Rauch steigt über Gaza-Stadt auf
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Krieg in Nahost ++ In den Gazastreifen entführte Soldatin befreit ++

Stand: 30.10.2023 23:25 Uhr

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben eine verschleppte Soldatin bei einem Einsatz im Gazastreifen befreit. Die militant-islamistische Hamas hat ein Video von mutmaßlichen Gefangenen veröffentlicht. Alle Entwicklungen im Liveblog.

30.10.2023 • 23:25 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit schließen wir diesen Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse.

Nach Kritik an der hohen Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen hat Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu den Krieg gegen die militant-islamistische Hamas mit dem Kampf der Alliierten gegen die Nazis verglichen. Man habe den Alliierten im Zweiten Weltkrieg trotz ziviler Opfer nicht gesagt, "rottet den Nationalsozialismus nicht aus", sagte Netanyahu. Ein Journalist hatte ihn zuvor gefragt, ob Israel die Menschen im Gazastreifen mit den Luftangriffen kollektiv für den Terror der Hamas bestrafe.

Als Beispiel nannte Netanyahu einen Angriff britischer Piloten auf das Gestapo-Hauptquartier in Kopenhagen während des Zweiten Weltkriegs. Damals hätten die Piloten "gepatzt", das Ziel verfehlt und letztlich Dutzende Kinder getötet. "Das ist nichts, wofür man Großbritannien die Schuld geben kann. Das war eine legitime Kriegshandlung mit tragischen Folgen, die solche legitimen Handlungen begleiten", sagte er. Die Alliierten hätten den Krieg trotz der tragischen Konsequenzen bis zum Ende geführt. Sie hätten gewusst, dass die Zukunft der Zivilisation auf dem Spiel stehe, sagte Netanyahu. "Nun, ich sage Ihnen jetzt, dass die Zukunft unserer Zivilisation auf dem Spiel steht."

Das US-Verteidigungsministerium beliefert Israel im Nahost-Krieg fast täglich mit Waffen. Das teilte die stellvertretende Pressesprecherin des Pentagon, Sabrina Singh, mit. Trotz der wachsenden Zahl an zivilen Opfern werde man Israel keine Beschränkungen für den Einsatz der Waffen auferlegen. Es sei Sache der israelischen Armee, wie sie die Waffen einsetze und wie sie ihre Operationen durchführe.

Singh ließ eine Frage unbeantwortet, ob es innerhalb des Verteidigungsministeriums Bedenken darüber gebe, wie Israel die Waffen einsetze. Sie unterstrich jedoch, dass Verteidigungsminister Lloyd Austin mehrfach betont habe, dass es wichtig sei, dass Israel die Regeln für bewaffnete Konflikte einhalte und zivile Opfer so weit wie möglich vermeide.

Akuter Treibstoffmangel im Gazastreifen wirkt sich nach UN-Angaben bereits auf die Wasserversorgung der Bevölkerung aus. "Nur eine Entsalzungsanlage arbeitet mit lediglich einer Kapazität von fünf Prozent, während alle sechs Wasseraufbereitungsanlagen im Gazastreifen aufgrund von Treibstoff- oder Strommangels derzeit außer Betrieb sind", sagte die Direktorin des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, Catherine Russell, bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.

Sie flehe den Sicherheitsrat an, unverzüglich eine Resolution zu verabschieden, die die Parteien an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnere, so Russell weiter. Dazu gehöre auch ein Waffenstillstand und unbehinderter Zugang für humanitäre Hilfe.

Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) hat auf eine Ausweitung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen gedrungen. Eine Hand voll Konvois wie bislang reiche für mehr als zwei Millionen Notleidende nicht aus, sagte UNWRA-Generalkommissar Philippe Lazzarini bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates. "Das bestehende System, das die Lieferung von Hilfsgütern nach Gaza ermöglicht, ist zum Scheitern verurteilt, wenn kein politischer Wille vorhanden ist", sagte er.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat eine Waffenruhe im Kampf gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas abgelehnt. "So wie die USA nach der Bombardierung von Pearl Harbor oder dem Terroranschlag vom 11. September keiner Waffenruhe zugestimmt hätten, wird Israel einem Stopp der Kämpfe mit der Hamas nach den schrecklichen Angriffen des 7. Oktobers nicht zustimmen", sagte Netanyahu vor Journalisten. "Aufrufe an Israel, einer Waffenruhe zuzustimmen, sind Aufrufe, gegenüber der Hamas, gegenüber Terrorismus, gegenüber der Barbarei zu kapitulieren. Das wird nicht passieren."

Israels UN-Botschafter in Genf hat den Vereinten Nationen vorgeworfen, Israel im Stich gelassen zu haben. Die Chefs der UN-Behörden hätten den zunehmenden Antisemitismus und die Hamas nicht genügend verurteilt, sagte Meiraw Eilon Schahar vor der Presse. "Ganz allgemein, die Vereinten Nationen haben das israelische Volk im Stich gelassen."

Nach den anti-israelischen Ausschreitungen in der russischen Kaukasusrepublik Dagestan hat Israels Präsident Isaac Herzog die Vorfälle mit einem "Pogrom" verglichen. "Es war wie ein Pogrom", sagte der Staatschef in einem Interview mit der "Bild", Welt-TV und "Politico". Die Ausschreitungen auf dem Flughafen von Dagestans Hauptstadt Machatschkala seien "schockierend" und "äußerst beunruhigend". 

