Afghanische Flüchtlinge in Pakistan Abschiebungen trotz deutscher Aufnahmezusage
Mehr als 3.000 Afghanen warten mit Aufnahmezusagen in Pakistan darauf, nach Deutschland zu kommen. Doch weil die Regierung offenbar zu lange für die Visa-Bearbeitung braucht, hat Pakistan nun damit begonnen, sie wieder abzuschieben.
In Pakistan verschärft sich die Lage für afghanische Flüchtlinge mit einer Aufnahmezusage aus Deutschland - sowie für ehemalige Ortskräfte der Bundesregierung, die sich derzeit unter deutscher Betreuung in Pakistans Hauptstadt aufhalten.
Nach WDR-Recherchen haben pakistanische Sicherheitsbehörden in der letzten Woche damit begonnen, Menschen, die dort eigentlich auf ein Visum für Deutschland warten, zurück nach Afghanistan abzuschieben. Hintergrund sind offenbar die langen Bearbeitungszeiten bei der Sicherheitsüberprüfung und Visa-Erteilung durch deutsche Behörden, wie der WDR aus Sicherheitskreisen erfuhr.
Über 3.000 Afghanen warten auf ein Visum
Insgesamt halten sich derzeit noch mehr als 3.000 Afghanen in Pakistan auf, die nach einem umfassenden Prüfverfahren durch deutsche Stellen im Rahmen verschiedener Hilfsprogramme jeweils eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten haben.
Weil Deutschland in Afghanistan keine Botschaft unterhält, mussten diese Menschen nach Pakistan reisen und dort in der Regel mehrere Monate auf ihre Sicherheitsüberprüfung sowie ein Visum für Deutschland warten. Oft haben sie dafür zuvor ihr Hab und Gut verkauft oder in Afghanistan zurückgelassen.
Unterstützt, finanziert und untergebracht werden sie dabei in Gästehäusern, die die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag der Bundesregierung betreibt.
Erstmals Abschiebungen aus Gästehäusern
Am vergangenen Dienstag haben pakistanische Sicherheitsbehörden nun erstmals diese Gästehäuser aufgesucht, um Afghanen aufzugreifen und abzuschieben, die dort unter deutscher Betreuung stehen.
In sechs Fällen ist das nach WDR-Informationen auch gelungen, darunter soll sich auch eine ehemalige Ortskraft der deutschen Bundesregierung befinden. Demnach wurden die Personen zunächst festgenommen und anschließend über die Landesgrenze in ein Lager nach Dschalalabad in Afghanistan abgeschoben.
Bundesregierung in Sorge über Abschiebungen
Das Auswärtige Amt hat sich zu konkreten Fällen nicht geäußert, teilte auf Anfrage mit: "Die Abschiebung afghanischer Staatsangehöriger durch Pakistan erfüllt die Bundesregierung mit Sorge". Die deutsche Botschaft in Islamabad stehe in engem Kontakt mit den pakistanischen Behörden, um eine schnelle Rückkehr von abgeschobenen Personen nach Pakistan zu ermöglichen. Auch Personen in Aufnahmeprogrammen anderer Staaten seien von der Maßnahme betroffen.
In der Vergangenheit hatten die pakistanischen Sicherheitsbehörden noch davon abgesehen, etwa ehemalige afghanische Ortskräfte abzuschieben, die unter deutscher Betreuung standen - solange diese vorweisen konnten, dass sie Aussichten auf ein Visum nach Deutschland hatten.
Allerdings sehen offenbar auch Pakistans Behörden inzwischen mit Argwohn, wie lang die Visa-Erteilung durch die deutschen Stellen in Pakistan dauert. Das pakistanische Außenministerium ließ eine Presseanfrage dazu unbeantwortet.
Visa-Entscheidungen langatmig
Weil Deutschland bei der Überprüfung und Erteilung der Visa für die Afghanen nur sehr langsam vorankommt, sind die Wartezeiten in Islamabad lang: Im Durchschnitt verweilen die ehemaligen Ortskräfte laut einer Auskunft der Bundesregierung aus dem November letzten Jahres etwa viereinhalb Monate in den Gästehäusern, oft aber auch deutlich länger. In der Folge erlischt für viele Anwärter schließlich in Pakistan ihre Aufenthaltserlaubnis - sodass sie durch pakistanische Behörden zur Rückreise nach Afghanistan aufgefordert werden.
Betreffen könnte dies nun auch viele weitere der Anwärter in Pakistan. Bei ihren Besuchen in den Gästehäusern sollen die pakistanischen Sicherheitskräfte deutlich gemacht haben, dass auch weitere Afghanen mit Abschiebungen rechnen müssen, wenn ihre Aufenthaltstitel in Pakistan abgelaufen sind.
Innenministerium weist Kritik zurück
Das Bundesinnenministerium, das für die Durchführung und Dauer der Sicherheitsüberprüfungen der Anwärter in Pakistan zuständig ist, wies Kritik auf Anfrage zurück. "Die Bundesregierung hat bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Wartezeiten für die Ausreisenden zu verkürzen und die Ausreiseprozesse zu beschleunigen", so ein Sprecher. Dabei behalte die Sicherheit in den Verfahren aber höchste Priorität. Auch gelte es die Aufnahmekapazitäten der Bundesländer in Deutschland zu beachten.
Außerdem habe die Bundesregierung Schutzmaßnahmen ergriffen, um die Aufzunehmenden bestmöglich vor einer Abschiebung der pakistanischen Behörden nach Afghanistan zu bewahren. Hierzu gehörten beispielsweise die Ausstellung von individuellen Unterstützungsschreiben.