Donald Trump beim sogenannten Believers' Summit in West Palm Beach.
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"In vier Jahren müsst ihr nicht mehr wählen" Will Trump die Wahlen in den USA abschaffen?

Stand: 30.07.2024 19:06 Uhr

In den sozialen Netzwerken wird verbreitet, Trump habe in einer Rede angekündigt, die Wahlen in den USA abzuschaffen. Eine irreführende Aussage fiel zwar - der Kontext ist aber wichtig.

Von Laura Bisch, ARD-faktenfinder

"Nur noch dieses eine Mal, in vier Jahren müsst ihr nicht mehr wählen" - mit diesen Worten hat der frühere US-Präsident Donald Trump und Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner beim sogenannten "Believers' Summit" der rechts-konservativen Gruppe "Turning Point Action" zuletzt Wahlkampf gemacht. Ausschnitte und Zitate aus seiner Rede verbreiteten sich vielfach - auf X, vormals Twitter, versahen Nutzerinnen und Nutzer ihre Postings zu Trumps Auftritt teils mit dem Hashtag #Dikatator.

Doch hat Trump damit wirklich angekündigt, im Falle seiner Wiederwahl im November künftige Wahlen abzuschaffen und die USA zu einer Autokratie zu machen?

Trump kritisierte Wahlsystem in den USA

Viele der Zitate und geteilten Videoclips aus Trumps Rede sind zwar echt, der Kontext zeichnet aber ein anderes Bild. In der Rede auf dem "Believers' Summit" fordert Trump zunächst, dass Wahlen künftig an einem statt an mehreren Tagen - wie in den USA üblich - stattfinden sollen. Später fordert er die Einführung einer sogenannten Voter ID, also einer Wähleridentifikation, in allen US-Bundesstaaten. Erst danach folgt die vielzitierte Passage Trumps. Darin sagt er konkret:

Nur noch dieses Mal, ihr müsst es danach nicht mehr tun. Vier Jahre, dann wird es repariert sein. (...) Wir werden es so gut repariert haben, dass ihr nicht mehr wählen müsst.

Dass es zu dieser Aussage mehrere Interpretationsmöglichkeiten gibt, glaubt auch der Politikwissenschaftler Johannes Thimm. Er ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Die eine Interpretationsmöglichkeit sei, Trump zu unterstellen, dass er die Wahlen künftig abschaffen und sich dann in irgendeiner Form an seinem Amt festklammern und sozusagen als Diktator weitermachen wolle, führt Thimm aus - das sei die dramatischste Interpretation.

Eine andere sei, "dass Trump in seiner nächsten Amtszeit die betreffenden Themen so geregelt haben will, dass dann alles gut ist aus Sicht der Wähler, die er da anspricht" - im Fall des "Believers' Summit" die eines christlichen Publikums.

Das scheint mir die typische Überheblichkeit von Trump: Er löst einfach im Handumdrehen alle Probleme, ohne genauer zu sagen wie.

Zudem könne man die Passagen aus Trumps Rede auch als Gleichgültigkeit demgegenüber verbuchen, was nach seiner zweiten und laut Verfassung letzten Amtszeit passiert. "Nach dem Motto: Nach mir die Sintflut", ergänzt Thimm.

Die Aussage Trumps sei spontan gewesen, meint der USA-Experte. Er glaube nicht, dass Trump seine Aussagen bis ins Letzte durchdacht habe. Und auch die Tatsache, dass es überhaupt mehrere Möglichkeiten gibt, Trumps Aussagen zu deuten, ist für den Politikwissenschaftler wenig überraschend. Im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder ordnet der USA-Experte ein: "Trump hält sich immer so ein Hintertürchen von Zweideutigkeit offen, um dann bestimmte Sachen wieder abstreiten zu können."

Trump als Gefahr für die Demokratie in den USA

Selbst wenn Trump seine Aussagen oft nicht wörtlich meine - die Gefahr für die Demokratie durch Trump schätzt Thimm als "durchaus real" ein. Es gebe viele Warnhinweise zu seinen autoritären Tendenzen und dazu, dass Trump den Rechtsstaat unterminiere - auch schon vor dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021.

Die Forderungen, die Trump in seiner Rede beim "Believers' Summit" aufgestellt hat, passen für Thimm außerdem in die seit Jahren gängige Strategie der sogenannten Voter Suppression - zu Deutsch: Wählerunterdrückung. Die Behauptung von Wahlbetrug komme dabei meist aus dem republikanischen Lager und sei relativ einseitig.

Das liege an der Annahme, dass die Demokraten immer eher davon ausgingen, von einer hohen Wahlbeteiligung zu profitieren - wohingegen die Republikaner traditioniell eher verhindern wollten, dass zu viele Menschen wählen, da die republikanischen Wählerinnen und Wähler als sehr verlässlich gelten. "Was beide Parteien in gleichem Maße machen, ist das sogenannte Gerrymandering, also die Zuschneidung der Wahlbezirke zum eigenen Vorteil", so Thimm.