Die britische Innenministerin Suella Braverman hat propalästinensische Demonstrationen als "Hassmärsche" bezeichnet. Die konservative Politikerin sagte in einem Interview mit dem Nachrichtensender Sky News: "Wir haben an den vergangenen Wochenenden Zehntausende Menschen auf den Straßen gesehen, die eine Auslöschung Israels von der Landkarte fordern. Es gibt meiner Meinung nach nur eine Art, um diese Märsche zu beschreiben: Es sind Hassmärsche."

Die Polizei müsse einen Nulltoleranz-Ansatz verfolgen im Umgang mit Antisemitismus, fügte sie hinzu. Falls nötig, werde es eine Verschärfung der Gesetze geben, um "bösartigen Akteuren" zu begegnen, die absichtlich unterhalb der Schwelle des Gesetzes handelten, so Braverman weiter.

Eine israelische Soldatin ist nach Militärangaben bei dem Einsatz der Bodentruppen im Gazastreifen befreit worden. Die am 7. Oktober von der Hamas entführte Frau sei in gutem Zustand und habe ihre Familie bereits getroffen, teilte die Armee auf der Onlineplattform X (vormals Twitter) mit.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Ermordung von Shani Louk als "furchtbare" Tat und "Barbarei" bezeichnet. Die Deutsche ist eines der Opfer der Terrorattacke der islamistischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober. "Hier ist ein Mensch auf brutale Weise ermordet worden", sagte Scholz während seiner Afrikareise im nigerianischen Lagos. "Das zeigt welch Geistes Kind diese Täter sind. Das ist etwas, das wir als Menschen nur verachten können." 

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat ein von der Hamas veröffentlichtes Video von drei verschleppten Frauen verurteilt. Die Aufnahme sei "grausame psychologische Propaganda", erklärte er. In dem Video der Terroristen sitzen die drei Geiseln vor einer kahlen Wand. Eine von ihnen wendet sich mit wütenden Worten an Netanyahu und fordert, gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht zu werden.

Vor dem Hintergrund zunehmender Gefechte an der israelisch-libanesischen Grenze hat Libanons geschäftsführender Regierungschef Nadschib Mikati betont, eine Verwicklung seines Landes in den Krieg zwischen Israel und der Hamas verhindern zu wollen. Der Libanon befinde sich im "Auge des Sturms", sagte Mikati in einem Interview. Er tue seine Pflicht, um zu verhindern, dass das Land in den Krieg hineingezogen werde.

Die militant islamistische Hamas hat ein Video veröffentlicht, das angeblich drei beim Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober Gefangengenommene zeigt. Eine der Frauen darin gibt - mutmaßlich unter Zwang - eine kurze Stellungnahme ab, in der sie die Reaktion Israels auf die Geiselnahme kritisiert. Israelische Medien stuften das Video als "Psychoterror" der Hamas gegen Israel ein.

In Richtung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu sagt sie mit wütender Stimme: "Bibi Netanyahu, Schalom. Wir befinden uns seit 23 Tagen in Gefangenschaft der Hamas." Die mutmaßliche Geisel spricht in dem Video von einer Pressekonferenz mit den Familien der Entführten am Vortag. "Wir wissen, dass es eine Waffenruhe geben sollte, du hättest uns alle befreien sollen, du hast dich verpflichtet, uns alle freizulassen", sagte die Frau auf Hebräisch. "Stattdessen tragen wir die Last deines politischen, sicherheitspolitischen, militärischen und diplomatischen Versagens." Die Frau fragt: "Sind nicht schon genug israelische Bürger getötet worden?" und fordert entschieden eine Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln sowie palästinensischer Häftlinge.

Es ist bereits das zweite Video, das die Hamas veröffentlicht. Vor zwei Wochen waren Aufnahmen einer jungen Frau verbreitet worden, die auch die französische Staatsbürgerschaft hat. Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen hatten am 7. Oktober Massaker an Zivilisten im israelischen Grenzgebiet verübt. Sie verschleppten außerdem mindestens 239 Menschen in den Küstenstreifen. Vier Frauen wurden bisher freigelassen.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat den Sturm auf einen Flughafen in der russischen Teilrepublik Dagestan durch einen antijüdischen Mob als bedrohlich bezeichnet. "Die Jagd auf Juden in Dagestan zeigt uns, dass wir es mit einer Ideologie zu tun haben, die keine Grenzen kennt. Es geht den Islamisten nicht um Israel, sondern es geht ihnen um Juden", teilte Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin mit.

Für Juden auch in Deutschland wirkten die Szenen aus Dagestan beunruhigend, hieß es weiter. Schuster sagte: "Wenn auch in Deutschland jüdische Geschäfte attackiert, Davidsterne an Häuser von jüdischen Familien gemalt, Synagogen angegriffen werden und auch hier ein Mob offenen Judenhass auf den Straßen skandiert, wirken die Bilder aus Dagestan umso bedrohlicher für Juden in Deutschland."

30.10.2023 • 15:02 Uhr

Belastungsprobe für die Wirtschaft

Vor dem 7. Oktober wurde Israel ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent vorausgesagt. Das hat die israelische Zentralbank gerade nach unten korrigiert. Auch, wenn die Stützpfeiler des Landes - High-Tech-Sektor und Familienunternehmen - als krisenfest gelten, ist nun vieles anders, berichtet ARD-Korrespondentin Bettina Meier.

