Sudan Weitere Kämpfe statt Feuerpause
Ab 18 Uhr sollten im Sudan die Waffen schweigen. Doch die Feuerpause wurde wieder nicht eingehalten - es gab weitere Kämpfe. Millionen Sudanesen haben sich angesichts der Kämpfe in ihren Häusern verschanzt.
Trotz einer von den Konfliktparteien anvisierten Waffenruhe zeichnet sich im Sudan kein Ende der tagelangen Kämpfe ab. Bewohner berichteten am Abend von anhaltenden Gefechten zwischen der paramilitärischen Truppe RSF und dem Militär in der Hauptstadt Khartum vor allem rund um die Militärzentrale und den Präsidentenpalast.
Unmittelbar nach dem Beginn der vereinbarten, 24-stündigen Feuerpause um 18 Uhr warfen die RSF dem Militär vor, diese verletzt zu haben. Das Militär äußerte sich zunächst nicht. "Die Kämpfe gehen weiter", sagte auch Atiya Abdulla Atiya vom Ärzteverband der Nachrichtenagentur AP. "Wir hören dauernd Schüsse."
Mindestens 270 Tote - weit mehr Opfer befürchtet
Millionen Sudanesen in Khartum und anderen Städten haben sich seit Tagen in ihren Häusern und Wohnungen verschanzt, während Militär und RSF einander gegenseitig mit Artilleriegeschützen und Luftangriffen attackierten und sich auf den Straßen Feuergefechte lieferten.
Bewohner berichteten davon, dass Leichen seit Tagen auf den Straßen lägen und wegen der Kämpfe nicht geborgen werden könnten. 270 Tote wurden von den Vereinten Nationen seit Beginn der Kämpfe am Samstag bestätigt und 2600 Personen verletzt. Die tatsächliche Opferzahl dürfte weit höher liegen.
Verwirrung um Feuerpause
In dem Konflikt stehen sich die sudanesischen Streitkräfte unter Führung von General Abdel Fattah Burhan und die paramilitärischen RSF unter General Mohammed Hamdan Daglo gegenüber. Nachdem US-Außenminister Antony Blinken in Telefongesprächen mit beiden eine 24-stündige Feuerpause gefordert hatte, wurde diese Berichten arabischer Nachrichtensender zufolge auch vereinbart.
Daglo bestätigte das auch auf Twitter. Die Mitteilungen des Militärs waren weniger klar. Zunächst teilte es mit, es sei sich keiner Vermittlungen über eine Waffenruhe bewusst. Die Kämpfe seien tatsächlich in eine entscheidende Phase eingetreten, die mit einer verheerenden Niederlage der RSF enden würde, hieß es. Später berichteten die Satellitensender Al-Arabija und Al-Dschasira unter Berufung auf den Offizier Schams al-Din Kabbaschi, das Militär werde die eintägige Feuerpause ab Dienstag 18 Uhr ebenfalls einhalten. Auch CNN Arabic meldete, Oberbefehlshaber Burhan habe eingewilligt.
Kurz vor Inkrafttreten der Waffenruhe teilte ein Bündnis von politischen Parteien und pro-demokratischen Gruppierungen im Sudan mit, man habe aus beiden Lagern "positive Positionen" gehört. Verhandlungen über eine längerfristige Waffenruhe würden laufen. Mehrere im Vorfeld vereinbarte Waffenruhen waren jedoch laut Angaben des UN-Sonderbeauftragen im Sudan, Volker Perthes, immer wieder gescheitert.
Angriff auf US-Konvoi
Bei den Gefechten in den vergangenen Tagen war auch ein Konvoi der US-Botschaft unter Beschuss geraten. Erste Berichte deuteten auf Verbindungen der Angreifer zu den RSF hin, sagte Blinken am Dienstag nach seinem Telefonat mit den beiden Generälen. Die Fahrzeuge seien eindeutig als zur Botschaft gehörig gekennzeichnet gewesen. Alle Insassen seien in Sicherheit.
"Ich habe sehr deutlich gemacht, dass jegliche Angriffe, Drohungen oder Gefahren für unsere Diplomaten völlig inakzeptabel sind", sagte Blinken. Daglos RSF sind aus der berüchtigten Dschandschawid-Miliz hervorgegangen, die für Menschenrechtsverbrechen in der Region Darfur verantwortlich gemacht wurde.
Forderung nach humanitären Korridoren
Der Sudan-Chef der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), Farid Abdulkadir, forderte unterdessen humanitäre Korridore für festsitzende Verletzte und Zivilisten. Tausende Menschen haben laut den Vereinten Nationen kein Essen oder Zugang zu medizinischer Versorgung. Mindestens zwölf Krankenhäuser mussten im Großraum der Hauptstadt aufgrund von Beschädigungen durch die Kämpfe nach Angaben des Medizinerverbands Doctors' Syndicate schließen, berichtete die Nachrichtenagentur AP.
Im Bundesstaat Nord-Darfur hätten laut Ärzte ohne Grenzen alle Krankenhäuser wegen der Kämpfe schließen müssen. Auch Njala, die Hauptstadt des angrenzenden Bundesstaates Süd-Darfur, ist schwer von den Kampfhandlungen im Westen des Landes betroffen. Die Region Darfur treffen die schweren Auseinandersetzungen besonders hart. Seit Jahrzehnten wird die Region von Kämpfen zwischen verschiedenen Volksgruppen und Milizen und der sudanesischen Regierung erschüttert.
Bundeswehr bereitet Option für Evakuierung vor
Die Bundeswehr teilte indes mit, Unterstützung für das Auswärtige Amt im Falle einer militärisch abgesicherten Evakuierung deutscher Staatsbürger vorzubereiten. "Die Bundeswehr verfügt über spezialisierte Kräfte, die sich fortlaufend auf das Szenario einer Evakuierungsoperation vorbereiten und dafür permanent abrufbereit gehalten werden", sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Nachrichtenagentur dpa.
Ob es Pläne für die insgesamt 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vereinten Nation im Sudan gibt, darunter 800 Ausländer, wollte eine UN-Sprecherin in Genf nicht kommentieren. Die Absicht sei auf jeden Fall, vor Ort zu bleiben, und das humanitäre Mandat der UN zu erfüllen. Voraussetzung für diese Evakuierungsaktionen wäre ohnehin eine Waffenpause.