Eisschollen im Weddellmeer in der Antarktis, dem größten der etwa 14 Randmeere des Südlichen Ozeans.

Klimawandel Der Teufelskreis mit dem Polareis 

Stand: 29.12.2024 11:27 Uhr

Wärmere Temperaturen führen nicht nur dazu, dass immer mehr Meereis und Gletscher schmelzen. Auch das schmelzende Eis führt seinerseits zu immer höheren Temperaturen. Die jüngsten Entwicklungen in der Antarktis lassen Forscher jetzt aufschrecken.

Von Yasmin Appelhans, NDR

An den Polen unserer Erde spielt sich Dramatisches ab, erläutert die Meereisphysikerin Stefanie Arndt vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Denn schon seit einigen Jahrzehnten zieht sich das arktische Meereis zurück.

"Aber jetzt folgt dem ja auch die Antarktis und, ganz insbesondere in den vergangenen zwei Jahren, ja auch im Winter. Und diese Veränderung ist das, was uns sehr stark aufschrecken lässt", sagt sie.  

 

Kühlschrank der Erde taut weg

Denn weniger Meer- und Inlandeis an den Polen kann auch zu einem beschleunigten Klimawandel führen. Das liegt zum Beispiel daran, dass die weißen Oberflächen normalerweise wie ein Spiegel Sonnenstrahlen und damit Wärme ins Weltall zurückstrahlen. Stefanie Arndt bezeichnet deshalb die Polarregionen als “Kühlschrank der Erde” und sagt: "Genau dieser Kühlschrank fängt nun an abzutauen, und das sorgt dafür, dass immer mehr Energie auf der Erde bleibt."    

Das wirkt sich schon heute auf das Klima aus. Denn schon in diesem Jahr wird die im Pariser Klimaabkommen verankerte 1,5 Grad-Grenze laut der  Weltorganisation für Meteorologie und dem Wetterdienst Copernicus zwar nicht langfristig, aber kurzzeitig das erste Mal gerissen. "Und dazu tragen eben im Wesentlichen genau diese Veränderungen in den Polarregionen bei, sagt Arndt.   

 

Von Kohlenstoffsenke zu Kohlenstoffquelle

Dass die Wärme nicht mehr vom Eis reflektiert wird, ist der eine Beschleunigungsfaktor für die Klimaerwärmung. Aber die jetzt so schnell schmelzenden Pole beeinflussen das Klima noch auf andere Weise: Taut zum Beispiel in Permafrostgebieten das Eis, setzt das Treibhausgase frei, die direkt einen Einfluss auf die Temperaturen auf der Erde haben. Die arktische Tundra etwa soll der US-Ozeanografie- und Atmosphärenbehörde NOAA zufolge inzwischen mehr CO2 produzieren, als sie speichert.

Dazu kann schmelzendes Eis noch einen indirekten Effekt auf die sogenannten Kippelemente haben, erklärt Nico Wunderling vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung : "Wenn Grönland schmilzt, dann kommt Schmelzwasser in die Atlantische Ozeanzirkulation und schwächt diese ab."  

Als Kippelemente bezeichnet man Teile des Klimasystems, die sich wie Dominosteine verhalten: Schon durch kleine Störungen können sie in einen anderen Zustand versetzt werden und dadurch das Klima ändern. Und kippt ein Element, wie in dem Fall das schmelzende Eis, dann kann das eine Kaskade auslösen und andere Kippelemente beeinflussen - wie die Abschwächung der Nordatlantischen Ozeanzirkulation.  

 

Eisschilde machen größten Unterschied

In einer neuen Studie hat Wunderling mit Kolleginnen und Kollegen untersucht, wie groß genau dieser Kaskadeneffekt sein kann. "Was wir herausgefunden haben, ist: Insbesondere bei den Temperaturen, bei denen wir jetzt ungefähr sind, also etwa 1,5 Grad, da sind vor allem die großen Eisschilde die Elemente, die für Unterschiede im Kipprisiko entscheidend sind", erklärt er. Das bedeutet: Schmelzen die Eisschilde schon früher ab, als es bisherige Modelle berechnen, dann gibt es auch bereits jetzt schon ein großes Risiko auch für andere Kippelemente, wie die Nordatlantikzirkulation.  

Eine schwächere Strömung im Nordatlantik kann wiederum dazu führen, dass es zum Beispiel im Amazonasregenwald weniger regnet. Damit wäre wieder das nächste Kippelement beeinflusst.   

 

Optimistisch bei Kippelementen

Wunderling glaubt immerhin, dass es der Weltgemeinschaft zumindest bei den Kippelementen noch möglich ist, die schlimmsten Szenarien zu verhindern. Immerhin gäbe es internationale Klimaabkommen, die den Temperaturanstieg zumindest auf maximal zwei Grad begrenzen könnten. "Ganz so dunkel - wie das manchmal gezeichnete ganz dunkle Bild - würde ich das nicht sehen. Ich bin also durchaus optimistisch. Aber wir müssen etwas tun", so Wunderling.  

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. November 2024 um 19:27 Uhr.