Bettina Meier, ARD Tel Aviv, tagesschau, 30.10.2023 13:16 Uhr

Terroristen der Hamas im Gazastreifen haben Israel auch während der heftigen Luftangriffe auf das Palästinensergebiet weiter mit Raketen angegriffen. In Jerusalem, im Zentrum des Landes und im Süden heulten die Warnsirenen, wie die Armee mitteilte. Es gibt bislang keine Berichte über Opfer.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Jordanien hat die USA laut einem Sprecher um Hilfe bei der Sicherung seiner Grenzen gefragt. "Wir haben die amerikanische Seite gebeten, das jordanische Luftverteidigungssystem mit 'Patriot'-Raketen zu verstärken", sagte ein Sprecher der jordanischen Armee im staatlichen Fernsehen. "Es ist ein teures System, das nicht mit lokalen Ressourcen bereitgestellt werden kann, daher brauchen wir einen strategischen Partner." Das Königreich hatte zuvor bereits gewarnt, dass sich der Krieg zwischen Israel und der militant islamistischen Hamas auf die umliegende Region ausweiten könnte. Seit dem Beginn des Kriegs besteht die Sorge, dass vor allem pro-iranische Milizen aus arabischen Nachbarstaaten stärker in den Konflikt einsteigen könnten. Jordanien ist seit Langem ein enger Verbündeter der USA.

Die Bundesregierung hat die gewaltsamen antisemitischen Proteste und Übergriffe in der muslimisch geprägten russischen Teilrepublik Dagestan als "unsäglich und inakzeptabel" verurteilt. "Wichtig ist jetzt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und die russischen Behörden die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft gewährleisten", forderte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Die Haltung der Bundesregierung sei klar: "Wir bekämpfen entschieden jede Form des Antisemitismus und wir stehen an der Seite der jüdischen Gemeinschaft."

Bei den Bemühungen um die Freilassung von Geiseln in der Hand der islamistischen Hamas will die Bundesregierung nach Angaben des deutschen Botschafters in Israel, Steffen Seibert, alle diplomatischen Möglichkeiten nutzen. Es sei wichtig, "dass wir diplomatisch alle Mittel, die Deutschland hat, nutzen, um mit denen zu sprechen, die vielleicht Einfluss auf die Hamas haben", sagte Seibert RTL/ntv. "Es ist bekannt, wer die sind. Mit all denen wird gesprochen", sagte Seibert weiter. Deutschland versuche, über alle Wege Nachrichten an die Hamas zu bringen. "Bisher ist der Erfolg nicht groß. Es ist aber auch nicht besonders hilfreich, wenn man darüber in der Öffentlichkeit viel redet."

Zugleich verteidigte Seibert die Bodeneinsätze der israelischen Armee im Gazastreifen. Das Selbstverteidigungsrecht bedeute dabei auch, "dass Israel alles tun muss, um zu verhindern, dass so ein unvorstellbar grauenvoller Überfall je wieder passieren kann". Das sei nicht nur mit Luftangriffen von außen zu machen. Israel sage und beweise an vielen Stellen, dass es auf die Zivilbevölkerung in Gaza Rücksicht nehme, sagte Seibert. Es gebe aber "keinen Zweifel, es sterben Menschen im Gazastreifen, die keine Hamas-Kämpfer sind". Die Bundesregierung schaue, was politisch und praktisch getan werden könne, um das Leid der Zivilbevölkerung zu mindern. "Wir müssen mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen bekommen. Israel lässt da jetzt einiges zu, aber das reicht überhaupt noch nicht aus, um den humanitären Bedarf zu stillen."

Angesichts der gewaltsamen antijüdischen Proteste in der muslimisch geprägten russischen Teilrepublik Dagestan hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, Russland zum Schutz der dort lebenden Jüdinnen und Juden aufgefordert. "Ich erwarte von Präsident Putin und den russischen Behörden, dass sie die Sicherheit und das Eigentum von Jüdinnen und Juden schützen", sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bei Übergriffen auf Passagiere einer aus Israel gelandeten Maschine waren am Abend auf dem Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala nach Behördenangaben 20 Menschen verletzt und 60 Personen festgenommen worden.

Die Führung in Dagestan hatte sich angesichts der Lage in Nahost solidarisch mit den Palästinensern erklärt. Zugleich kritisierten die lokalen Behörden sowie muslimische und zahlreiche andere Organisationen die gewaltsamen Proteste. Zudem werde an dem Vorfall einmal mehr deutlich, "dass Antisemitismus ein weltweites Problem ist, dem wir entsprechend international begegnen müssen", sagte Klein. Der in Europa eingeschlagene Weg einer EU-weiten Vernetzung im Kampf gegen Antisemitismus müsse entschieden weiter vorangetragen werden.

Der britische Bildungsstaatssekretär Robert Halfon hat vor antisemitischen Bedrohungen auch in Großbritannien gewarnt. "Es ist beängstigend, wenn man hört, dass jüdische Schulen ihre Türen schließen müssen", sagte Halfon dem "Times Radio". Er höre auch von Seelsorgern, dass jüdischen Studierenden palästinensische Flaggen über ihre Autos gelegt worden seien. Im Hochschulbereich hätten antisemitische Vorfälle enorm zugenommen. "Ich glaube, es ist eine beängstigende Zeit für Juden im Vereinigten Königreich", sagte Halfon dem Radiosender LBC.