Bestimmte Wähler mobilisieren - andere ausschließen

Dass Trump nun etwa eine Ausweispflicht bei der Wahl in allen Bundesstaaten fordert, passt laut Thimm in das Schema der Voter Suppression der Republikaner. So eine Pflicht gibt es bisher noch nicht in allen US-Bundesstaaten. Darum geht es laut Thimm bei den Wahlen auch immer um die Frage, welche Dokumente als Ersatz dienen könnten. Das sei von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich geregelt - und biete die Möglichkeit, die Hürden für die Stimmabgabe höher zu machen und bestimmte Wählergruppen auszuschließen. So gilt im US-Bundesstaat Texas etwa ein Waffenschein als Voter ID - und damit ein Dokument, das viele Wähler der Republikaner haben.

Weitere Beispiele für Wählerunterdrückung sind laut Thimm eingeschränkte Öffnungszeiten von Wahllokalen. Daran knüpft auch Trumps Forderung vom "Believers' Summit" nach einer Wahl an nur einem Tag an - statt an mehreren, wie das bisher üblich ist. USA-Experte Thimm erklärt, auch das sei problematisch. "Der Wahltag ist traditionell ein Dienstag und das ist ein Arbeitstag. Und das ist natürlich eine soziale Frage: Wer kann sich einfach freinehmen, um wählen zu gehen?"

Obwohl diese Aussagen in Hinblick auf die Demokratie in den USA problematisch seien, beobachte man, dass der Effekt dieser Maßnahmen von Wählerunterdrückung nicht ganz so einseitig zu Gunsten der Republikaner ist, wie man angenommen habe, führt Thimm aus. Dennoch füttern Forderungen wie diese das Narrativ des Wahlbetrugs - obwohl die tatsächlich dokumentierten Fälle laut Thimm "verschwindend gering" sind. "Es ist Quatsch zu glauben, dass das in großem Stile passiert", erklärt der Experte.

Rechtsstaat in den USA geschwächt

In der Theorie sei es zwar nicht so einfach, aus den USA eine Autokratie zu machen, sagt Thimm. "Grundsätzlich gibt es das System der Gewaltenkontrolle. Der Kongress und die Gerichte sollen ein Check der Exekutive sein." In der Praxis habe man aber das Problem, dass der Kongress dieser Rolle aktuell nicht mehr gerecht werde, weil die Spaltung zwischen den Parteien so stark sei. Als Beispiel nennt der Politikwissenschaftler die beiden gescheiterten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump.

Als zusätzliches Problem sieht Thimm das jüngste Urteil des Supreme Courts - des Obersten Gerichtshofes in den USA. Das Gericht hatte festgehalten, dass der US-Präsident nicht über dem Gesetz steht, aber für Handlungen in Zusammenhang mit zentralen, von der Verfassung vorgeschriebenen Aufgaben nicht angeklagt werden kann. Nach Ansicht von Thimm lässt das Gericht damit "große Zweifel daran aufkommen, ob die Justiz ihrer Funktion noch gerecht werden kann".

Effektiv sage dieses Urteil, der Präsident könne vor Amtshandlungen strafrechtlich nicht belangt werden, "egal ob es sich um Gesetzesverstöße handelt", erläutert Thimm. "Das ist natürlich eine massive Unterwanderung des Rechtsstaats und eine massive Schwächung der Gerichte als Kontrollinstanz." Angesichts der laufenden Strafverfahren gegen Trump sei dieses Urteil ein weiterer Grund, warum die Wahl im November eine besonders wichtige für ihn persönlich sei.

Föderalismus als Sicherheitsnetz

Thimm sieht den Rechtsstaat in den USA durch die aktuelle Gemengelage zwar als geschwächt an, nicht aber als handlungsunfähig. Es gebe Widerstand sowohl aus der Zivilgesellschaft als auch aus dem Beamtenapparat. Außerdem gebe es mehr Gerichte als nur den Obersten Gerichtshof. Des Weiteren biete der Föderalismus eine gewisse Sicherheit - denn die Wahlgesetze würden in den einzelnen Bundesstaaten gemacht, so Thimm. "Die kann man also zentral nicht so einfach ändern", sagt der Politikwissenschaftler.

Auch wenn viele Republikaner Trump hörig seien, greife der Rechtsstaat nach wie vor. So laufen laut Thimm in einigen Bundesstaaten Gerichtsprozesse gegen Leute, die bei der vergangenen Wahl versucht haben, Listen von Wahlleuten zu fälschen oder alternative Listen einzureichen. "Da kann man hoffen, dass so was eine abschreckende Wirkung entfaltet."

Am Ablauf kommender Wahlen im November könne Trump außerdem nicht mehr viel ändern, erklärt Thimm weiter. Die Regelungen stünden zum Großteil bereits fest. Und noch etwas beruhigt den Politikwissenschaftler: die Tatsache, dass Trump aktuell nicht im Amt ist.

Er argumentiert: "Im Moment hat die Regierung unter Joe Biden die Aufsicht über das Prozedere. Und wenn es einen Putschversuch gäbe, hätte er anders als 2021 keine Unterstützung aus dem Weißen Haus, sondern müsste von außen kommen, und das ist nicht so einfach." Sollte Trump allerdings rechtmäßig die Wahlen gewinnen, werde der Druck auf den demokratischen Rechtsstaat enorm.