Fachkräfte aus dem Ausland Überstunden oder Steuerrabatt - was hilft wirklich?
Die Ampel möchte durch steuerliche Vorteile mehr Fachkräfte anlocken. Dabei sind die eigentlichen Probleme andere: zu viel Bürokratie, zu wenig Wohnraum. Das zeigt sich etwa bei der Firma Bagela in Schleswig-Holstein.
Mit Metall kennt Andrii Bobrovskyi sich aus. Früher arbeitete der 40-Jährige in einem Stahlwerk in der Ukraine. Dann kam der Krieg. Andrii erlitt schwere Verletzungen und wurde für die Operation nach Deutschland gebracht. Seit knapp drei Monaten arbeitet er bei der Baumaschinenfirma Bagela im schleswig-holsteinischen Kaltenkirchen. Er will anpacken, seinem alten Beruf nachgehen.
Nur mit der Sprache hapert es noch. Kollege Tom Anlauf zeigt ihm, wie die Schrauben am Motor der Maschine richtig angezogen werden. Tom macht vor, Andrii nach, und lernt dabei die Fachbegriffe. "Lernen durch Zuschauen, Lernen durch Zeigen und Nachmachen", nennt Geschäftsführer Christof Dammeyer das. Und es funktioniert. Die wichtigen Wörter und Prozesse kennt Andrii.
Ein Zehntel aus dem Ausland
Er ist einer von sechs ausländischen Fachkräften bei dem Baumaschinenhersteller Bagela. 60 Mitarbeiter hat die Firma insgesamt. Die Angestellten kommen aus Kenia, dem Iran, Irak, Afghanistan und der Ukraine. Sie arbeiten im Vertrieb, im Maschinenbau oder als Industriezeichner.
"Wir probieren es einfach aus. Wir sehen innerhalb von sechs Wochen, ob die Person dafür geeignet ist oder die Fähigkeit lernen will. Die Systematik über Ausbildung und Ausbildungsnachweise zu gehen und die deutsche Sprache nachweisen zu müssen, das hält für viele Jahre auf", erzählt Dammeyer.
Zeit, die das stark wachsende Unternehmen nicht hat. Bagela stellt Maschinen für die Kabel- und Rohrverlegung für den Glasfaser- und Stromnetzausbau her. Essenziell für die Digitalisierung und Energiewende. Das Unternehmen exportiert seine Maschinen in die ganze Welt.
"Wir könnten viel mehr Menschen gebrauchen, die aktiv arbeiten wollen, aber oft scheitert es an der Anerkennung der Qualifikation oder den Sprachkenntnissen", sagt Geschäftsführer Dammeyer.
Überstunden als Lösung zur Überbrückung
Bis er neues Personal findet, behilft der Unternehmer sich mit Überstunden. Die Idee der Regierung, dass diese steuerfrei sein sollten, findet er gut. "Mehrarbeit muss sich lohnen", sagt er, davon hätten alle etwas.
Ein Steuerbonus hingegen sei "das falsche Signal". Um die Fachkräftelücke zu schließen, will die Ampel ausländische Fachkräfte mit Steuerrabatten nach Deutschland locken. Die Idee: Für ausländische Fachkräfte sollen im ersten Jahr 30 Prozent des Bruttolohns steuerfrei sein, im zweiten Jahr 20 Prozent und im dritten Jahr zehn Prozent.
Christof Dammeyer hält davon nichts. Die wahren Probleme seien andere: fehlender Wohnraum für die Mitarbeiter und dass er immer wieder Leuten absagen muss, weil deren Ausbildung nicht anerkannt wird. "Eine erneute Ausbildung in Deutschland anzufangen ist teuer und kostet Zeit. Selbst hier im Speckgürtel von Hamburg finden meine Azubis keine Wohnungen mehr", erzählt er.
Leere Büros als Wohnflächen?
Am liebsten würde Dammeyer leere Büroflächen als Wohnflächen für die ersten sechs Monate nutzen, bis seine Mitarbeiter eine eigene Wohnung gefunden haben, aber das erlaubt die Stadt nicht. Er wünscht sich weniger "Pauschallösungen". "Wir können hier nur die Einzelfälle betrachten, jede einzelne Person muss in Arbeit gebracht werden."
So wie Mehdi Aghajari aus dem Iran. Er ist Technischer Zeichner bei Bagela, erstellt 2D- und 3D-Modelle der Baumaschinen. Er beherrscht das wichtige Computerprogramm Solid Works und hat einen Bachelor in Maschinenbau. Trotzdem fand er vor Bagela keinen passenden Job.
Vorurteile spielen eine große Rolle
"Viele Firmen glauben nicht, dass ausländische Fachkräfte wirklich gut sind. Wir wollen einfach eine Chance haben und zeigen, dass wir gut sind", sagt Mehdi.
Auch er hält von dem geplanten Steuerrabatt nichts: "Egal ob man deutsch ist oder Ausländer. Alle müssen gleich sein. Die Regierung kann die Ausländer am Anfang unterstützen, aber nicht zu lange." Weniger Bürokratie und kürzere Visaverfahren wären besser und wirksamer für alle, findet der Industriezeichner.
Mehdi, Andrii und die anderen Mitarbeiter sehen ihre Zukunft in Deutschland, sie wollen hier arbeiten und dauerhaft in der Region bleiben.