Halfon ist selbst jüdisch und kritisierte, dass auf pro-palästinensischen Demonstrationen der Spruch "From the River to the Sea, Palestine will be free" skandiert wurde. Innenministerin Suella Braverman hatte den Slogan als antisemitisch kritisiert und gesagt, er werde von vielen als Aufruf zur Zerstörung Israels verstanden.

Israel lässt trotz des Konflikts mit den Vereinten Nationen UN-Nothilfe-Koordinator Martin Griffith einreisen. Dies bestätigte ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem. Griffith' Einreise sei "auf Bitte anderer Staaten, um die Ausreise ausländischer Staatsbürger aus dem Gazastreifen voranzutreiben", genehmigt worden. Israel hatte nach Äußerungen von UN-Generalsekretär Antonio Guterres mitgeteilt, UN-Vertretern die Einreise zu verweigern. Guterres hatte israelische Gegenangriffe im Gazastreifen kritisiert und von "eindeutigen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht" gesprochen.

Nach Darstellung des von der militant islamistischen Hamas geleiteten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen sind in den vergangenen 24 Stunden 304 Menschen durch israelische Angriffe getötet worden. Die Gesamtzahl der Toten seit Beginn des jüngsten Gaza-Krieges sei damit auf 8.306 gestiegen, sagte Ministeriumssprecher Aschraf al-Kudra. Unter ihnen seien 3.457 Kinder und 2.136 Frauen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der Tod eines Reuters-Journalisten im Südlibanon vor gut zwei Wochen war nach Einschätzung der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) Folge gezielten Beschusses aus Israel. Die Gruppe aus mehreren Journalisten sei am 13. Oktober im Abstand weniger Sekunden zweimal aus derselben Richtung von Israel aus beschossen worden, berichtete die Journalistenorganisation. Dies habe die Auswertung von Videoaufnahmen ergeben. Die israelische Armee teilte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit, der Vorfall werde weiter untersucht.

Bei dem Beschuss war der Reuters-Journalist Issam Abullah getötet worden, vier weitere Medienschaffende wurden verletzt. RSF betonte, die Reporter hätten nicht mit Kämpfern verwechselt werden können, weil sie im Augenblick des Beschusses schon rund eine Stunde offen mit ihren Kameras im Gelände gestanden hätten. Zudem seien sie durch die Aufschrift "Press" auf Schutzwesten und Helmen sowie dem Dach ihres Autos klar als Journalisten gekennzeichnet gewesen.

Ein bewaffneter Palästinenser hat in Jerusalem nach Polizeiangaben einen israelischen Polizisten mit einem Messer schwer verletzt. Andere Sicherheitskräfte hätten auf den Angreifer geschossen, teilte die Polizei mit. Nach Medienberichten wurde der Einwohner des arabisch geprägten Ostteils der Stadt Jerusalem dabei getötet. Der 22-jährige Polizist wurde in ein Krankenhaus gebracht. Seit dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten am 7. Oktober und darauffolgenden Gegenangriffen Israels im Gazastreifen hat sich die angespannte Lage im Westjordanland und in Ost-Jerusalem weiter verschärft.

Itamar Ben-Gvir mit Sicherheitspersonal in Jerusalem

Israels Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir besuchte den Ort des Geschehens in Jerusalem.

Die Bundesregierung ruft Israel zum Schutz von Palästinensern im Westjordanland auf. Die Regierung müsse alles unternehmen, die Palästinenser vor den Aktivitäten extremistischer Siedler zu schützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Im Westjordanland hatten jüdische Siedler Palästinenser angegriffen.

Nach der antisemitischen Klebe-Attacke auf die Gedenkstätte Ahlem in Hannover ermittelt der Staatsschutz wegen Volksverhetzung. Polizeibeamte seien vor Ort gewesen und hätten Spuren gesichert, sagte eine Polizeisprecherin der Nachrichtenagentur epd. Anwohner und Mitarbeitende der Gedenkstätte sollten befragt werden. Möglicherweise werde der Staatsschutz auch die Öffentlichkeit um Mithilfe bitten.

Am Sonntag hatten Mitarbeitende der Gedenkstätte rund 50 antijüdische Aufkleber mit Bezug zum Nahostkonflikt entdeckt. Sie wurden von Unbekannten unter anderem im Eingangsbereich sowie an der "Wand der Namen" angebracht, die an getötete und deportierte NS-Opfer erinnert. Die Aufkleber hätten sich rückstandslos entfernen lassen, erläuterte die Polizeisprecherin. Die Tat müsse sich am Wochenende ereignet haben.

Die Bundesregierung hat den Tod einer deutschen Geisel im Gazastreifen bestätigt. "Nach uns vorliegenden Erkenntnissen müssen wir den Tod einer weiteren Person mit deutscher Staatsangehörigkeit bestätigen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Näheres zur Identität gibt er nicht bekannt. Die Familie der entführten Deutsch-Israelin Shani Louk hatte zuvor mitgeteilt, dass die Frau tot sei.

Israelische Menschenrechtler haben Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser im besetzten Westjordanland verurteilt. Die internationale Gemeinschaft sei aufgefordert, "dringend zu handeln, um die staatlich unterstützte Welle der Siedlergewalt zu stoppen, die zur gewaltsamen Umsiedlung palästinensischer Gemeinden im Westjordanland geführt hat und führt", heißt es laut israelischen Medienberichten in einem gemeinsamen Aufruf von 30 Menschenrechts- und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Die Gruppen argumentierten in ihrem Appell, die Siedler nutzten aus, dass es nach den Massakern der Hamas vom 7. Oktober zu einer mangelnden Aufmerksamkeit im Westjordanland und einer allgemein antipalästinensischen Stimmung gekommen sei und eskalierten ihre Gewalt gegen Palästinenser. Der Regierung warfen sie vor, die Gewalt nicht nur zu unterstützen, sondern in vielen Fällen aktiv daran beteiligt zu sein.

