Steuerschätzung Mehreinnahmen zur rechten Zeit
Trotz Energiekrise und Konjunkturflaute prognostizieren die Steuerschätzer für die kommenden Jahre Mehreinnahmen. Finanzminister Lindner und der Bund können das erwartete Plus besonders bei ihren Entlastungsplanungen gut gebrauchen.
Die Energiekrise sorgt für düstere wirtschaftliche Aussichten - die Steuereinnahmen des Staates werden in diesen Zeiten aber voraussichtlich kräftig steigen.
Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen bis 2026 rund 126,4 Milliarden Euro mehr einnehmen als noch im Mai erwartet. Das teilte das Finanzministerium mit. In diesem Jahr sollen die Steuereinnahmen allerdings um 1,7 Milliarden Euro geringer als vorhergesagt ausfallen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte bei der Vorstellung der Zahlen, die Ergebnisse seien getragen von einem robusten Arbeitsmarkt und einer insgesamt guten Entwicklung der Unternehmensgewinne. Gleichzeitig sagte er aber auch: "Die aktuellen Schätzergebnisse sind geprägt von hoher Unsicherheit". Die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung seien groß, insbesondere mit Blick auf mögliche Engpässe in der Energieversorgung in den kommenden Monaten.
Zahlenwerk bildet Spielraum für Entlastungen ab
Dieses Mal haben die Zahlen noch größere Bedeutung als sonst: Sie liefern nicht nur die endgültigen Grundlagen für den Bundesetat 2023, an den der Haushaltsausschuss des Bundestages am 10. November in der Bereinigungssitzung letzte Hand anlegen will.
Das Zahlenwerk soll auch den Spielraum abbilden für die Beratungen von Bund und Ländern am 2. November, in welchem Umfang Verbraucher und Wirtschaft bei den Energiepreisen etwa in Form einer Gaspreisbremse entlastet werden können.
Lindner will 2023 Schuldenbremse wieder einhalten
Die zusätzlichen Steuereinnahmen dürften Linder zudem im kommenden Jahr helfen: Er plant, 2023 die wegen der Corona-Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse wieder voll einzuhalten. Die Steuerexperten erwarten für 2023 Mehreinnahmen in Höhe von 8,9 Milliarden Euro. Das würde Rekordeinnahmen von 937,3 Milliarden Euro bedeuten.
Große Sprünge kann der Finanzminister voraussichtlich dennoch nicht machen, denn auch im kommenden Jahr könnten erneut Entlastungen wegen der hohen Preise für die Bürgerinnen und Bürger nötig werden.
Lindner wies zudem darauf hin, dass ein großer Teil der zusätzlichen Einnahmen bereits für weitere Entlastungen eingeplant sei. So sollen ab kommendem Jahr der steuerliche Grundfreibetrag und das Kindergeld steigen; außerdem soll der Steuertarif insgesamt korrigiert werden, um die Folgen der Inflation auszugleichen.
Die entsprechenden Gesetze habe die Bundesregierung zwar schon auf den Weg gebracht, da sie aber noch nicht endgültig beschlossen sind, konnten sie nicht in die Berechnungen der Steuerschätzer einfließen.
"Spielräume für zusätzliche Ausgaben gibt es keine", so Lindner. Er bekräftigte zugleich sein Vorhaben, auf denjenigen Teil der Zusatzeinnahmen, der auf die derzeit sehr hohe Inflation zurückzuführen sei, verzichten zu wollen. Dazu solle das bereits vorgelegte Inflationsausgleichsgesetz noch einmal nachgeschärft werden.
Inflation und robuster Arbeitsmarkt tragen zu Steuerplus bei
Die steigenden Steuereinnahmen sind unter anderem auf die derzeit hohe Inflationsrate zurückzuführen. Solange die Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Konsum nicht einschränken, begünstigt die Inflation Steuereinnahmen. Denn wenn Waren teurer werden, steigen auch die Einnahmen aus den Steuern, die darauf zu entrichten sind. Vor allem die Mehrwertsteuer spült mehr Geld in die Kassen.
Auch die Beschäftigtenzahl hat einen positiven Effekt auf die Steuereinnahmen: Wenn viele Menschen angestellt sind, fließen mehr Lohn- und Einkommenssteuereinnahmen in die Staatskasse.
Trotz der Krise zeigte sich der Arbeitsmarkt zuletzt robust. Führende Wirtschaftsinstitute erwarten jedoch im nächsten Jahr wegen des Konjunktureinbruchs einen Anstieg der Arbeitslosenquote.
Bundesregierung senkt Konjunkturprognose
Wegen der Energiekrise hatte die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose zuletzt gesenkt. In ihrer Herbstprojektion erwartet sie für dieses Jahr nur noch ein kleines Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, im kommenden Jahr schrumpft die Wirtschaft demnach um 0,4 Prozent. Für 2024 wird mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 2,3 Prozent gerechnet - die Steuereinnahmen sollen dann auf rund 993 Milliarden Euro zulegen.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und im Herbst. In dem Gremium sitzen Experten der Bundesregierung, der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, Vertreter der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen.