Ozean-Konferenz in Barcelona Wie Seegras dem Klima hilft
Für manche Urlauber ein Ärgernis am Strand - für Forschende eine Möglichkeit, den Klimawandel zu bremsen: Auf der Ozean-Konferenz in Barcelona geht es unter anderem um die erstaunlichen Fähigkeiten von Seegras.
Am Institut für Meeresforschung in Barcelona zieht Aurora M. Ricart Posidonia-Seegras aus einer Schale; die Pflanze sieht aus wie ein kurzer Fahnenmast, an dem grüne Bändchen flattern. Es sind Blätter, die viel Kohlenstoff aufnehmen können. Gespeichert wird der in der Wurzel. "Mehrere hundert Jahre", sagt die Wissenschaftlerin. Seegraswiesen könnten mehr Kohlenstoff aufnehmen als Wälder. Was die Meeresforscherin da in der Hand hält, hat das Potenzial, den Klimawandel ein bisschen auszubremsen.
Rund um die Balearen wird das Posidonia-Gras deshalb besonders geschützt. Ab Mitte Mai sind 18 Schiffe der Behörden unterwegs, um darauf zu achten, dass keine Yachten in Seegraswiesen ankern und dadurch Löcher hineinreißen.
Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, sagt auf der diese Woche stattfindenden Ozean-Konferenz in Barcelona: "Wir sehen: Schutz bringt auch auf kleinsten Skalen etwas." Wenn Menschen aufhörten, durch Übernutzung das Letzte aus Lebensräumen herauszupressen, dann erweise sich das Netzwerk des Lebens als widerstandsfähig. "Das brauchen wir für die Zukunft."
Meere werden wärmer
Denn insgesamt - da sind sich Forschende einig - geht es den Weltmeeren schlecht. Die Ozeane erwärmen sich schneller als gedacht. Und werden saurer. Vom Alfred-Wegener-Institut heißt es: Die Ozean-Versauerung sei "der böse Zwilling der Erderwärmung".
Der Hintergrund: Die Meere nehmen jährlich mehr als ein Viertel des Kohlendioxids auf, das freigesetzt wird. Ohne diesen Speicher gäbe es mehr Kohlendioxid in der Luft, auf der Erde wäre es wärmer. Aber: Der Speichervorgang hat einen Preis. Es bildet sich Kohlensäure. Das senkt den pH-Wert des Wassers, es wird saurer.
Küstenschutz gefährdet
"Wenn es noch extremer wird, kann es sein, dass der Säuregehalt der Ozeane so stark ansteigt, dass sich bestehende Kalkstrukturen auflösen, die auch für den Küstenschutz wichtig sind. Wir müssen den Klimawandel bekämpfen. Mit allem, was wir haben", sagt Christian Wild, Leiter des Bereichs "Marine Ökologie" an der Universität Bremen.
Mancherorts helfen könnten wiederum Seegraswiesen wie die aus dem Mittelmeer. "Sie haben die Fähigkeit, die Chemie des Wassers in ihrer Umgebung zu verändern. Und das könnte Organismen helfen, mit Auswirkungen des Klimawandels, wie der Versauerung der Ozeane, fertig zu werden", sagt Aurora M. Ricat.
Ringen um Renaturierung
Umso dringender ist der Appell vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Ozean-Konferenz in diesen Tagen, mehr für den Schutz der Meere zu unternehmen. Dabei richtet sich ihr Blick gen Brüssel. Die EU-Kommission möchte ein Renaturierungsgesetz als Teil des "Green Deal". Es sieht unter anderem vor, den natürlichen Klimaschutz zu stärken. Allein: Erst versuchte die konservative EVP-Fraktion im EU-Parlament, das Gesetz zu verhindern. Nun sind es einzelne Mitgliedsstaaten.
Der Zusammenschluss der Nationalen Akademien der Wissenschaften der EU-Staaten sowie Norwegens, der Schweiz und des Vereinigten Königreiches wandte sich bereits an die EU-Mitgliedsstaaten mit der Aufforderung, dem Gesetz zuzustimmen. Forschende verweisen auch auf das Naturschutzabkommen von Montreal, das vorsieht, bis 2030 gut ein Drittel der Land- und Meeresfläche der Erde unter Schutz zu stellen.
Forschende beklagen Fake News
Jetzt gebe es eine "rechte Agenda", die etwa verbreite, die Ernährungssicherheit sei gefährdet, wenn man zum Beispiel Ozeane stärker schütze, so Forscherin Boetius. "Da kann ich als Wissenschaftlerin nur sagen: Das beruht nicht auf wissenschaftlichen Fakten. Das sind rechte Narrative."
Und auch die Seegras-Expertin Aurora M. Ricart sagt: "Alle wissen, was zu tun ist. Jetzt braucht es Taten."