Israelische Panzer blockieren offenbar die wichtigste Straße zwischen dem Norden und dem Süden des Gazastreifens. Das berichteten Augenzeugen der Nachrichtenagentur AFP. "Sie haben die Salaheddin-Straße abgeschnitten und schießen auf jedes Auto, das dort fährt", sagte ein Zeuge den Angaben zufolge. Die Panzer und die israelische Luftwaffe beschossen die wichtige Verkehrsachse demnach auf einer Länge von einem Kilometer. Die Straße sei von großen Kratern übersät und nicht mehr befahrbar.

Auch auf Bildern in sozialen Medien sah es so aus, dass israelische Panzer auf einer Hauptstraße im Gazastreifen vorrückten.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Südafrika will die israelischen Streitkräfte wegen der Tötung von Kindern im Gazastreifen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft ziehen lassen. Die Todesfälle seien "eine direkte Folge der rechtswidrigen Handlungen Israels gegen die Menschen in Gaza", hieß es in einer Mitteilung des südafrikanischen Außenministeriums. Ministerin Naledi Pandor forderte einen "sofortigen Waffenstillstand" sowie die "sofortige Eröffnung eines humanitären Korridors".

Südafrika forderte zudem die Vereinten Nationen auf, eine Spezialtruppe zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung vor weiteren Bombardierungen einzusetzen. Als eines der wirtschaftsstärksten und modernsten Länder Afrikas gilt Südafrika als Vorbild und Sprachrohr für viele Staaten des Kontinents. Auch durch seine langjährige Mitgliedschaft in der BRICS-Gruppe - zusammen mit Brasilien, Russland, Indien und China - genießt Südafrika Einfluss auf dem Kontinent.

Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian hat mit seinem Amtskollegen im Vatikan über den Krieg in Gaza telefoniert. Das Gespräch habe auf Wunsch Teherans stattgefunden, teilte das vatikanische Presseamt mit. Der Außenbeauftragte des Papstes, Erzbischof Paul Richard Gallagher, habe die Sorge des Heiligen Stuhls über die Geschehnisse in Israel und Palästina zum Ausdruck gebracht und die "absolute Notwendigkeit" bekräftigt, eine Ausweitung des Konflikts zu vermeiden und eine Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen.

Angesichts der Krise in Nahost bemühen sich unterschiedliche Akteure um Rückhalt des Heiligen Stuhls, dessen Stimme in internationalen Fragen moralisches Gewicht beigemessen wird. Am Donnerstag führte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Telefonat mit Papst Franziskus. Ebenfalls in den vergangenen Tagen bemühte sich Israels Botschaft, ein Treffen von Angehörigen der israelischen Geiseln der Hamas mit dem Kirchenoberhaupt zu arrangieren.

Nach gewaltsamen antijüdischen Protesten in der muslimisch geprägten russischen Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus haben Behörden gezielte Destabilisierungsversuche beklagt. Das zentrale russische Ermittlungskomitee teilte in Moskau mit, die Menschen seien über Telegram-Kanäle zu gewaltsamen Protesten aufgerufen worden und hätten dann "Pogrome" begangen. Eine wütende Menge war laut Behörden am Sonntag in den Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala eingedrungen und gewaltsam gegen Menschen, die mit einem Flugzeug aus Israel angekommen waren, vorgegangen.

Der Präsident der Republik, Sergej Melikow, sprach bei einem Besuch auf dem Airport von einem gezielten Versuch, die Lage in Dagestan destabilisieren zu wollen. Er warf Kräften in der Ukraine vor, die Bürger über Telegram-Kanäle zu religiösem Hass und Gewalt aufgerufen zu haben. In der Region im Nordkaukasus kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Protesten auch etwa gegen die Zwangsrekrutierung von Bürgern für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Melikow warf den "Feinden Russlands" vor, Spannungen im Land schüren zu wollen.

Als "weiter sehr, sehr angespannt" bezeichnet ARD-Korrespondent Simon Riesche die Lage im Libanon. Die große Eskalation, die die Menschen befürchteten, sei bislang ausgeblieben. Die vor Ort aktive militant islamistische Hisbollah habe "viel zu verlieren". Die Situation könne sich aber schnell ändern.

Simon Riesche, ARD Kairo, zur angespannten Lage im Libanon

30.10.2023 • 10:03 Uhr

ZWST: "Zäsur ungeahnten Ausmaßes"

Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) registriert infolge des Krieges in Nahost mehr antisemitische Vorfälle. Laura Cazes, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Digitalisierung bei der ZWST, sagte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF: "Seit dem 7. Oktober haben Antisemitismus und antisemitische Vorfälle in Form von Gewalt, Ausschreitungen, Diskriminierung und auch direkten Angriffen gegen Jüdinnen und Juden zugenommen."

