Ausschreitungen in Großbritannien Krawall-Aufrufe im Internet - 6.000 Polizisten mobilisiert
In Großbritannien reißt die Serie ausländerfeindlicher Ausschreitungen nicht ab. Nun blicken die Behörden mit besonderer Sorge auf die kommende Nacht. Denn in Internetforen kursieren Listen von Einrichtungen, die Migranten unterstützen.
Die Polizei in Großbritannien bereitet sich auf Krawalle in der kommenden Nacht vor. Die Behörden mobilisierten deshalb etwa 6.000 speziell ausgebildete Polizeikräfte. Sie befürchten Ausschreitungen in mindestens acht Städten - mit einem Schwerpunkt in London. Hintergrund sind Listen, die im Internet kursieren. Auf ihnen werden Einrichtungen genannt, die Asylsuchende unterstützen oder vor Gericht verteidigen. Dazu gibt es Aufrufe, diese Ziele "Mittwoch Nacht" anzugreifen.
"Es ist völlig inakzeptabel, Hilfsorganisationen und Anwälte einzuschüchtern, die legal arbeiten. Diese Schläger brechen Recht und Gesetz- und wir werden sie stoppen", sagte Londons Polizeichef Mark Rowley.
Premierminister Keir Starmer hatte bereits gestern im Anschluss an eine Sitzung des nationalen Krisenstabs ein hartes Durchgreifen angekündigt. Zu Reportern sagte er, er rechne noch in dieser Woche mit "substanziellen Verurteilungen" von Randalierern. "Das dürfte eine kraftvolle Botschaft aussenden an alle, die sich direkt oder online beteiligen, dass sie innerhalb einer Woche zur Rechenschaft gezogen werden."
Erste Haftstrafen von bis zu drei Jahren
Tatsächlich wurden inzwischen bereits die ersten Urteile verkündet. Ein 58 Jahre alter Mann muss für drei Jahre ins Gefängnis, wie der Liverpool Crown Court entschied. Er hatte sich an Ausschreitungen in der nordwestenglischen Stadt Southport beteiligt und einem Polizisten ins Gesicht geschlagen. Ein 29-Jähriger wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er bei Krawallen in Liverpool ein Polizeifahrzeug angezündet hatte. Für 20 Monate hinter Gitter muss zudem ein 41-Jähriger, der sich ebenfalls an Randale in Liverpool beteiligt und Polizisten beleidigt hatte.
Alle drei Männer hatten die Vorwürfe eingeräumt, weshalb schon nach wenigen Tagen das Strafmaß gesprochen wurde. Insgesamt wurden seit Beginn der Krawalle mehr als 400 Menschen festgenommen und etwa 100 angeklagt.
Auslöser der Randale, die Großbritannien bereits seit einigen Tagen beschäftigen, sind Falschmeldungen über einen Messerangriff auf Kinder in Southport nahe Liverpool, bei dem Ende Juli drei kleine Mädchen getötet wurden. Angeblich soll es sich bei dem Täter um einen irregulären Einwanderer mit muslimischem Namen handeln - doch beides ist falsch. Der Verdächtige ist ein 17-Jähriger, der als Sohn ruandischer Einwanderer in Großbritannien geboren wurde. Die Falschmeldungen wurden - vor allem von Rechtsextremen - bereits kurz nach der Tat verbreitet.
Auch X-Chef Musk teilt Gerüchte
Öl ins Feuer gießen Agitatoren wie der als Tommy Robinson bekannte Rechtsextremist Stephen Yaxley-Lennon und Lawrence Fox, ein früherer Moderator des rechtsgerichteten Nachrichtensenders GB News. Sie organisierten die Krawalle nicht, befeuerten sie aber teils mit Falschnachrichten und gäben der Bewegung Struktur, so der Sicherheits- und Terrorexperten Peter Neumann vom King's College in London.
Die Polizei sieht sich mittlerweile dem Vorwurf ausgesetzt, gegen die Randalierer deutlich härter vorzugehen als gegen muslimische Straftäter. Ein Standpunkt, der auch im Internet verbreitet wird, um die Gewalttaten zu relativieren. Der Vorsitzende der rechtspopulistische Partei Reform UK, Nigel Farage, sagte, ethnische Minderheiten würden "ganz anders durch die Polizei verfolgt als weiße Briten". Farage behauptete, dafür gebe es Beweise - er lieferte jedoch keine.
Der Londoner Polizeichef Rowley widersprach solchen Gerüchten, die viel im Netz geteilt werden - auch vom Chef der Plattform X, Elon Musk.
Mit Informationen von Christoph Prössl, ARD London