Sudan Weitere Kämpfe trotz Waffenruhe
Im Sudan ist ein weiterer Anlauf für eine Waffenruhe gescheitert. In Khartum sitzen Zivilisten in ihren Häusern fest, während draußen gekämpft wird. Die Bundeswehr bereitet erneut eine Evakuierung vor.
In der sudanesischen Hauptstadt Khartum sind die schweren Kämpfe laut Augenzeugen und Medienberichten trotz der beginnenden Feierlichkeiten zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan weitergegangen.
Die mit den sudanesischen Streitkräften rivalisierenden paramilitärischen Einheiten Rapid Support Forces (RSF) hatten zuvor erneut einer Waffenruhe ab Freitagmorgen (6.00 Uhr MESZ) zugestimmt. Diese habe am muslimischen Feiertag Eid al-Fitr humanitäre Korridore für die Evakuierung der Bürger öffnen sollen, schrieb die RSF bei Twitter. Sudanesen sollten die Möglichkeit haben, an dem für Muslime wichtigen Tag ihre Familien zu besuchen, hieß es. Das sudanesische Militär bestätigte die Feuerpause jedoch nicht.
WHO: Mehr als 410 Menschen gestorben
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind durch die Kämpfe seit dem Wochenende mindestens 413 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 3550 verletzt worden. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF kamen infolge der Kämpfe auch neun Kinder ums Leben.
WHO-Sprecherin Margaret Harris sagte zudem, es habe elf bestätigte Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen gegeben. Insgesamt hätten 20 Krankenhäuser, Kliniken und sonstige Gesundheitseinrichtungen ihren Betrieb einstellen müssen. Die WHO verlange uneingeschränkten Zugang für medizinische Helfer.
Weiterer UN-Mitarbeiter umgekommen
Bei den Kämpfen kam auch ein weiterer Mitarbeiter der Vereinten Nationen ums Leben. Der Mann sei mit seiner Familie im Auto in ein Kreuzfeuer zwischen zwei Kriegsparteien geraten, teilte die UN-Organisation für Migration (IOM) in Genf mit. Der Vorfall passierte in Obeid, knapp 400 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Khartum. "Ich bin tief traurig über den Tod unseres Kollegen, und trauere mit seiner Frau und seinem neugeborenen Kind, ebenso wie mit unserem Team im Sudan", teilte IOM-Generaldirektor António Vitorino mit.
Am Samstag waren bereits drei Mitarbeiter des Welternährungsprogramms (WFP) in Nord-Darfur getötet worden. Die Organisation habe ihre Arbeit im Sudan wegen der Kämpfe eingestellt, teilte Vitorino mit. Die IOM ist dort seit dem Jahr 2000 im Einsatz, unter anderem, um rund 3,7 Millionen Vertriebene zu unterstützen.
Khartum erlebt "schrecklichste und schwierigste Nacht"
Die Einwohner Khartums berichteten von einer Intensivierung der Gefechte. "Der lyrische Klang des ausgedehnten Eid-Gebets wird durch das groteske Stakkato von Bombardierung/Schussfeuer unterbrochen. Welche Hoffnungen es auch immer gab, dass Sudans Generäle eine humanitäre Gnadenfrist für diesen heiligen Tag gewähren könnten, wurden zunichte gemacht", schrieb die Sudanesin Kholood Khair bei Twitter.
Ahmed Shaweesh, der in Khartum wohnt, sprach von einer "Eskalation des Krieges". Die Armee und RSF hätten sich in der Nacht zum Freitag mit schweren Waffen, Bomben und Artillerie in ganz Khartum bekämpft. "Die Hauptstadt erlebt ihre schrecklichste und schwierigste Nacht", so Shaweesh. Eigentlich sollte das Eid al-Fitr-Fest, das das Ende des muslimischen heiligen Fastenmonats Ramadan markiert, ein fröhliches Ereignis sein, das von Familien bis zu drei Tage lang gefeiert wird.
Seit Tagen sitzen Tausende Einwohner Khartums nach Angaben der Vereinten Nationen in ihren Häusern fest, viele von ihnen ohne Strom oder fließendes Wasser. Nahrungsmittel, Benzin und Medikamente gingen aus. Medienberichten zufolge kam es am Morgen erneut zu Bombardements in der Hauptstadt. Zudem sollen Soldaten der sudanesischen Armee Wohngebiete durchkämmt haben.
USA verlegen Einheiten in Nachbarländer
Die US-Regierung kündigte an , dass sich das US-Militär auf die Evakuierung von Beschäftigten der Botschaft vorbereite. Dazu seien zusätzliche Einheiten in Nachbarländer verlegt worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Pläne sollten eine "mögliche Ausreise des Botschaftspersonals sichern oder gegebenenfalls ermöglichen". Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington.