Zwar sei man mit "alltäglichem Antisemitismus" seit Jahren befasst, doch das Ausmaß, in dem sich Antisemitismus nun gegenüber der "jüdischen Community" zeige, habe es vorher nicht gegeben. Das Massaker der islamistischen Hamas in Israel vom 7. Oktober und der darauf folgende Krieg in Nahost wirken nach ihrer Einschätzung als "Zäsur ungeahnten Ausmaßes". Die Wohlfahrtsstelle mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein sozialer Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland.

Großbritannien macht sich laut Außenminister James Cleverly für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen stark. "Wir arbeiten intensiv mit den Ägyptern, den Israelis und anderen zusammen, um eine humanitäre Feuerpause zu erreichen - eine vorübergehende Pause, damit wir die humanitäre Hilfe zu den Menschen bringen können, die sie brauchen", sagt Cleverly der Nachrichtenagentur Reuters in der Residenz des britischen Botschafters in Abu Dhabi. Hilfe komme zwar in spärlichem Maße an, aber es sei deutlich mehr nötig.

Die israelische Armee hat einem Sprecher zufolge mehr als 600 Ziele binnen 24 Stunden im Gazastreifen getroffen. Am Vortag hatte sie noch von 450 Zielen gesprochen. Die Angriffe zählten zu den heftigsten seit dem Großangriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober. Als Reaktion auf den Hamas-Angriff hatte Israel den Gazastreifen abgeriegelt, massive Luftangriffe auf das Palästinensergebiet gestartet und eine Bodenoffensive angekündigt.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die seit dem Hamas-Terrorüberfall auf Israel vermisste Deutsche Shani Louk ist nach Angaben ihrer Mutter tot. Das habe ihr das israelische Militär mitgeteilt, sagte Ricarda Louk der Nachrichtenagentur dpa zufolge. Zunächst hatte RTL/ntv berichtet.

Auf Wunsch der Vereinigten Arabischen Emirate kommt der UN-Sicherheitsrat heute zu einem weiteren Krisentreffen zusammen. Die Vereinigten Arabischen Emirate arbeiten als eines von zehn gewählten Mitgliedern des Sicherheitsrats derzeit an einer neuen Resolution zum Krieg zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas. Bislang hat der Sicherheitsrat vier Resolutionsentwürfe zum Thema abgelehnt. Gegen einen Entwurf legten die USA ihr Veto ein, gegen einen anderen protestierten Russland und China als ständige Mitglieder. Zwei Entwürfe bekamen nicht genug Ja-Stimmen. Die UN-Vollversammlung hatte am Freitag eine Resolution mit der Aufforderung zu einer humanitären Waffenruhe angenommen. Dort gibt es keine Vetomöglichkeit. Resolutionen der Vollversammlung sind rechtlich nicht bindend, Resolutionen des Sicherheitsrats schon.

Die ehemalige israelische Außenministerin Tzipi Livni hat Unverständnis für die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung über die umstrittene UN-Resolution zum Krieg im Nahen Osten gezeigt. Sie habe die Erwartung an die internationale Gemeinschaft, zuerst den Terror der Hamas gegen Israel zu verurteilen. Das reiche aber nicht aus, sagte Livni im Deutschlandfunk. Es gehe auch darum, Israel in seinem Kampf gegen die "bösartige Terrororganisation" Hamas zu unterstützen.

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hatte am Freitag eine Resolution zum Krieg im Nahen Osten verabschiedet, in der eine humanitäre Waffenruhe im Gazastreifen gefordert wird, in der aber die Terrorangriffe der Hamas auf Israel nicht verurteilt werden. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat die Äußerungen der Klimaaktivistin Greta Thunberg sowie Fridays for Future (FFF) International zum Nahostkonflikt kritisiert. "Fridays For Future hat ohne Zweifel unschätzbare Verdienste", sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Die unsäglichen Äußerungen von Greta Thunberg und Fridays For Future International zum Terrorangriff auf Israel" zerstörten "aber das große Vertrauen", das gerade auch viele junge Menschen in die Bewegung hätten. Es sei daher richtig und "dringend notwendig" gewesen, dass sich FFF Deutschland und ihre Mitgründerin Luisa Neubauer klar und eindeutig von FFF International abgegrenzt hätten, sagte Lemke. Es sei notwendig gewesen klarzustellen, "dass sie den Terror der Hamas uneingeschränkt verurteilen und die Unverhandelbarkeit des Existenzrechts Israels betonen". 

Auf Instagram hatte die internationale Organisation behauptet, weltweite Medien seien "von imperialistischen Regierungen finanziert, die hinter Israel stehen". Die Gruppierung sprach von einer "Gehirnwäsche" und bezeichnete Israel als "Apartheidssystem". Die von der radikalislamischen Hamas ermordeten Israelis wurden mit keinem Wort erwähnt. Thunberg hatte in sozialen Netzwerken zu einem Streik für Solidarität mit den Palästinensern aufgerufen. 

Bei Zusammenstößen mit israelischen Sicherheitskräften sind nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums im Westjordanland vier Palästinenser getötet worden. Fünf weitere Palästinenser seien in Dschenin verletzt worden, hieß es. Zwei davon seien schwer verletzt. In israelischen Medien wurde gemeldet, es habe ein heftiges Feuergefecht zwischen israelischen Truppen und Palästinensern gegeben. Dabei sei es auch zu Drohnenangriffen gekommen.

