Gasspeicher des spanischen Energieunternehmens Enagas im Hafen von Barcelona.

Gipfelentwurf EU erwägt gemeinsamen Gaseinkauf

Stand: 22.03.2022 15:03 Uhr

Die EU plant offenbar, ihre Kräfte beim Einkauf von Gas, LNG und Wasserstoff zu bündeln. Ein entsprechender Beschluss könnte noch diese Woche gefasst werden.

Von Detlev Landmesser, tagesschau.de

Die Regierungen der Europäischen Union planen offenbar, künftig gemeinsam Gas, Flüssiggas und Wasserstoff in Drittstaaten einzukaufen. Das geht aus einem von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehenen Entwurf für die Erklärung des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag hervor.

"Mit Blick auf den nächsten Winter werden die Mitgliedstaaten und die Kommission dringend (...) beim gemeinsamen Kauf von Gas, LNG und Wasserstoff zusammenarbeiten", heißt es darin.

Preise wegen des Kriegs auf Rekordständen

Die russische Invasion der Ukraine hatte den Anstieg der Energiepreise beschleunigt und diese auf Rekordhöhen getrieben. Russland liefert rund 40 Prozent des Gases der EU. Daher will die Union möglichst schnell von russischen Importen unabhängig werden. So soll insbesondere mehr Flüssiggas (LNG) etwa in Katar oder den USA eingekauft werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte gerade in Katar höhere Liefermengen für die geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel vereinbart.

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs treffen sich am Donnerstag und Freitag in Brüssel. Auf dem Gipfel dürften ebenfalls Regeln für die Befüllung der Gasspeicher in der EU vor dem Winter beschlossen werden.

Zusammenschluss verspricht mehr Marktmacht

Aus ökonomischer Sicht versprechen Einkaufsgemeinschaften mehr Marktmacht und damit mehr Einfluss auf die Preise, aber auch die gelieferten Mengen. "Die Idee ist attraktiv, sich zusammenzuschließen und damit größere Volumina und einen größeren Hebel in den Verhandlungen mit den Lieferanten zu haben", kommentiert Andreas Schroeder, leitender Analyst beim Energiemarktforscher ICIS.

Im vergangenen Jahr hatte die Kommission ein System vorgeschlagen, mit dem die EU-Länder gemeinsam strategische Gasvorräte kaufen können. "Die Idee einer 'Energy Union', eines Nachfragekartells der EU, ist nicht neu", erklärt Schroeder. Während Polen diese Idee schön früher aus sicherheitspolitischen Gründen angestoßen habe, habe sich Deutschland angesichts stabiler und günstiger Gaslieferungen aus Russland in einer komfortablen Lage gefühlt und solche Pläne stets als Markteingriffe abgelehnt.

"Energy Union" als feste Struktur?

Auf dem Ölmarkt hatten 16 Industriestaaten bereits 1974 die Internationale Energieagentur IEA als Antwort auf die Ölkrise und die Marktmacht des Ölkartells OPEC gegründet. Die IEA mit Sitz in Paris unterhält strategische Ölreserven und hat mittlerweile zahlreiche Beratungs- und Forschungsaufgaben.

Eine auf Dauer angelegte Einkaufsgemeinschaft der EU-Staaten bräuchte ebenfalls ein festes Regelwerk und eine organisatorische Struktur. Dabei könnte die Gemeinschaft auf Erfahrungen mit der IEA zurückgreifen.

Die Agentur, deren wichtigste Publikation der jährliche "World Energy Outlook" ist, gilt als stark fokussiert auf fossile Brennstoffe und hatte sich in der Vergangenheit drastische Fehleinschätzungen insbesondere zur künftigen Bedeutung erneuerbarer Energien geleistet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 22. März 2022 um 10:05 Uhr.