Forderungen nach Neuwahlen Frühere Vertrauensfrage - aber nicht am Mittwoch
Trotz Druck von der Union: Kanzler Scholz will die Vertrauensfrage nicht schon am Mittwoch stellen. Die Lage scheint festgefahren. CDU-Chef Merz hält Neuwahlen im Januar wohl auch für unrealistisch.
Es deutet wenig darauf hin, dass Bundeskanzler Olaf Scholz erst - wie ursprünglich angekündigt - im Januar die Vertrauensfrage im Bundestag stellen wird. Kurz nach der Entlassung von Finanzminister Christian Linder hatte er den 15. Januar als Termin genannt.
Aber dem Druck der Union wird sich Scholz ebenfalls nicht einfach beugen - sie fordert eine möglichst schnelle Abstimmung. Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, "dass der Bundeskanzler am Mittwoch nicht die Vertrauensfrage stellen wird". Hebestreit machte in der Bundespressekonferenz auch deutlich, dass Scholz notfalls im Alleingang über den Termin entscheidet, wenn es mit CDU und CSU nicht zu einer Einigung kommt.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch unterstützt Scholz und wies die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz nach einer sofortigen Vertrauensfrage und Neuwahlen am 19. Januar 2025 zurück. "Was Merz vorgeschlagen hat, ist rechtlich schon nicht mehr umsetzbar", betonte Miersch und verwies unter anderem auf nötige Nominierungen in Parteien, die Briefwahl und Prüfung der Wahlunterlagen.
Merz blickt auf den Februar
Unionskanzlerkandidat Merz selbst strebt inzwischen offenbar eine vorgezogene Bundestagswahl im Februar an. In der Sitzung des CDU/CSU-Fraktionsvorstands soll er den 16. oder 23. Februar als gut zu erreichen bezeichnet haben. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Teilnehmerkreisen. Ein Wahltermin im Januar sei "zu ambitioniert", zitiert die Rheinische Post ihn aus der gleichen Sitzung.
Kurz zuvor hatte Mathias Middelberg, Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, einen Appell an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gerichtet. "Ich fordere auch ausdrücklich in dieser Radiosendung den Bundespräsidenten auf, jetzt den Kanzler auf seine Verfassungspflichten hinzuweisen und zu ermahnen", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.
Der Kanzler müsse ohne eigene Mehrheit im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Auch die Ankündigung von Scholz am Sonntag, die Vertrauensfrage möglicherweise noch im Dezember zu stellen, reicht Middelberg nicht.
Wahlleitungen treffen bereits Vorbereitungen
Bundeswahlleiterin Ruth Brand warnte nach einer Beratung mit den Landeswahlleitungen erneut davor, einen Neuwahltermin schnell nach Auflösung des Bundestags anzusetzen. "Um Herausforderungen bei der Wahlorganisation, die sich aus den Fristen bei einer Neuwahl ergeben, bestmöglich zu begegnen, sollte dabei der Zeitraum von 60 Tagen zwischen der Auflösung des Bundestages bis zur Neuwahl ausgeschöpft werden", schrieb sie in einer Mitteilung.
Ihren Angaben zufolge werden bereits organisatorische Schritte unternommen, die unabhängig von konkreten Fristen umgesetzt werden können. Es könnten etwa Wahlausschüsse gebildet, Wahlräume bestimmt, Parteien und Einzelbewerber über die einzureichenden Unterlagen informiert sowie Wahlunterlagen beschafft werden.
Brand war in den vergangenen Tagen von der Union scharf kritisiert worden, nachdem sie vor "unabwägbaren Risiken" durch kürzere Fristen gewarnt hatte.
Vertrauliche Gespräche mit Steinmeier
Wie es weitergehen könnte, lotet auch Steinmeier aus. Er führt vertrauliche Gespräche mit Vertretern der Bundesregierung und Parteien. Steinmeier pflege dabei "kurze Leitungen" zu Scholz und Merz, hieß es aus dem Bundespräsidialamt.
Nachdem am Freitag SPD-Chef Lars Klingbeil beim Bundespräsidenten gewesen sei, habe er sich heute mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ausgetauscht. Morgen folge SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, am Donnerstag dann CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Wegen der Regierungskrise sagte Steinmeier eine zwischen dem 18. und 21. November geplante Reise nach Saudi-Arabien ab. Das bestätigte das Präsidialamt der Nachrichtenagentur AFP gegenüber. Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet.
Baerbock hofft auf Verständigung
Außenministerin Annalena Baerbock forderte eine parteiübergreifende Verständigung über einen geregelten Zeitplan für eine Neuwahl des Bundestags. "Gerade in diesen stürmischen, auch internationalen Zeiten, braucht es vor allen Dingen einen geordneten Übergang."
Die Grünen hätten deutlich gemacht, dass sie sich auch einen früheren Zeitraum vorstellen könnten. "Es braucht jetzt ein gemeinsames Verständnis dafür, was geordnet und auch zeitnah ist."
Bendlerblock, nicht Kanzleramt
Unabhängig vom Termin bereiten sich die Parteien auf eine vorgezogene Neuwahl vor. SPD-Generalsekretär Miersch kündigte an, seine Partei werde Ende Januar oder Anfang Februar offiziell ihren Kanzlerkandidaten nominieren. "Dass Olaf Scholz der Kandidat wird, daran habe ich keinen Zweifel", machte Miersch deutlich.
Bei den Beliebtheitswerten läuft Verteidigungsminister Boris Pistorius derzeit Kanzler Scholz mit Leichtigkeit den Rang ab. Dennoch hat der Niedersachse nach eigener Aussage keine Ambitionen, ins Kanzleramt einzuziehen. "Wir haben einen Bundeskanzler, und der ist der designierte Kanzlerkandidat", sagte Pistorius bei einer Diskussionsveranstaltung der Süddeutschen Zeitung. "Ich sehe niemanden in der Partei, der daran etwas verändern möchte", stellte er klar.
Verteidigungsminister Pistorius (li.) will Scholz die Kanzlerkandidatur nicht streitig machen.
Er ließ allerdings durchblicken, dass er auch in einer neuen Regierungskoalition im Amt des Verteidigungsministers verbleiben wolle. Er würde gerne mit dem Personal in seinem Ministerium und in der Bundeswehr "noch weiter arbeiten", sagte er.
Union will Tagesordnung blockieren
Der Streit über den Termin der Vertrauensfrage könnte auch negative Auswirkungen auf die Arbeit des Bundestags haben. Die CDU und die CSU planen, die Tagesordnungen des Parlaments pauschal abzulehnen.
"Solange nicht die Vertrauensfrage gestellt ist, werden wir die Tagesordnung des Bundestages ablehnen", zitieren die Zeitungen der Mediengruppe Bayern den CSU-Politiker und parlamentarischen Geschäftsführer Alexander Hoffmann. Ausnahmen soll es demnach nur für "Vorgänge von außerordentlicher Dringlichkeit oder überfraktioneller Einigkeit" geben.
Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP war im Streit über die Wirtschaftspolitik und die Einhaltung der Schuldenbremse zerbrochen.