Zuvor hatte das US-Außenministerium den Tod eines US-Amerikaners im Sudan bestätigt. Details über die Identität des Getöteten wurden zunächst nicht bekannt gegeben.
Bundeswehr bereitet Evakuierung vor
Auch die Bundeswehr trifft Vorbereitungen für einen neuen Anlauf zur Evakuierung deutscher Staatsbürger. "Die Bundeswehr bereitet Möglichkeiten zur Rückführung deutscher Staatsbürger und weiterer zu schützender Personen aus dem Sudan vor", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums laut Nachrichtenagentur dpa. "Dabei steht der Schutz unserer Staatsbürger im Sudan im Vordergrund", sagte er. Details zu Umfang, Personal und Material möglicher Evakuierungskräfte der Bundeswehr nannte er nicht.
Am Mittwoch war der Versuch einer diplomatischen Evakuierung mit Maschinen der Luftwaffe, aber ohne größeren Einsatz von Soldaten abgebrochen worden, weil die Sicherheitslage in der umkämpften sudanesischen Hauptstadt Khartum zu gefährlich für einen solchen Einsatz war.
Ministerium: Mehr als 150 Deutsche noch im Sudan
Es geht nach aktuellem Stand um die Rettung einer niedrigen dreistelligen Zahl deutscher Staatsbürger, die aber größer als 150 sei, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte. Man kontaktiere die Menschen regelmäßig, allerdings nähmen die Probleme von Tag zu Tag zu. "Nicht nur die Versorgungslage der Menschen ist schlecht, viele haben weiterhin keinen Strom. Inzwischen gehen damit natürlich auch die Handyakkus zur Neige, sind aufgebraucht", sagte der Sprecher. "Es wird also zunehmend schwierig, überhaupt Leute vor Ort zu erreichen. Und damit steigt natürlich auch weiter die Not und die Dringlichkeit."
Eine Sprecherin des Entwicklungsministeriums (BMZ) sagte, man habe insgesamt 118 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sudan, davon 15 internationale Fachkräfte und 103 lokale Mitarbeiter. "Nach aktuellen Erkenntnissen sind alle wohlauf. Wir stehen mit allen im Kontakt." Es habe infolge der Kämpfe auch Schäden an Einrichtungen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gegeben. "Das sind aber Kollateralschäden im Zusammenhang mit den Kämpfen, keinerlei gezielte Angriffe." Sie wisse nichts von Ausreisewünschen lokaler Mitarbeiter, sagte die BMZ-Sprecherin.
Auch das Auswärtigen Amt ist nach Angaben seines Sprechers im Kontakt mit seinen lokalen Mitarbeitern, die alle wohlauf seien. Einen gesetzlichen Auftrag zur Hilfe gebe es zunächst mal für Deutsche im Ausland, sagte er auf die Frage nach einer möglichen Evakuierung. "Und die stehen im Fokus unserer Planung. Und über Weiteres werde ich hier und heute nicht spekulieren."
Baerbock fordert Ende der Gewalt
Der Sprecher bekräftige die Bemühungen um eine Waffenruhe, gemeinsam mit internationalen Partnern. Vielleicht böten die Feierlichkeiten zum Ende des Fastenmonats Ramadan dafür ein "weiteres Fenster". Im Gespräch sei man auch mit den Golfstaaten, die traditionell im Sudan über Einfluss verfügten.
Eine sofortige Feuerpause ist laut Bundesaußenministerin Annalena Baerbock "das A und O" für eine Evakuierung der Menschen im Sudan. Die Grünen-Politikerin forderte ein sofortiges Ende der Gewalt im Sudan. Im Hinblick auf die Konflikte zwischen den beiden rivalisierenden Generälen sagte sie bei einer Pressekonferenz mit dem spanischen Außenminister José Manuel Albares: "Lassen Sie zu, dass die Bevölkerung dringend benötigte Hilfe erhält." Die beiden sollten den Konflikt zwischen sich durch Verhandlungen lösen, anstatt den Sudan "in Schutt und Asche zu legen".
Machtkampf zwischen Generälen eskaliert
Im Sudan waren am Samstag Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Die zwei Männer führten das Land im Nordosten Afrikas mit rund 46 Millionen Einwohnern seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021.
De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der RSF.
Seit Jahren soll die Macht an eine Zivilregierung übergeben werden. Dies wiederholte al-Burhan auch in seiner ersten Videobotschaft seit Beginn der Kämpfe - konkrete Anzeichen gab es für die Machtübergabe aber keine.