Wegen Sicherheitsbedenken Bundeswehr bricht Evakuierung aus dem Sudan ab
Die Lage im Sudan spitzt sich dramatisch zu. Mehrere Länder planen, ihre Staatsbürger aus dem Land zu fliegen. Nun musste die Bundeswehr einen ersten Evakuierungsversuch abbrechen.
Die Bundesregierung hat eine geplante Evakuierung deutscher Staatsbürgerinnen und -bürger aus dem Sudan wegen Sicherheitsbedenken zunächst abgebrochen. Ein Plan für den Einsatz von Militärmaschinen wurde nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wegen der Lage in der Hauptstadt Khartum gestoppt.
Die drei Flugzeuge waren am frühen Morgen in Wunstorf gestartet und sollten nach Informationen des "Spiegel", der zuerst über den Stopp der Aktion berichtet hatte, nach einem Tankstopp in Griechenland weiter nach Khartum fliegen. Auch andere Staaten, die auf eine Feuerpause gehofft hatten, brachen ihre Operationen offenbar ab, heißt es auf "Spiegel Online" unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Dreistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger
Das Auswärtige Amt hat auf einer sogenannten Krisenvorsorgeliste eine niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger im Sudan registriert, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Die Liste wird von der deutschen Auslandsvertretung im Sudan geführt und dient zur Vorsorge für Katastrophenfälle. Laut "Spiegel" sollten etwa 150 Deutsche ausgeflogen werden.
"Erfahrungsgemäß schwankt in solchen Konfliktsituationen und Krisensituationen die Zahl sehr stark und kann jederzeit auch noch weiter nach oben gehen", sagte die Sprecherin.
Intensität der Angriffe nimmt zu
Am Dienstagabend war eine Waffenruhe im Sudan zwischen dem Militär und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) gescheitert. Damit scheiterte eine Feuerpause zum dritten Mal seit Beginn der Gefechte am Samstag.
Die Intensität der Luftangriffe auf Ziele in der Hauptstadt Khartum nahm am Mittwochmorgen zu, wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Reporter vor Ort berichtete. Zudem sei am fünften Tag der Kämpfe mehr Schussfeuer zu hören gewesen.
Auch Bewohner berichteten von anhaltenden Gefechten zwischen der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) und den regulären Streitkräften in der Hauptstadt Khartum vor allem rund um die Militärzentrale und den Präsidentenpalast.
Viele Menschen sitzen in Wohnungen fest
Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP flohen am Morgen Tausende Menschen mit Fahrzeugen und zur Fuß aus der Hauptstadt Khartum - darunter viele Frauen und Kinder.
Seit Tagen haben sich viele der Sudanesen in ihren Häusern und Wohnungen verschanzt - oft ohne Strom und ohne Möglichkeit, Essen, Wasser oder Medikamente zu besorgen.
Mindestens 270 Tote - weit mehr Opfer befürchtet
Bewohner berichteten, dass seit Tagen Leichen auf den Straßen lägen und wegen der Kämpfe nicht geborgen werden könnten. Die Vereinten Nationen bestätigten bislang 270 Tote und 2600 Verletzte. Die tatsächliche Opferzahl dürfte weit höher liegen.
Auch für humanitäre Helferinnen und Helfer wird die Lage immer gefährlicher. Der Leiter des Büros der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) der Europäischen Kommission wurde in Khartum angeschossen, wie eine Sprecherin auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Angaben zu den Umständen des Vorfalls und zur Schwere der Verletzung machte die Sprecherin aus Sicherheitsgründen nicht.
Bereits am Montagabend hatte die EU einen Angriff auf den EU-Botschafter im Sudan bestätigt. Der Ire Aidan O'Hara wurde nach jüngsten Angaben in seiner Residenz von bewaffneten Männern in Militärkleidung überfallen und ausgeraubt. Er blieb unverletzt.
Luftangriffe offenbar auch auf zivile Ziele
Hilfsorganisationen sind zutiefst besorgt. Schwere Waffen seien auch in Wohnvierteln eingesetzt worden und Luftangriffe hätten zivile Ziele wie Krankenhäuser getroffen, teilte die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" mit.
Die Menschen im Sudan seien gefangen im Machtkampf der Generäle, die schon seit Jahren die Menschenrechte missachteten, sagte Laetitia Bader, Direktorin der Organisation gegenüber der Nachrichtenagentur epd. Die internationale Gemeinschaft müsse mehr Druck aufbauen. "Wir brauchen mehr als nur Worte", forderte Bader. "Es muss klare Strafen für die Angriffe auf die Zivilgesellschaft geben."
Kampf um die Vorherrschaft
In dem seit Jahren politisch instabilen nordostafrikanischen Land kämpfen die zwei mächtigsten Generäle - Abdel Fattah al-Burhan, Oberbefehlshaber der Armee, und Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der RSF - um die Vorherrschaft.
Die zwei Männer führten das gold- und ölreiche Land mit rund 46 Millionen Einwohnern seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021.