2025 um 12:00 Uhr.