Polizisten bringen die bei der Razzia gegen mutmaßliche Rechtsextreme Festgenommenen zum Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof.
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"Sächsische Separatisten" Hinweis kam vom FBI

Stand: 08.11.2024 06:10 Uhr

Beim Schlag gegen eine Gruppe junger Rechtsextremer aus Sachsen kamen nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung entscheidende Hinweise von der US-Bundespolizei FBI.

Von Florian Flade, Martin Kaul, Katja Riedel, WDR, und Reiko Pinkert, Sebastian Pittelkow, NDR

Der Schlag deutscher Sicherheitsbehörden gegen eine mutmaßlich rechtsterroristische Gruppierung namens "Sächsische Separatisten" geht auch auf Hinweise der US-amerikanischen Bundespolizei FBI zurück. Das belegen Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Demnach soll sich der mutmaßliche Rädelsführer und Hauptbeschuldigte der Gruppe selbst belastet haben, als er in Online-Chats und offenbar auch persönlich gegenüber Vertrauenspersonen von seinen Plänen berichtete.

Am Dienstagmorgen hatten Polizisten an rund 20 Orten in Deutschland, Polen und Österreich zahlreiche Liegenschaften durchsucht und acht Beschuldigte festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, sich durch Wehrsportübungen und Ausbildungen im Häuserkampf auf einen sogenannten "Tag X" vorbereitet zu haben und sich konkret auf einen bewaffneten Kampf, auch gegen Andersdenkende und Minderheiten, vorbereitet zu haben.

Die Gruppe habe sich darauf vorbereitet, in einem Teil Sachsens Gebiete zu besetzen, diese mit rechtsextremen Milizen abzuriegeln und dort auch ethnische Säuberungen an Migranten und Mitgliedern der staatlichen Ordnung zu begehen. Die Rede soll dabei auch von einem "Holocaust" gewesen sein. Der Gruppe wird daher vorgeworfen, einen gewaltsamen Systemumsturz zum "Tag X" herbeiführen zu wollen, dessen Zweck auch darauf gerichtet ist, Mord oder Totschlag zu begehen.

Herangespielte Vertrauenspersonen?

Dem mutmaßlichen Rädelsführer und Hauptbeschuldigte der Gruppe, Jörg S., wurde offenbar zum Verhängnis, dass er in einschlägigen rassistischen Onlinekanälen Details zu ihm, seiner Gruppe und deren mutmaßlichen Plänen preisgegeben haben soll. In einem dieser Chats soll sich nach Informationen von NDR, WDR und SZ auch eine sogenannte Online-Vertrauensperson bewegt haben, ein Mitarbeiter des US-amerikanischen FBI.

So könnte Jörg S. und seinen teils noch jugendlichen Brüdern nun vorgehalten werden, was S. in einer Chatgruppe gepostet haben soll. Unter anderem soll der als Rädelsführer beschuldigte Mann Bilder von Personen in militärischer Tarnkleidung und Schutzausrüstung in bewaldetem Gelände gepostet haben.

Im Chat mit der Online-Vertrauensperson des FBI soll S. sich selbst als taktischen Instrukteur ausgegeben, von seinen Verbindungen in rechte Parteien berichtet und unterstrichen haben, dass es im Falle eines Zusammenbruchs des Staates schon einen bewaffneten Teil einer etablierten politischen Bewegung gebe.

Drei der nun festgenommenen Beschuldigten sind Mitglieder der AfD oder deren Jugendorganisation (JA). Die AfD hatte am Mittwoch erklärt, die mutmaßlichen Mitglieder der sogenannten "Sächsischen Separatisten" unverzüglich aus der Partei ausschließen zu wollen.

Vertrauensperson nahe der Gruppe

Die Sicherheitsbehörden stützen sich bei den Ermittlungen gegen Jörg S. und die mutmaßliche Terrorgruppe indes nicht nur auf einschlägige Telegram-Chats: Offenbar ist es dem Bundeskriminalamt auch gelungen, eine Vertrauensperson nah an die Gruppe heranzuführen.

Dieser menschlichen Quelle gegenüber soll Jörg S. in diesem Jahr zunächst von einer Gruppe berichtet haben, die unter seiner Anleitung bewaffnete Trainings im Wald durchführe. In alten Gebäuderuinen, so soll Jörg S. damals angegeben haben, übe die Gruppe auch das Eindringen durch Fenster und das taktische Vordringen auf Treppen.

Später habe Jörg S. dann ausdrücklich von "sächsischen Separatisten" gesprochen und gegenüber seinem Gesprächspartner die besondere Abkürzung "SS" betont, so der Vorwurf. Die SS war die persönliche Schutzstaffel Adolf Hitlers und während der Nazi-Herrschaft unter anderem für die gezielte Deportation und Ermordung von Juden, anderen Minderheiten und Andersdenkenden verantwortlich.

Söhne eines bekannten Rechtsextremen in Österreich

In seinen Äußerungen soll Jörg S. auch zum Ausdruck gebracht haben, dass er neben einem bewaffneten Kampf für eine Abspaltung Sachsens von der Bundesrepublik und einer Anerkennung eines vermeintlich neuen Nationalstaates durch das Putin-Regime offenbar auch einen Rassenkrieg anstrebe.

Jörg S. wurde am Dienstag in Polen festgenommen. Er und zwei weitere, ebenfalls beschuldigte Brüder aus der sächsischen Stadt Brandis stammen aus einer bekannten, FPÖ-nahen österreichischen Familie. Ihr Vater gehörte in den 1990er-Jahren zu den bekanntesten Rechtsextremen Österreichs. Die Bundesanwaltschaft zählt die Brüder offenbar zum harten Kern der "Sächsischen Separatisten".

"Relativ harmlose Wandergruppe"

Teil des harten Kerns seien auch zwei Jugendfreunde der Brüder. Darunter Karl K., der nach Informationen von WDR, NDR und SZ schon seit mehr als vier Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv ist und aktenkundig wurde, als er nach einer Demonstration in Dresden von mutmaßlich Linksextremen niedergeschlagen wurde. Er soll sich gegenüber Ermittlern als AfD-Sympathisant geäußert haben.

Jörg S. selbst konnte sich zu den Vorwürfen auf Anfrage nicht äußern. Er soll sich zuletzt in Polen in Haft befunden haben. Bis zu einer Verurteilung gilt für ihn wie für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung.

Sein Anwalt Martin Kohlmann, der auch Politiker der rechtsextremen Partei "Freien Sachsen" ist, hatte sich bereits kurz nach der Festnahme seines Mandanten in einer Videobotschaft unter anderem auf der Plattform X zu der Festnahme geäußert. Für ihn sehe es vorläufig so aus, dass eine "relativ harmlose Wandergruppe zur nächsten Terrororganisation hochgepuscht werden soll". Eine kurzfristige Anfrage ließ er zunächst unbeantwortet. Andere Anwälte der Mitbeschuldigten waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.