Opposition in Aserbaidschan Aus Deutschland abgeschoben und jetzt in Gefahr
Die Menschenrechtslage in Aserbaidschan gilt als kritisch. Trotzdem schiebt Deutschland politische Flüchtlinge dorthin ab. Ein konkreter Fall beschäftigt gerade auch die SPD-Fraktion im Bundestag.
Flucht und Abschiebe-Odyssee - das ist es wohl, was Nurana Azurova erlebt. Rückblick: Noch vor acht Jahren geht ihr Mann in ihrer Heimat Aserbaidschan zu Protesten, trägt Plakate. Auf denen steht, Machthaber Ilham Aliyev sei ein Diktator. Azurovas Mann ist in einer Partei, steht in Opposition zur Führung Aserbaidschans. Das alles hat Konsequenzen für Azurovas Mann, Samir Ashurov.
"Samir wurde bestraft, weil er offen geredet - und Ilham Aliyev einen Diktator genannt hat", so Azurova. "Samir wurde deshalb zweimal ins Gefängnis gesteckt, einmal für 30 und einmal für 60 Tage. Dann, im August 2018, sind wir nach Deutschland gelangt und haben politisches Asyl beantragt."
Anträge stellen sie auch für ihre zwei Kinder, damals acht und neun Jahre alt. Einmal in Deutschland lernen sie recht schnell die Sprache, gehen zur Schule, finden Freunde. Azurova macht eine Ausbildung zur Erzieherin. Samir Ashurov bleibt weiterhin in der aserbaidschanischen Exil-Opposition aktiv. Doch die Anträge auf politisches Asyl lehnt die zuständige Behörde ab. Ein angerufenes Gericht bestätigt die Entscheidung als endgültig. Ashurov, seine Frau, ihre Tochter und ihr Sohn sollen Deutschland verlassen.
Samir Ashurov kam in Baku in Haft, seine Partnerin und Kinder flohen nach Georgien.
Ausgeliefert an ein Willkür-Regime?
"Am 29. März 2022 um drei Uhr morgens stürmten acht, neun Polizisten unsere Wohnung. Vor den Augen der Kinder legten die Polizisten Samir Handschellen an. Danach brachten sie uns zum Münchner Flughafen."
Die Familie wird abgeschoben. Oder an ein Willkür-Regime ausgeliefert? Jedenfalls kommt Ashurov nach seiner Ankunft in Aserbaidschans Hauptstadt Baku in Haft. Er wird wegen eines angeblichen Stichwaffendelikts angeklagt.
Seine Frau und die Kinder entkommen - von Aserbaidschan nach Tiflis, Hauptstadt Georgiens. Auch Azurova ergreift offen das Wort gegen Aserbaidschans Staatschef: Ilham Aliyev. "Aliyev ist ein Diktator. Wenn du dich offen äußerst, wirst Du verhaftet."
Strafverfahren in Aserbaidschan eingeleitet
Nach ihrer Abschiebung aus Deutschland und ihrer Flucht nach Tiflis vor mehr als zwei Jahren erhielt Azurova nun Post: Das georgische Ministerium für Migration teilt ihr darin mit, dass gegen sie in Aserbaidschan ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Mit welchem Vorwurf, das bleibt unerwähnt. Azurova sagt, sie wisse nicht, was ihr zur Last gelegt wird.
Das Ministerium erklärt in seinem Schreiben weiter, es sei zu dem Schluss gekommen, dass Azurova bei ihrer Rückkehr kein "ernsthafter Schaden" drohe. Es komme in Aserbaidschan nicht zu "willkürlicher Gewalt oder massenhaften Verletzungen von Menschenrechten". Deshalb bestehe in Georgien kein Flüchtlingsschutz, und die Familie müsse das Land verlassen. "Nach Aserbaidschan kann ich nicht. Und auch nicht in die Nachbarländer Georgiens. Was ich tun soll, weiß ich nicht."
SPD-Abgeordneter spricht von Fehlentscheidung
Deutschland hat ihre eilig gestellten Visums-Anträge bisher nicht beschieden. Frank Schwabe, Mitglied des Bundestages für die SPD und von Aserbaidschan mit einem Einreiseverbot belegt, kennt das Land - und den Fall von Samir Ashurov, Nurana Azurova und ihren Kindern.
"Die Abschiebung von Samir Ashurov war schlicht eine Fehlentscheidung", so Schwabe. "Eine Fehlleistung Deutschlands. Und das Mindeste ist jetzt, die Frau und die Kinder nach Deutschland zu holen - und am Ende irgendwann Samir Ashurov hoffentlich auch."
Viel Zeit bleibt nicht. Bis Jahresende müssen Azurova und die Kinder Georgien verlassen - sonst droht ihnen die erneute Abschiebung. Nach Aserbaidschan.