Die Gewalt im Westjordanland hat seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen zugenommen. Seitdem wurden nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) 115 Palästinenser getötet, darunter 33 Minderjährige. Die Hälfte der Todesfälle habe es bei Zusammenstößen nach israelischen Razzien gegeben.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bei den antisemitischen Ausschreitungen auf einem Flughafen in der muslimisch geprägten Kaukasusrepublik Dagestan hat die Polizei nach Angaben des russischen Innenministeriums 60 Menschen festgenommen. Die Beamten hätten zudem vollständig die Kontrolle über den Airport in der Stadt Machatschkala übernommen. "Mehr als 150 aktive Teilnehmer an den Unruhen wurden identifiziert", teilte die Behörde laut der Nachrichtenagentur AFP mit. Neun Polizisten seien verletzt, zwei von ihnen seien ins Krankenhaus gebracht worden.

Hunderte Menschen hatten das Gelände am Sonntag gestürmt, als ein Flugzeug aus Israel landete. Sie schwenkten palästinensische Fahnen, zerstörten Glastüren und riefen "Allahu Akbar", wie auf Videoaufnahmen zu sehen ist. Nach Angaben lokaler Behörden wurden 20 Menschen verletzt, bevor die Unruhen eingedämmt werden konnten. Die Flugzeugpassagiere befanden sich Sicherheitskräften zufolge in Sicherheit.

30.10.2023 • 08:05 Uhr

"Das ist großes Leid"

"Allein in meiner Familie werden vier Menschen vermisst. Ein Vater und drei Kinder." Seit über 20 Tagen herrscht für Fuad Seafni nun schon Ungewissheit, berichtet ARD-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler in seiner Reportage.

Über Politik möchte der Mann nicht sprechen. Auch nicht darüber, dass Beduinen, arabische oder palästinensische Opfer des Terrorangriffs der Hamas eher wenig Beachtung finden. Vielmehr will er erzählen, dass einmal in der Woche jüdische Israelis in Rahad vorbeikommen, um ihnen bei einem Hilfsprojekt zu helfen.

Die Bodentruppen der israelischen Armee haben bei ihrem Vorstoß im Gazastreifen nach eigenen Angaben zahlreiche Terroristen getötet. Wie das israelische Militär auf Telegram mitteilte, hatte sich der Gegner in Gebäuden und Tunneln verbarrikadiert und versucht, die israelischen Soldaten anzugreifen. Ein von den Bodentruppen angeleitetes Kampfflugzeug habe ein Gebäude der militant-islamistischen Hamas bombardiert, in dem sich mehr als 20 der Terroristen aufhielten. In den vergangenen Tagen seien mehr als 600 Terrorziele angegriffen worden, darunter Waffendepots, Dutzende Abschusspositionen für Panzerabwehrraketen sowie Verstecke und Stützpunkte der Hamas.

Wie der US-Fernsehsender CNN auf Basis ausgewerteter eigener Luftaufnahmen berichtete, ist Israel inzwischen etwa drei Kilometer in den Gazastreifen vorgestoßen. Der Küstenstreifen ist etwa 40 Kilometer lang und zwischen sechs und 14 Kilometer breit und damit etwas größer als München. Statt eines plötzlichen Großangriffs setzt Israels Militär offenbar eher auf eine allmähliche Ausweitung seiner Bodeneinsätze gegen die Hamas.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

UN-Angaben zufolge sind erneut mehr als 30 Lastwagen mit Hilfslieferungen im Gazastreifen angekommen. Es handele sich um "die größte Lieferung von humanitärer Hilfe seit dem 21. Oktober", erklärte das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) am frühen Morgen. Demnach überquerten 33 Lastwagen mit Wasser, Lebensmitteln und medizinischen Hilfsgütern am Sonntag den Grenzübergang in Rafah.

Wie OCHA mitteilte, sind seit der jüngsten Eskalation des Nahostkonflikts 117 Lastwagen mit Hilfslieferungen aus Ägypten in den Gazastreifen gelangt. Vor der Abriegelung des Palästinensergebiets durch Israel fuhren täglich etwa 500 solche Lastwagen in den Gazastreifen.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat davor gewarnt, den Zugang zu humanitärer Hilfe für Menschen im Gazastreifen zu blockieren. "Die Behinderung von Hilfslieferungen, wie sie in den Genfer Konventionen vorgesehen sind, könnte eine Straftat darstellen, für die das Gericht zuständig ist", sagte Karim Khan nach einem Besuch am Grenzübergang in Rafah.

Er wolle gegenüber Israel deutlich machen, dass "unverzüglich erkennbare Anstrengungen unternommen werden müssen", um sicherzustellen, dass die Zivilbevölkerung im von der Hamas regierten Gazastreifen mit Grundnahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werde, sagte Khan in Kairo. Khan erläuterte, er habe "Lastwagen voller humanitärer Hilfsgüter gesehen, die dort festsaßen, wo niemand sie braucht". Diese müssten ohne Verzögerung zu den Zivilisten im Gazastreifen gebracht werden.

Karim Khan

Der Brite Karim Khan hat seit rund zwei Jahren die Position des Chefanklägers am Internationalen Strafgerichtshof inne. Zuvor leitete er UN-Untersuchungen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.

Israelische Luftangriffe haben laut palästinensischen Medienberichten Gebiete in der Nähe der Krankenhäuser Shifa und Al-Kuds in Gaza-Stadt getroffen. Auch im Grenzgebiet östlich der Stadt Khan Younis im Süden des Gazastreifens sei es zu Gefechten zwischen militanten Palästinensern und israelischen Truppen gekommen, berichten palästinensische Medien. Weder die Hamas noch das israelische Militär äußerten sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters zu den Kämpfen.

