Israels Vorrücken in Syrien Gekommen, um zu bleiben?
Israels Armee hält die syrische Pufferzone im Golan besetzt. Völkerrechtswidrig, sagen Experten. Viel deutet auf ein langfristiges Vorgehen hin - auch die Worte von Premier Netanjahu.
Es waren mahnende Worte in einer Zeit, in der Syrien seine Zukunft sucht. Als die deutsche Außenministerin über die unsichere Lage im Land nach dem Sturz des Machthabers Baschar al Assad sprach, kündigte sie nicht nur humanitäre Hilfe an. Annalena Baerbock richtete sich auch direkt an Syriens Nachbarn - in scharfem Ton.
"Nachbarn wie die türkische und israelische Regierung, die Sicherheitsinteressen geltend machen, dürfen mit ihrem Vorgehen nicht den Prozess gefährden", sagte sie. "Wenn wir ein friedliches Syrien wollen, darf die territoriale Integrität des Landes nicht infrage gestellt werden."
Teile der Golanhöhen schon 1981 annektiert
Tatsächlich hat Israel die territoriale Integrität Syriens schon vor Jahrzehnten infrage gestellt. Im Sommer 1967 besetzte Israel Teile der Golanhöhen - ein hügeliges Hochplateau, das die syrische Grenzregion zu Israel bildet - als es im Sechstagekrieg gegen Ägypten, Jordanien und Syrien kämpfte. 1981 annektierte Israel den Landstrich. Ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht.
Nun, nach der Machtübernahme islamistischer Rebellen in Damaskus, überzieht Israel Teile Syriens mit massiven Luftschlägen. Israels Truppen sind weiter vorgerückt. Sie besetzen die eigentlich entmilitarisierte Zone im offiziell von Syrien kontrollierten Teil des Golan, die durch ein Abkommen seit 1974 besteht. Berichten zufolge sollen die Soldaten zum Teil auch darüber hinaus noch weiter ins Landesinnere vorgedrungen sein.
Angriffe auf militärische Infrastruktur
Dies geschehe nur zur Verteidigung, betonen israelische Verantwortliche. Die Angriffe galten demnach militärischer Infrastruktur: Syriens Marineflotte etwa, Stützpunkten und Arsenalen - besonders jener Chemiewaffen, die Diktator Assad im Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung einsetzte. Sie sollen nun, im Chaos des Übergangs, nicht in die falschen Hände geraten.
Dabei hatte es von offizieller Seite zunächst geheißen, Israel würde sich nicht in Syrien einmischen. "Aber dann haben wir recht radikale Schritte gesehen, die Israel vor Ort durchsetzt", sagt Carmit Valensi, Politikwissenschaftlerin am Israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien.
Experten zweifeln an Bedrohung
"Israel ist zurzeit sehr aktiv, die Bedrohungen an der nördlichen Grenze aufzuhalten", sagt sie. Man könne auch beobachten, dass Israel Gebiet einnimmt, indem es Truppen in die Pufferzone auf syrischer Seite verlegt. Man wolle damit Gefahren minimieren.
Offizielle Stimmen betonten, es handele sich dabei um temporäre Schritte, sagt sie. "Sie sagen, Israel verfolge nicht die Absicht, langfristig an diesem Gebiet festzuhalten. Die Frage ist, ob es tatsächlich so sein wird."
Israel, so scheint es, hat die Gunst der Stunde genutzt und seine strategische Lage auf dem Golan verbessert - auch wenn das laut Völkerrechtlern rechtswidrig ist.
Temporäre Vorsicht oder langfristige Ambition?
Sie zweifeln, dass es für Israel und seine Truppen während der Machtübernahme durch die Rebellen in Syrien überhaupt eine konkrete Bedrohung gab. Stattdessen, so sagen Experten, hat Israel die Situation genutzt, um durch die Einnahme strategisch wichtiger Punkte, seine Lage zu verbessern - möglicherweise mit langfristigen Ambitionen.
Am Morgen erklärte das Büro von Israels Verteidigungsminister Israel Katz, dieser habe die Armee angewiesen, einen Verbleib auf dem Gipfel des Berg Hermon in Syrien für die kommenden Wintermonate vorzubereiten. Den Eindruck erweckten zuvor auch schon Aussagen jener Soldaten, die nun in dem Gebiet im Einsatz sind.
"Wir stellen uns auf mindestens ein Jahr ein"
"Wir haben hier Container für ein Büro des Kommandeurs, für Wohneinheiten, für Duschen, WCs und Generatoren aufgestellt. Je nach Bedarf werden wir mehr Equipment herbringen", sagte etwa Oberstleutnant Ori Yainon im israelischen Armee-Radio. "Uns ist auch bewusst, dass wir hier ein Rennen gegen die Zeit führen. Denn bald ist der Winter da, es wird kalt sein und Schnee geben. Wir bereiten uns entsprechend vor."
Die Worte des Oberstleutnants klingen jedenfalls, als seien die israelischen Soldaten gekommen, um zu bleiben: "Wir stellen uns auf einen Aufenthalt ein, der mindestens ein Jahr dauern wird. Das ist der Zeitraum, an dem wir uns momentan orientieren." Und weiter: "Aus militärischer Sicht gehört das Gebiet momentan uns."
Netanjahu unterstreicht die Bedeutung
Diese Sicht dürfte der Soldat wohl mit Israels Premierminister gemein haben. Denn auch Benjamin Netanjahu wandte sich diese Woche schon an die Bevölkerung.
"Ich möchte etwas zu den Generationen von Kämpfern sagen, die ihr Leben gelassen haben, um den Golan zu befreien und zu verteidigen - und zu den Bewohnern, die Wurzeln auf dem Golan geschlagen haben", sagte er. "Heute begreifen wir alle die Wichtigkeit unserer Präsenz dort, auf den Golanhöhen."
Die Kontrolle garantiere ihnen Sicherheit und Souveränität, sagte Netanjahu. "Die Golanhöhen werden ein untrennbarer Teil des Staates Israel sein - für immer."