Im Internet veröffentlichte Bilder zeigen israelische Soldaten, die tief im Gazastreifen eine israelische Flagge schwenken, was auf einen möglichen Versuch hindeutet, die Hauptstadt des Gazastreifens zu umzingeln, zwei Tage nachdem die israelische Regierung eine Ausweitung der Bodenangriffe an der Ostgrenze des Landes angeordnet hat.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

In Pakistan haben am Sonntag Tausende Menschen gegen die israelische Bombardierung der Palästinenser im Gazastreifen demonstriert. Bei einem Protestmarsch in der Hauptstadt Islamabad skandierten sie antiisraelische und antiamerikanische Parolen. "Es reicht nicht aus, nur Medikamente und Hilfsgüter zu schicken", rief Sirajul Haq, Chef der wichtigsten religiösen Partei Pakistans, Jamaat-e-Islami. Es sei die Aufgabe der Welt, insbesondere der Staatschefs muslimischer Länder, "die Hand des Aggressors aufzuhalten".

Haq forderte die Anführer der muslimischen Welt auf, sich für Gaza zu erheben und sich auf Gott zu verlassen, anstatt sich, wie er sagte, zum Sklaven Amerikas zu machen. Seine Partei werde weiterhin ihre Stimme für die Palästinenser erheben, bis diese ihr Land befreit hätten.

Der neue Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, will entgegen dem Vorschlag von US-Präsident Joe Biden ein eigenständiges Hilfspaket für Israel auf den Weg bringen. "Wir werden diese Woche einen separaten Gesetzentwurf zur Finanzierung Israels einbringen", sagte Johnson.

Es gebe viele Dinge in der Welt, um die man sich kümmern müsse, aber im Moment erfordere das, was in Israel passiere, die meiste Aufmerksamkeit. Biden hatte den Kongress aufgefordert, zusätzliche Mittel in Höhe von 106 Milliarden US-Dollar für die Ukraine und Israel zu bewilligen, wovon der Großteil in die Stärkung der ukrainischen Verteidigung gegen Russland fließen soll.

Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hat an die Bundesregierung appelliert, sich in internationalen Organisationen stärker für Israel einzusetzen. "Seit Jahren reflektiert zum Beispiel das Abstimmungsverhalten Deutschlands in der UN nicht das besondere Verhältnis unserer beiden Staaten", sagte Prosor der Zeitung "Rheinische Post".

Er wünsche sich mehr Unterstützung in internationalen Gremien. "Auch kann Deutschland uns in der EU mehr helfen." Für Israel sei das "unheimlich wichtig". Denn Israel werde "dämonisiert und delegitimiert. Und das seit Jahren". Israel sei ein demokratischer Staat, nur werde er oft behandelt, als sei er keiner.

Ein Konvoi aus Lastwagen mit Hilfsgütern ist einem israelischen Medienbericht zufolge in den abgeriegelten Gazastreifen gelangt. Wie die israelische Nachrichtenseite Ynet unter Berufung auf Beamte am ägyptischen Grenzübergang Rafah berichtete, überquerten am Abend 23 Lastwagen mit humanitärer Hilfe die Grenze zum Gazastreifen. Insgesamt hätten damit an dem Tag 33 Lastwagen das Gebiet erreicht.

Seit Kriegsbeginn war es der bisher größte Tageskonvoi. Dennoch reicht dies nach Angaben von Hilfsorganisationen immer noch nicht aus, um die mehr als 2,2 Millionen Einwohner im Gazastreifen zu versorgen.

Bei den Übergriffen auf dem Flughafen Machatschkala in der russischen Republik Dagestan sind nach offiziellen Angaben mindestens 20 Menschen verletzt worden. Zwei von ihnen seien in kritischem Zustand, teilten die örtlichen Gesundheitsbehörden mit. Die Passagiere des Flugzeugs seien "an einem sicheren Ort", sagten Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur Reuters.

Machatschkala ist eine von mehreren Regionen im Nordkaukasus, in denen große muslimische Gemeinschaften leben. Nach der Landung eines Flugzeugs aus Tel Aviv hatte ein mutmaßlich über Israels Vorgehen im Gaza-Krieg aufgebrachter Mob den Flughafen gestürmt.

In einem Video, das Reuters vorliegt, ist zu sehen, wie vor allem Männer Palästina-Flaggen schwenken, Glastüren einschlagen und durch den Flughafen rennen und "Allahu Akbar" oder "Gott ist der Größte" rufen. Eine andere Gruppe zertrümmert draußen einen weißen Lastwagen, auf dem in russischer Sprache die Initialen eines Patrouillendienstes zu sehen sind.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte der "Bild", Jubel für Terrorismus, Antisemitismus oder Gewalt gegen Minderheiten sei niederträchtig und habe keinen Platz in Europa. "Unsere offenen demokratischen Gesellschaften sind Europas große Stärke. Offenheit macht aber auch verwundbar. Deswegen müssen wir den Anfängen wehren, wo immer sich Hass gegen Andersdenkende zeigt, ob im Netz oder auf unseren Straßen."

Nach Angaben der israelischen Armee hat die Hamas deutlich mehr Menschen verschleppt als zunächst befürchtet. Bundeskanzler Scholz hat nach viel Kritik die Enthaltung Deutschlands zur UN Resolution verteidigt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. Oktober 2023 um 09:00 Uhr.